Revolutionen können nur selten die ihn sie gesetzten Erwartungen erfüllen. Die meisten scheitern früher oder später[1]Jetzt kann man natürlich die berechtigte Frage stellen, was denn unter Scheitern zu verstehen ist. So wird die Revolution von 1848 von den meisten Historikern als gescheitert betrachtet – allerdings … Continue reading. Ein Scheitern muss nicht unbedingt heißen, dass die Mühen vergebens waren. Häufig werden die Ideen von anderen, etablierten Kräften – wenngleich nicht vollständig – adaptiert.
Die Fintech-Revolution versprach eine Demokratisierung des Finanzwesens und eine deutlich bessere Kundenorientierung. Mit Cloud Computing und Open APIs standen Mittel zur Verfügung, welche die Eintrittsbarrieren auf den ersten Blick sinken ließen. Ihren Aufstieg verdankten die Fintech-Startups einem ausgesprochen günstigen Investitionsklima und einer wohlwollenden Berichterstattung. Der Kreis der Investoren setzte und setzt sich häufig aus Banken zusammen, also gerade denjeinigen, die man überflüssig machen wollte.
Die Fintechs waren in diesem Ringen nicht nur diejenigen, die aufbegehrten, und es ging nicht bloß um Jung gegen Alt. Nein, Scalable und Co. hielten sich für: die Guten. Die klassischen Geldhäuser wie die Deutsche Bank erklärten die Fintechs dagegen zu den Bösen, die ihre Kunden angeblich ausnähmen (Wirtschaftwoche).
Inzwischen streichen Fintech-Startups reihenweise die Segel. Die anderen greifen zu Massenentlassungen. Im Mittelpunkt steht jetzt nicht mehr (Kunden-)wachstum um jeden Preis, sondern Profitabilität. Die Beliebtheitswerte bei Mitarbeitern und Kunden sind ausbaufähig. Bei einigen hat sich die BaFin bereits häuslich eingerichtet. Der gesellschaftliche Nutzen von Fintech ist durchaus überschaubar – beispielhaft sei das Geschäftsmodell Buy Now Pay Later (BNPL) genannt.
Einstige Protagonisten der Szene haben den Gang in die alten Institutionen vollzogen. Ein beliebtes Ziel ist ausgerechnet die Deutsche Bank, die nicht wirklich als strahlendes Vorbild taugt.
Die Wirtschaftswoche stellt fest: “Erstaunlich viele Fintechs sind den eigenen Ansprüchen nie gerecht geworden – mit der Folge, dass sich ihr Revolutions-Narrativ als Hybris entpuppt hat. Und manche gar zu Konterrevolutionären erstarrt sind”. Reaktionäre Tendenzen in der Fintech-Szene offenbarten sich, als der damalige Fintech-Rat der Bundesregierung in einem internen Positionspapier die Züchtigung der Presse forderte[2]Ein Jahr nach Wirecard: Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums wünscht sich “Disziplinierung der Presse”.
Ein Wendepunkt war rückblickend die Pleite von Wirecard. Noch bis kurz vor dem Zusammenbruch wurde Wirecard in der Szene und den Medien als das deutsche Vorzeige-Fintech gefeiert.
Auf Wikipedia lesen wir: “Eine Revolution ist ein grundlegender und nachhaltiger struktureller Wandel eines oder mehrerer Systeme, der meist abrupt oder in relativ kurzer Zeit erfolgt”. Davon kann mit Blick auf Fintech nicht die Rede sein – selbst für eine Evolution lassen sich kaum stichhaltige Belege finden. Die meisten Entwicklungen wären auch ohne Fintech vollzogen worden[3]Bitcoin & Co. lassen wir hier jetzt mal außen vor. Das ist ein Thema für sich
Ist die Revolution deshalb gescheitert, weil die etablierten Institutionen (Banken) zu gut waren? Keineswegs. In Sachen Innovation und Kundenorientierung besteht bei den meisten Banken noch großer Nachholbedarf[4]Genannt seien nur Paydirekt, Yomo , YES und EPI. Der Sonderfall Deutsche Bank wurde bereits erwähnt. Die etablierten Banken werden von der Regulierung geschützt. Wer auch immer das Bankgeschäft betreiben will, macht früher oder später intensive Bekanntschaft mit der Bankenaufsicht – und das geht erst einmal zulasten der Profitabilität. Sie setzt dem stürmischen, häufig unkontrollierten Wachstum Grenzen[5]Wenn die Regulatorik zu einem professionellen und umsichtigen Risikomanagement führt, zahlt sich der Aufwand mehr als aus.
Somit bleibt es bei der Einschätzung aus dem Jahr 2015 auf diesem Blog[6]Fintech repräsentiert einen Übergangsstil:
So sehr auch die Zahl der FinTech-Startups in den letzten Monaten zugenommen hat und so eindrucksvoll die verschiedenen grafischen Darstellungen der Fintech-Landschaft auch sind, so kann dies doch nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich hierbei nur um ein Aggregat, eine Ansammlung handelt, die an der Oberfläche bleiben. Ein leitendes Prinzip, eine übergreifende Idee, die von sich aus zu einer Umgestaltung der Wirklichkeit, d.h. des Banking führen könnte, vermag ich jedenfalls (noch) nicht zu erkennen. Zu groß ist die Abhängigkeit der Fintech-Startups von dem Bestehenden, und hier vor allem von der Infrastruktur, die zum größten Teil von den Banken betrieben wird. Ein Stil, der sich darauf beschränkt, die Oberfläche umzugestalten, verbleibt im Ornamenthaften; keinesfalls kann er dem Gesamtbau einen neuen Sinn verleihen und damit neue Möglichkeiten erschließen, was in diesem Fall neues Geschäft mit echtem Mehrwert bedeutet. An dem Befund ändern auch Begriffe wie Unbundling und Rebundling, so erbaulich sie auch sind, nur wenig.
References
↑1 | Jetzt kann man natürlich die berechtigte Frage stellen, was denn unter Scheitern zu verstehen ist. So wird die Revolution von 1848 von den meisten Historikern als gescheitert betrachtet – allerdings gibt es auch andere Stimme, wie die von Christopher Clark: Christopher Clark: 1848 – eine gescheiterte? |
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↑2 | Ein Jahr nach Wirecard: Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums wünscht sich “Disziplinierung der Presse” |
↑3 | Bitcoin & Co. lassen wir hier jetzt mal außen vor. Das ist ein Thema für sich |
↑4 | Genannt seien nur Paydirekt, Yomo , YES und EPI |
↑5 | Wenn die Regulatorik zu einem professionellen und umsichtigen Risikomanagement führt, zahlt sich der Aufwand mehr als aus |
↑6 | Fintech repräsentiert einen Übergangsstil |