Von Ralf Keuper
In der vergangenen Woche schlug im Internet ein Artikel von Finextra Wellen, der auf die Gefährdung der Banken durch sog. disruptive innovations wie Mobile Banking und Crowdfunding hinweis. Finextra bezieht sich dabei auf eine aktuelle Studie der spanischen BBVA.
Die darin geschilderten Bedrohungen für das Geschäftsmodell der Banken sind nicht neu. Bemerkenswert ist allenfalls, dass eine der größten Banken der Welt das Crowdfunding als echte Alternative in der Finanzierung betrachtet. Dem Mobile Banking wird großes Potenzial zur Steigerung der Produktivität attestiert; ebenso wird die Emanzipation der Kunden von ihrer Bank zur Kenntnis genommen. Künftig müssten die Angebote kundenzentriert sein und von den neuesten Technologien unterstützt werden. Die Filialen werden zwar an Bedeutung verlieren, jedoch nicht ganz von der Bildfläche verschwinden. Was neue Filialkonzepte angeht, ist BBVA in der Vorreiterrolle.
Vor einigen Jahren beschrieb der langjährige CEO von Intel, Andrew S. Grove, den schmerzhaften Wandlungsprozess, den sein Unternehmen in den 80er und 90er Jahren durchlaufen musste. Angesichts der Tatsache, dass die japanischen Halbleiter-Hersteller Chips zu konkurrenzlos günstigeren Preisen in großen Mengen herstellen konnten, war ein Schwenk in das Segment der Mikroprozessoren der einzige Ausweg. Rückblickend spricht Grove daher auch von den Strategischen Wendepunkten, die ein Unternehmen, ganz gleich welcher Branche, früher oder später passieren muss. Erkennt es diese zu spät, sieht es für die Zukunft des Unternehmens düster aus.
Für die Diagnose empfiehlt Grove den Bedingungsrahmen des eigenen Geschäfts fortlaufend zu überprüfen. Drei Fragen sind für ihn dabei zentral:
- Ändert sich ihr Hauptkonkurrent?
- Ändert sich etwas bei dem Hauptanbieter von Komplementärprodukten? (Branchenstruktur)
- Haben ihre Kollegen und Mitarbeiter nicht mehr alles im Griff? d.h. haben Sie den Kontakt zum Markt und den Kunden verloren?
Gemessen daran, ist es nicht übertrieben festzustellen, dass die Bankenbranche gleich auf mehrere strategische Wendepunkte zusteuert. Warum sollte es hier auch anders sein?
Allerdings trifft die Entwicklung die Banken nicht unvorbereitet. Was ihre Handlungsfähigkeit allerdings deutlich einschränkt sind die sog. Sunk Costs wie auch das Phänomen des Organisationsgedächtnisses, d.h. die Herausforderungen liegen nicht nur im betriebswirtschaftlichen, sondern auch im organisatorischen Bereich (Organizational Design).
Geschützt wird das Geschäftsmodell der Banken noch von den regulatorischen Bestimmungen wie auch von der Tatsache, dass für sie in ihrer Rolle als Risikotransformatoren noch kein Ersatz zur Verfügung steht.
Deswegen konzentrieren sich die Herausforderer wie PayPal auch geschickt auf die Bereiche der Wertschöpfungskette, die von den erwähnten Beschränkungen kaum betroffen sind, wie Katja Lehr von PayPal in einem Interview mit Lothar Lochmaier auch bestätigt.
Warum sollten Apple, Amazon und Google eine andere Strategie als PayPal verfolgen? Was hätten sie davon, als Vollbank aufzutreten? Wozu sich die Risiken und Kosten aufladen, wenn man sein Geld doch deutlich einfacher verdienen kann und für den Rest, wie der Risikotransformation, andere Anbieter bereit stehen?
Das ist das eigentliche Dilemma der klassischen Banken: Dass sie irgendwann “nur” noch als Risikohändler benötigt werden.
Und wenn die Risikotransformation eines Tages in dieser Form nicht mehr nötig ist, dann trifft wirklich zu, was Bill Gates einmal gesagt hat:
We need Banking, not Banks.
Wie sehr die Disintermediation voranschreitet, zeigt auch das Beispiel des spanischen Start Ups Licuos, die das Inhouse Banking konsequent weiter denken und damit in die Paradedisziplin der Banken, die Unternehmensfinanzierung, vorstossen.