Die Payments-Branche hat in den letzten Jahren ihr Gesicht deutlich verändert. Das Bargeld hat als bevorzugtes Zahlungsmittel an Bedeutung verloren, was neben den Banken derzeit vor allem die Hersteller von Geldautomaten und Kassenterminals zu spüren bekommen. Internettechnologien sind heute der Schlüssel für die Abwicklung des Bezahlvorgangs. Unternehmen, die sich schon früh auf diesen Wandel eingestellt bzw. ihn antizipiert haben, sind im Vorteil – das gilt in besonderer Weise für Wirecard. Das nächste große Feld deutet sich mit IoT Payments an. Wie könnte die Entwicklung in diesem neuen Segment verlaufen? Auf diese und weitere Fragen gibt Markus Eichinger (Foto), Executive Vice President Group Strategy bei der Wirecard AG, im Gespräch mit Bankstil Auskunft.
- Herr Eichinger, der unbare Bezahlvorgang beim Einkauf wird derzeit überwiegend am POS über Karten abgewickelt. Mit dem Internet of Things bzw. den IoT-Payments verlieren die Karten jedoch an Bedeutung. Wie wirkt sich das auf die Payments-Branche insgesamt aus?
Der Gesamtmarkt wächst stärker, da wir immer mehr eine Verschiebung von Bargeld zu bargeldlosem Bezahlen beobachten können. Innerhalb des bargeldlosen Marktes verschieben sich aber die Bedeutungen: Hardware und Terminals werden nach und nach unwichtiger, Internettechnologie wird immer bedeutender. Auch in der schnell wachsenden Payment-Branche werden sich daher einige Firmen wandeln müssen.
- Wie positioniert sich Wirecard; muss Wirecard seine Rolle von Grund auf überdenken?
Wirecard sieht sich sogar als Treiber dieses Trends! Ein Beispiel: Wir haben als erste Alipay in Europa implementiert, das übrigens genau so wie oben beschrieben funktioniert – Internettechnologie statt Hardware. Dadurch, dass Wirecard ein Experte für internetbasierte Technologien ist, werden wir von der Entwicklung profitieren.
- Können Sie ein Beispiel aus der Praxis geben, wie der Bezahlvorgang im Internet of Things künftig ablaufen wird; an welcher Stelle taucht Wirecard auf?
Gerne ein konkretes Beispiel: Mit dem Auto an der Tankstelle vorfahren, Tanken, im Auto selbst den zu zahlenden Betrag bestätigen, losfahren – fertig.
Wirecard kann die gesamte Wertschöpfungskette abdecken – von der Integration bzw. dem Wallet im Auto, über die Integration an der Tankstelle und Abwickelung des Bezahlvorgangs bis zum Auszahlen an die Händler bzw. Tankwarte.
- Einige Marktbeobachter gehen davon aus, dass die großen Internetkonzerne wie Amazon und Alibaba aber auch Hersteller wie Samsung alles aus einer Hand (Logistik, Finanzierung, Produktion), d.h. auch IoT-Payments, anbieten werden. Wo ist da noch Bedarf für Wirecard?
Einmal besteht der Bedarf im Kern des Payments – alleine aufgrund des internationalen Payment-Lizenznetzwerks von Wirecard. Weiterhin bestehen viele Möglichkeiten der Kooperation – die Wirecard mit den oben genannten Konzernen auch hält. Wie Wirecard haben sich diese Konzerne der Digitalisierung verschrieben – und somit wächst auch für Wirecard der adressierbare Markt.
- In Ihrem Beitrag The 6 Payment Megatrends – #3: Internet Technology and IoT verweisen Sie u.a. auf die Bedeutung von E‑Wallets (central storage of payment instruments, tied to a user account). Können Sie das näher erläutern?
Klar: Wir sehen Wallets als logische Erweiterung der Speicherung von Bezahldaten, die ja bei IoT-Payments unerlässlich ist, da dort keine Kartendaten eingegeben werden können.
Die Wallets enthalten das Geld des Nutzers, so dass Zahlungen dann direkt von dort aus abgewickelt werden können.
Die wichtigsten Vorteile sind die mögliche Abwicklung von Mikrotransaktionen, die einfachere Erstattung, Rückabwicklung oder Rückzahlung – wie zum Beispiel beim Pfand – und natürlich mehr Komfort für den Nutzer.
- Die Identifizierung und Authentifzierung spielen bei den Payments ein wichtige Rolle. Wie können sich künftig Nutzer und Objekte (Autos, Kühlschränke, Werkzeugmaschinen) ausweisen; welche bereits bestehenden Verfahren können übernommen bzw. angepasst werden?
Generell hat sich das 2‑Faktor-Prinzip bewährt, das auch von immer mehr Diensten im Internet übernommen wird. Die Bezahlwelt basiert schon länger auf diesem Prinzip, um Bezahlungen sicher zu machen – zum Beispiel: Chip & Pin.
Es wäre also vorstellbar, dass das 2‑Faktor-Prinzip auf Mensch und Maschine aufgeteilt wird. Beispiel: Die Maschine löst die Bestellung aus, und der Mensch muss zur Bestätigung eine PIN auf einem Terminal oder Smartphone eingeben.
- In letzter Zeit sind einige Login-Allianzen an den Start gegangen. Das prominenteste Beispiel ist VERIMI. Könnten Login-Allianzen für die sichere Identifizierung sorgen und damit dem IoT-Payments zum Durchbruch verhelfen?
Wir beobachten diese Trends genau, aber sind tendenziell noch skeptisch. So gibt es in Deutschland ja wiederum mehrere verschiedene Anbieter, so dass das Problem nicht wirklich gelöst wird. Für IoT-Payments ist die Existenz eines zentralen Identitäts-Vaults sicherlich hilfreich, aber unserer Meinung nach keine Voraussetzung, da das Thema „Identität“ beim Bezahlen durchaus gelöst ist. Die Allianzen gehen aber natürlich in ihrer Absicht deutlich über Payments hinaus und positionieren sich als Gegengewicht zu den US-basierten sozialen Netzwerken.
In dem Zusammenhang loht sich übrigens auch ein Blick nach China!
- Wäre die Blockchain eine geeignete Technologie, um das nötige Sicherheits- und Vertrauenslevel bei den IoT-Payments herzustellen. Gibt es in Ihrem Haus dazu schon Überlegungen oder erste Aktivitäten?
Selbstverständlich beschäftigt sich Wirecard mit der Blockchain-Technologie, aber vor allem im Hinblick auf zahlungsrelevante Themen. Wir denken aber, dass es für marktreife Anwendungsfälle momentan noch etwas früh ist.
- Wozu braucht es künftig überhaupt noch Banken?
Die Frage lässt sich sicherlich nicht umfassend an dieser Stelle beantworten. Aber in Kürze dazu Folgendes: Banken spielen eine ganz zentrale Rolle im Wirtschaftsleben und sind auch engstens mit der Gesellschaft verwoben – das wird gerne vergessen, wenn man sich nur auf einen spezifischen Aspekt wie z.B. das Bezahlen konzentriert.
Banken müssen sich jedoch auch ändern und ihre Kern-USPs wieder in den Vordergrund stellen, sowie das Vertrauen ihrer Kunden zurückgewinnen. Die „Dienstleistung am Kunden“ steht hier sicherlich in den nächsten Jahren im Vordergrund – unterstützt durch smarte Technik.
- Wie schätzen Sie die Entwicklung der nächsten Jahre ein. Wann wird der Kühlschrank selbständig einkaufen gehen?
Wir erleben den IoT-Trend ja bereits – Amazon Echo, Google Assistant, nicht zuletzt Smartphones als IoT Devices, die immer selbständiger entscheiden. Der Amazon Go Store ist ja bereits bestens bekannt – hier wird IoT sogar dazu eingesetzt, die Prozesse im Laden selbst neu zu gestalten.
Ich bin überzeugt, IoT und IoT-Payments werden keine Revolution sein – stattdessen befinden wir uns bereits mitten in einem evolutionären Prozess.