Wenn demnächst Maschinen in der Lage sind, sich gegenseitig zu beauftragen und zu bezahlen, dann entsteht hier ein Markt, der für viele Anbieter lukrativ ist. Im Gespräch mit Bankstil erläutert Joachim Dorschel (Foto), Rechtsanwalt und Geschäftsführer der DPS Engineering GmbH und der DPS Innovations GmbH, welche Anforderungen die vernetzte Produktion (Industrie 4.0) an die Banken und ihre IT-Infrastrukturen stellt, wer sonst noch eine relevante Rolle im Internet of Payments bzw. bei den IoT-Payments spielt und demnächst noch übernehmen wird, weshalb die sichere Identifizierung der Maschinen und damit Identity-as-a-Service ein Wachstumsmarkt ist und welche Funktion die Blockchain-Technologie in der Machine Economy übernehmen könnte. Joachim Dorschel hat zusammen mit David Karlin den Beitrag Technik und Prozesse für ein Internet of Payments veröffentlicht.
- Herr Dorschel, was genau macht DPS; welche Funktion haben Sie dort?
DPS ist seit fast dreißig Jahren als IT Dienstleister für Finanzinstitute und banknahe Retail-Services am Markt aktiv. Unsere Kunden sind unter Anderem große Privatbanken, Landesbanken, die Sparkassenorganisation, genossenschaftliche Institute sowie Payments Service Provider. Schwerpunkte von DPS sind das Transaction Banking, insbesondere Payments und Securities Settlement, Omnichannel Banking sowie techniknahe Regulatorik. In unserer Innovations-Einheit entwickeln wir Produktideen in den Bereichen Blockchain, RegTech und seit einiger Zeit auch IoT.
Ich selbst bin gelernter Rechtsanwalt und Geschäftsführer der DPS Engineering GmbH und der DPS Innovations GmbH und dort zuständig für Strategie, Marketing und Vertrieb.
- In Ihrem Beitrag Technik und Prozesse für ein Internet of Payments geben Sie den Banken den Rat, sich rechtzeitig auf die Herausforderungen des Internet of Things (IoT) vorzubereiten. Warum ist das Thema so wichtig?
Die Bedeutung von IoT und Industrie 4.0 für industrielle Produktionsprozesse und Wertschöpfungsketten ist bekannt. Banken spielen bei der Beschaffung, dem Absatz und allgemein in der Supply Chain eine wesentliche Rolle als Finanzierer und als Anbieter von Zahlungsverkehrsprodukten. Mit IoT sind gänzlich neue Preis- und Geschäftsmodelle denkbar. Dies erfordert neue Modelle der Finanzierung und Abrechnung. Banken können sich hier als innovativer Serviceprovider profilieren.
- Können Sie ein Beispiel aus der Praxis nennen?
Bislang gibt es wenige produktive Anwendungsfälle. Ein Prototyp, an dem wir gerade arbeiten, erlaubt es, die Finanzierung von technischen Geräten mit dem Gerät selbst zu verbinden. Denkbar sind so Vertragsmodelle, bei denen die Zahlungsverpflichtung aus der Anschaffungsfinanzierung mit einer Weiterveräußerung automatisch auf den Erwerber übergeht. Hierdurch werden auch finanzierte Geräte (z.B. Fahrzeuge) leicht weiterveräußerbar. Zins- und Tilgungsdienst leistet primär der jeweilige Eigentümer oder Besitzer, bei dem das wirtschaftliche Interesse am Betrieb des Produktes liegt. Wird nicht fristgerecht bezahlt, geht das Gerät außer Betrieb.
- Sind Banken sowohl technisch wie organisatorisch überhaupt in der Lage, die Vielzahl der Geräte und deren Kommunikationsströme zu erfassen und als Zahlungs- und Clearingstelle zu fungieren?
Was die Leistungsfähigkeit der Bank-IT angeht, so ist zu bedenken, dass die meisten Institute sich mit Instant Payments heute bereits darauf einrichten, Massenzahlungen in Echtzeit auszuführen. Aus Sicht des Zahlungsverkehrs wird IoT häufig nur ein weiterer Eingangskanal sein, den es entsprechend zu bedienen gilt.
Im Bereich Maschine-to-Maschine-Payments geht es darum, aus IoT-Daten Zahlungsinstruktionen zu generieren und diese transaktionssicher und regulatorikgerecht auszuführen. Die Verbindung zwischen der Bank-IT und einer IoT-Plattform wird hier mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Payment-Layer schaffen, ein Stück Software wie unser eCMS IoT-Server.
Für andere Modelle, etwa beim oben erwähnten Beispiel der maschinengebundenen Finanzierung, bedarf es gänzlich neuer Anwendungsarchitekturen. Wie sich die funktionalen Anforderungen zwischen Bank-IT, IoT-Plattformen und Verbindungsschichten verteilen, wird die technische Entwicklung zeigen.
- Die großen digitalen Plattformen, wie Alibaba und Amazon, bieten bereits Internet Payments an. Warum sollten die Plattformen die Dienste von Banken noch in Anspruch nehmen?
Amazon und Alibaba sind auf Bezahlvorgänge im Consumer-Geschäft ausgerichtet – im Electronic Commerce und seit einiger Zeit auch im stationären Handel. Im IoT-Bereich geht es um Zahlungsverkehrslösungen für Unternehmenskunden, wobei die wesentliche Herausforderung darin liegt, in einem stark regulierten Umfeld innovative Payment-Lösungen für neue Geschäftsmodelle zu finden. Hinzu kommt, dass viele Use Cases virtuelle Abrechnungseinheiten benötigen werden, wobei die etablierten Kryptowährungen ungeeignet sind. Hier können Banken als Vertrauensgeber, als Berater und als Lösungsanbieter eine entscheidende Rolle spielen.
- Unternehmen bzw. Startups wie IOTA oder Slock.it wollen es ermöglichen, dass Maschinen sich gegenseitig beauftragen und bezahlen können. Ein realistisches Szenario?
Die Idee hinter den genannten Initiativen ist in beiden Fällen durchaus realistisch. Bei IOTA sehe ich allerdings das Problem, dass das Konzept auf einer handelbaren Kryptowährung basiert, welche definitionsgemäß volatil ist. Eine Kryptowährung, deren einziger Zeck es ist, als Recheneinheit für Maschine-to-Maschine-Transaktionen zu dienen, sollten aber eher an eine etablierte Fiat-Währung gebunden sein. Für solche Stable Coins oder auch über DLT organisiertes e‑Geld bedarf es einer vertrauensgebenden Instanz. Hier kommen wieder Banken ins Spiel.
- Sind IoT-Datenmarktplätze wie Streamr ein Modell mit Zukunft?
Neutrale und universelle Plattformen für den Datenaustausch werden für IoT-Anwendungen sicherlich an Bedeutung gewinnen. Welche Formate, Konzepte und Anbieter sich letztlich durchsetzen werden, ist aus heutiger Sicht völlig offen. Anbieter von Payments Services und IT-Lösungen werden sich auf unterschiedliche Konzepte und Formate einstellen müssen. Dabei muss man bedenken, dass sich Infrastruktur und Angebote auch auf der Payment-Seite weiterentwickeln. Instant und Mobile Payments sind hier nur zwei Beispiele.
- Die Themen Datenschutz / Privacy by Design sowie die sichere Identifizierung befinden sich im IoT noch in den Anfängen. Zeichnet sich hier der Bedarf von Identity-as-a-Service – Providern sowohl für Personen wie auch für Maschinen ab?
Die sichere Identifikation von Maschinen wird eine der Herausforderungen bei Maschine-to-Maschine-Payments sein. Die PSD2 verlangt für Zahlungsaufträge eine Zwei-Faktor-Authentifizierung. Dieses Konzept ist auf Maschinen nicht ohne weiteres übertragbar. Das IoT-Referenzmodell RAMI 4.0 weist jedem Gegenstand einer Verwaltungsschale zu. Eine zentrale Anforderung ist dabei, dass die Verwaltungsschale und der ihr zugeordnete Gegenstand über eine eindeutige ID verfügen.
Bei netzwerkübergreifenden Transkationen zwischen Maschinen müssen diese ID´s auch untereinander eindeutig und unverfälschbar sein. Hier kommt der Authentifizierung der Identität, wie man sie heute bereits beim OPT-Verfahren kennt, entscheidende Bedeutung zu. Dabei werden aus heutiger Sicht Instanzen benötigt, die Zertifikate erteilen und die Zuordnung von Maschinen und Personen (eine Maschine kann juristisch nicht Inhaber von Rechten und Pflichten sein) sicherstellen. Identity-as-a-Service kann hier eine weitaus größere Bedeutung gewinnen, als dies heute der Fall ist.
- Welche Rolle könnte die Blockchain-Technologie im Internet of Payments übernehmen?
Blockchain und DLT sind Schlüsseltechnologien für Zahlungen in dezentralen IoT-Netzwerken. Es liegt nahe, dass Wertetransfers zwischen Maschinen typischerweise nicht über klassische Zahlungsverkehrsnetzwerke abgewickelt werden, sondern hierfür eigene Tokens zum Einsatz kommen. Die mögliche Bedeutung von Stable Coins oder in Blockchain implementiertes E‑Geld hatte ich bereits erwähnt.
Darüber hinaus ist es auch denkbar, das Identitätsmanagement und die Authentifizierung von Maschinen dezentral über entsprechende Technologien zu organisieren. Der große Vorteil einer solchen Lösung ist der Verzicht auf zentrale Instanzen, die als Single Point of Failure ein gesamtes Netzwerk blockieren können.
- Wie wird sich der Markt für Internet Payments in den nächsten fünf Jahren entwickeln?
Diese Frage ist schwer zu beantworten. Entscheidend wird sein, wie sich die großen Industriekonzerne sowie die heute bereits etablierten IoT-Anbieter positionieren und welche Innovationskraft Banken und Payment Provider bei der Entwicklung von Lösungsangeboten zeigen. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass in fünf Jahren viele Transaktionen zwischen Maschinen ohne direktes oder indirektes menschliches Zutun erfolgen.