Im Inter­view mit Bank­stil erläu­tert Chris­toph Lehl (Foto), COO bei Spec­trum Mar­kets, wel­che Vor­tei­le der Intra­day-Han­del in Echt­zeit über eine pan­eu­ro­päi­sche Platt­form für die Pri­vat­an­le­ger mit sich bringt. 

  • Sie sind 2019 mit dem digi­ta­len Han­dels­platz Spec­trum Mar­kets an den Markt gegan­gen. Was waren seit­dem die wich­tigs­ten Aufgaben?

Nach dem Start unse­res Han­dels im Som­mer 2019 waren wir haupt­säch­lich mit der Wei­ter­ent­wick­lung des Sys­tems, der Anbin­dung zusätz­li­cher Teil­neh­mer und der Auf­nah­me wei­te­rer Instru­men­te in den Han­del beschäftigt.

  • Sie haben sich als MTF (Mul­ti Tra­ding Faci­li­ty) im Han­del eta­bliert. Wor­in besteht der Unter­schied zu einer klas­si­schen Börse?

Eine MTF ist zunächst ein recht­lich ande­res Kon­strukt als eine Bör­se. Wäh­rend die Bör­se eine Ein­rich­tung des öffent­li­chen Rechts ist, basiert eine MTF auf pri­vat­wirt­schaft­li­chen Ver­trä­gen. Bei­den gemein­sam ist, dass es sich dabei um regu­lier­te Han­dels­plät­ze han­delt. Es gel­ten für bei­de ver­gleich­ba­re Regeln. Wäh­rend sich die meis­ten Bör­sen außer­dem eher auf

Chris­toph Lehl, Chief Ope­ra­ti­ons Offi­cer bei Spec­trum Markets

insti­tu­tio­nel­le Anle­ger fokus­sie­ren, sehen wir uns eher als Han­dels­platz für Pri­vat­an­le­ger als End­kun­de. Wir arbei­ten mit einem offe­nen Order­buch, das dem Pri­vat­an­le­ger gegen­über voll­stän­di­ge Preis­trans­pa­renz und maxi­ma­le Liqui­di­tät zusi­chert. Das Gan­ze wird über 24 Stun­den ange­bo­ten. Wir bie­ten also Han­del zu Zeit­punk­ten an, an denen die klas­si­schen Bör­sen bereits geschlos­sen sind. Das ist des­we­gen wich­tig, weil Ereig­nis­se, die irgend­wo auf der Welt pas­sie­ren, stets auch Aus­wir­kun­gen auf Han­dels­ent­schei­dun­gen haben.

Zudem arbei­ten wir auf der Bro­ker­sei­te voll­kom­men gebüh­ren­frei. Dies ist mög­lich, da wir die Pro­zess­ket­ten so auf­ge­setzt haben, dass die admi­nis­tra­ti­ven Kos­ten ins­ge­samt unter denen vie­ler ande­ren Han­dels­plät­ze lie­gen. Wir hof­fen dabei natür­lich, dass die Bro­ker die­se Kos­ten­vor­tei­le auch an die End­kun­den wei­ter­ge­ben. Für End­kun­den sind sol­che Gebüh­ren ein viel wich­ti­ge­res The­ma, da die­se mit deut­lich klei­ne­ren Volu­mi­na arbeiten.

  • Womit ver­dient Spec­trum Mar­kets eigent­lich sein Geld, wenn alles kos­ten­los ist?

Kos­ten­los ist der Han­del nur für den Bro­ker des End­kun­den. Wir ver­die­nen Geld, weil Emit­ten­ten ein Inter­es­se haben, für bestimm­te Pro­duk­te Liqui­di­tät bereit­zu­stel­len. Die­sen lie­fert Spec­trum eine Platt­form, auf der die Emit­ten­ten prä­sent sein kön­nen. Die Mar­ket Maker zah­len für die­se Leis­tung eine Gebühr.

Der Deut­sche merkt gar nicht, wenn er mit einem Schwe­den handelt

  • In einem ers­ten Inter­view mit CEO Nicky Maan mach­te er deut­lich, dass Spectrum
    Mar­kets sich als pan-euro­päi­scher Han­dels­platz ver­steht. Wie euro­pä­isch ist Spec­trum seit­dem geworden?

Wir bin­den Bro­ker aus vie­len EU-Län­dern an das Sys­tem an. Das gibt uns die Mög­lich­keit, das glei­che Instru­ment in einem Order­buch für alle die­se Län­der zu han­deln. Anle­gern in ganz Euro­pa bie­tet das eine deut­lich höhe­re Liqui­di­tät, was sich letz­ten Endes auch güns­tig auf die Prei­se aus­wirkt. Die Erfolgs­aus­sich­ten sind also pan-euro­pä­isch viel höher, als wenn man sich nur auf den deut­schen Markt beschrän­ken wür­de. Eine höhe­re Anzahl von Han­dels­teil­neh­mern resul­tiert in höhe­re Liqui­di­tät und beein­flusst vor­teil­haft die Preisbildung.

Wird also ein Match zwi­schen einem deut­schen Trader und etwa einem Schwe­den her­ge­stellt, merkt der Deut­sche gar nicht, dass er mit dem Schwe­den han­delt, obwohl deren Bro­ker die Order in ihren jewei­li­gen Län­dern abwi­ckeln. Für die Händ­ler selbst ist nur die bes­se­re Liqui­di­tät, die in Sum­me damit her­ge­stellt ist, rele­vant. Wenn in einer Nacht die Händ­ler aller euro­päi­schen Län­der zusam­men­tref­fen soll­ten, ergä­be das schon eine signi­fi­kan­te Größe.

Auch die EU-ein­heit­li­chen Regu­lie­run­gen wir­ken sich wachs­tums­för­dernd aus. Abwick­lun­gen wie bei Cle­arstream als Zen­tral­ver­wah­rer in Deutsch­land kön­nen über die euro­päi­sche Abwick­lungs­platt­form Tar­get To Secu­ri­ties stan­dar­di­siert für alle EU-Län­der aus­ge­führt wer­den. Deut­sche Han­dels­teil­neh­mer, die etwa über Cle­arstream abwi­ckeln, kön­nen pro­blem­los dadurch mit ande­ren EU-CSDs wie etwa, der Euro Next Secu­ri­ties Milan (ehe­mals Mon­te Tito­li) grenz­über­schrei­tend interagieren.

Preis­trans­pa­renz, die Ban­ken frü­her nicht gern gese­hen haben

  •  Fin­det der Han­del in Echt­zeit statt? Oder gibt es hier Einschränkungen?

Echt­zeit-Han­del ist heu­te eine abso­lu­te Vor­aus­set­zung. Er kann aber nicht immer Intra­day-Instru­men­te auf­neh­men, wie das etwa bei Spec­trum der Fall ist. Es gibt z.B. Han­dels­plät­ze, die prak­tisch über Nacht ihre Updates abar­bei­ten, um dann am Fol­ge­tag wie­der „aktu­ell“ zu sein. Intra­day-Pro­duk­te kom­men hin­ge­gen gezielt zum Ein­satz, wenn ein kon­kre­tes Han­dels­in­ter­es­se besteht. Instru­men­te, die hin­ge­gen quo­tiert wer­den, obwohl sie nicht gehan­delt wer­den, erhö­hen am Ende nur die Trans­ak­ti­ons­kos­ten. Deutsch­land ist beim Intra­day-Han­del übri­gens euro­pa­weit Vor­rei­ter. Wenn der zen­tra­le Wert­pa­pier­ver­wah­rer (Cen­tral Secu­ri­ties Depo­si­to­ry, CSD) eines aus­län­di­schen Emit­ten­ten sein Instru­ment in Deutsch­land anbie­ten will, ist die­se Mög­lich­keit bereits euro­pa­weit angelegt.

  • Ist das der Grund, war­um Ban­ken wie zuletzt UniCre­dit die Zusam­men­ar­beit mit ihnen suchen?

Emit­ten­ten bemer­ken schon, dass hier ein gro­ßer Markt gewach­sen ist. Da ist das Inter­es­se groß, mit sei­nen Pro­duk­ten dar­an teil­ha­ben zu kön­nen. Durch die dar­in gute Preis­qua­li­tät wer­den auch ihre Pro­duk­te attrak­ti­ver für Endkunden.

  • Das ist ja eigent­lich eine Preis­trans­pa­renz, die die Ban­ken frü­her nicht so ger­ne gese­hen haben.

Den­noch ist es für sie attrak­tiv: Sie bie­ten die­se Pro­duk­te wie zum Bei­spiel Deri­va­te an und stel­len gleich­zei­tig Liqui­di­tät dafür zur Ver­fü­gung – das sind zwei Einnahmequellen.

  • Haben Sie damit die Euro­päi­sche Ban­ken­uni­on damit qua­si schon vollzogen?

In gewis­ser Wei­se. Das ist in etwa so, wie wenn Sie über Ama­zon bei einem ita­lie­ni­schen Händ­ler kau­fen und dann den Betrag über­wei­sen kön­nen. Das wäre vor SEPA müh­sam gewe­sen. Auch die Fest­le­gung ein­heit­li­cher euro­päi­scher Fei­er­ta­ge hilft hier wei­ter. Sonst wür­de ein deut­scher Händ­ler in Liqui­da­ti­ons­pro­ble­me gera­ten und damit höhe­re Risi­ken ein­kal­ku­lie­ren müs­sen, nur weil gera­de in Ita­li­en ein natio­na­ler Fei­er­tag ist.

Das Gespräch führ­te Ralf Keuper