Eine paneuropäische Handelsplattform für verbriefe Derivate, die privaten Anlegern vierzundzwangig Stunden an fünf Tagen in der Woche zur Verfügung steht, ist einzigartig. Spectrum Markets bietet genau das. Im Interview mit Bankstil erläutert Nicky Maan (Foto), Gründer und Geschäftsführer von Spectrum Markets mit Sitz in Frankfurt am Main, warum Frankfurt ein idealer Platz ist und welche Rolle die BaFin bei der Standortwahl gespielt hat.
RK: Herr Maan, Sie haben 2017 Spectrum Markets gegründet, einen digitalen pan-Europäischen Handelsplatz für verbriefte Derivate. Wie kam es dazu?
NM: Ich arbeite seit 2014 für die Londoner IG Group, einem börsennotierten Unternehmen, das sich weltweit auf den direkten Börsenhandel für Privatkunden spezialisiert hat. Europa hat einen riesigen Börsenmarkt, zu dem wir keinen Zugang hatten. Wir hatten daher die Idee, mit unserer eigenen Technologie und unseren Fähigkeiten einen eigenen Handelsplatz zu schaffen, der nach der Philosophie und den Bedürfnissen von Privatkunden ausgerichtet ist. Mit dieser Idee begannen wir etwa um das Jahr 2017.
RK: Welche Herausforderungen hatten Sie bei der Gründung zu bewältigen?
NM: Es waren vor allem zwei Fragen, die zu lösen waren, und zwar erstens: Wie würden wir etwas bauen und was würden wir bauen? Wir begannen mit einem völlig leeren Blatt Papier. Wir wussten, was wir tun wollten, aus der Perspektive des Retail-Kunden. Aber konnte es so aufgebaut werden, wie wir es uns vorstellten? Zweitens: Kann es so reguliert werden, wie wir es uns wünschen würden? Und damit verbunden: Kann es langfristig reguliert werden?
RK: Wie sind Sie dabei vorgegangen?
NM: Wir haben zunächst mit einigen europäischen Regulierungsbehörden gesprochen, um unsere Strategie für die nächsten 10 bis 15 Jahre durchzusprechen, beispielsweise auch, wo wir das Gefühl hatten, dass es eine kleine Lücke für einen Handelsplatz gab, der sich ausschließlich auf den Retail-Handel konzentrieren würde. Und das stimmte auch mit den Regulierungsbehörden überein, die sich solche Handelsplätze wünschten. Kunden und Regulierungsbehörden mögen nämlich beide dasselbe: Transparenz, die Börsenhandel für jedermann sichtbar macht.
Wir schufen also eine komplett offene Plattform. Die Aufsichtsbehörde kann zu jedem Zeitpunkt genau sehen, was vor sich geht, was ihr mehr Sicherheit und ein gewisses Maß an Kontrolle bietet, und genauso möchten die Privatkunden auch sehen, was mit ihrem Handel passiert. Diese Überlegungen führten uns schließlich direkt zur BaFin nach Deutschland.
„Die BaFin hat großen Einfluss in Europa“
RK: Welche Kriterien waren für die Wahl der BaFin als „Wunsch-Regulator“ ausschlaggebend?
NM: Es waren hauptsächlich zwei Gründe, die den Ausschlag gaben. Erstens, wir hatten das Gefühl, dass die BaFin eine sehr verlässliche Aufsichtsbehörde ist, was die Auslegung der Vorschriften angeht. Das war eine geschäftliche und strategische Perspektive, die man vor allem braucht, denn dann kann man planen und zwar langfristig. Und zweitens haben sie vielleicht auch einen bedeutenden Einfluss auf europäischer Ebene. Wir haben daher von Anfang an das Gespräch und die enge Zusammenarbeit mit der BaFin gesucht und sind der Auffassung, dass nur eine pro-aktive und konstruktive Zusammenarbeit mit der Regulierungsbehörde allen Akteuren nutzen kann: Der BaFin selbst, uns als Unternehmen und letzten Endes auch den Verbrauchern.
RK: War die BaFin als alleiniger Grund ausschlaggebend, nach Frankfurt zu gehen?
NM: Es liegt nicht nur daran, dass die Bafin in Frankfurt sitzt. Ein weiterer Grund war der pan-Europäische Aktionsradius. Frankfurt liegt mitten in Europa. Von hier haben wir einen guten Zugang zum Rest von Europa.
RK: Was sind denn Ihre wichtigsten Mitbewerber in Deutschland und in Europa?
NM: Wir sind ein Handelsplatz, also sind wir natürlich auf dem Markt mit allen Handelsplätzen in Europa. Viele davon machen einen Großteil ihres Geschäfts mit Hedgefonds und High Frequency Trades. Sie machen eine Menge Geschäft mit Marktdaten und sie sind im Privatkundengeschäft. Deshalb basieren die Entscheidungen, die sie treffen, darauf, wo sie den Großteil ihrer Einnahmen erzielen. Wir sind mit der klaren Vorstellung gekommen, dass wir uns um den Privatkunden kümmern wollen. Ich kenne keine andere Börse, die sich so rein auf den Bereich Retail konzentriert.
RK: Nachdem die BaFin als Gesprächspartner und Frankfurt als Standort feststand, was waren die nächsten Fragen, die Sie mit der BaFin diskutierten?
NM: Wir begannen, über die übergeordnete Strategie zu sprechen. Und wir bauten mit ihnen eine Menge innovativer Dinge auf wie zum Beispiel, dass unsere Handelsplattform vierundzwanzig Stunden, fünf Tage die Woche läuft. Diese Gespräche spielten eine große Rolle dabei, wie wir unsere Ideen umsetzen können, um die regulatorischen Erwartungen zu erfüllen.
RK: Wie sah dann der Anfang in Frankfurt konkret aus?
NM: Wir waren in der Lage, in den Jahren 2017 und 2018 komplett mit einem leeren Blatt Papier zu beginnen. Wir haben uns die ganzen Handelsplätze in Europa angeschaut, wie deren Backoffice arbeitet. Wir waren in der Lage, uns diese Dinge anzuschauen und zu sagen, OK, wie würden wir es machen? Die Analogie, die ich immer benutze, ist, dass wir den Raum komplett von allen Möbeln geleert haben und dann nur das reingebracht haben, was wir wirklich brauchen. Es geht wirklich darum, so effizient wie möglich zu sein, also zu versuchen, schneller abzurechnen, zu versuchen, Produkte schneller aufzulisten. Wenn es achtundvierzig Stunden dauerte, etwas abzurechnen oder etwas aufzulisten, fragten wir, warum kann das nicht in einer Stunde erledigt werden?
„Die meisten Börsen sind in einer Art Silo aufgebaut“
RK: Ab wann war Ihnen klar, dass Sie eine europäische Plattform bauen?
NM: Die meisten der Börsen, die gegründet wurden, sind in einer Art Silo aufgebaut. Also, die deutschen Börsen für den deutschen Markt, die italienischen Börsen für den italienischen Markt. Wir haben bis zu einem gewissen Punkt in unseren Entwürfen gar nicht daran gedacht, dass unsere Idee tatsächlich etwas Neues ist. Aber das war es, denn eine Abrechnung über die europäischen Nationen hinweg hat es lange nicht gegeben.
RK: Wie ist Ihr Handel aufgebaut?
NM: Wir sind 2019 mit dem beliebtesten Produkt für den Handel gestartet, das ist das Produkt, das am kürzesten gehalten wird, und zwar kurzfristiger Handel. Die Pläne für das nächste Jahr sind, diese Produktpalette auszufüllen, mittelfristige Produkte und dann langfristige Anlageprodukte anzubieten, die über Monate und Jahre gehalten werden können, so dass der Privatkunde eine vollständige Palette von Handelsmöglichkeiten hat, innerhalb derer er handeln kann.
RK: Spätestens seit der letzten Finanzkrise sind Derivate sehr umstritten. Warren Buffett bezeichnet sie als Massenvernichtungswaffen. Warum ist das so?
NM: Es ist wie mit allem, sogar Cola Light kann eine Massenvernichtungswaffe sein, wenn sie übermäßig verwendet wird. Es hängt also alles davon ab, wie es eingesetzt wird und wie es dem Verbraucher präsentiert wird, und von den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. Ich bin der festen Überzeugung, dass Derivate, die für den Privatkunden gehandelt werden, am besten an einem Handelsplatz gehandelt werden und nicht over the counter (OTC-Handel). Weil Börsenplätze es einem Privatkunden, der nicht immer über die besten Finanzinformationen verfügt, ermöglichen, umfassende und genaue Informationen darüber zu haben, was er oder sie handelt. Finanzinformationen sind überall verfügbar. Wie sie genutzt werden und was man damit macht, ist Sache des Einzelnen. Was ganz sicher nicht geht und was wahrscheinlich als Massenvernichtungswaffe bezeichnet werden kann, ist, wenn den Menschen nicht alle Informationen transparent zur Verfügung gestellt werden und sie dann trotzdem zum Handeln ermutigt werden. Es gibt ein verstärktes Verlangen der Privatkunden, die Kontrolle über ihre eigene finanzielle Zukunft zu übernehmen, und wir geben ihnen die Mittel, dies auf faire und umsichtige Weise zu tun
„Über Indizes glauben die Leute, die meisten Informationen zu haben“
RK: Mehr als 80 Prozent aller gehandelten verbrieften Derivate waren auf Indizes ausgestellt. Was macht gerade Indexderivate so attraktiv?
NM: Das ist wieder einmal ein ziemlich langfristiger Trend. Der Index ist der am weitesten verbreitete Basiswert, weil die Leute das Gefühl haben, dass Sie hierüber die meisten Informationen haben müssten. Wenn Sie eine bekannte Aktie oder einen bestimmten Titel auswählen würden, weiß natürlich auch jeder etwas darüber. Aber im Allgemeinen brauchen Sie einige spezifische Informationen über dieses bestimmte Unternehmen. Bei Währungen ist nicht so sehr bekannt, was einen Markt nach oben und unten treibt. Aber wenn Sie einen Index auswählen, und Sie sehen den DAX und Sie hören in Ihrem täglichen Leben über die Bundesregierung, darüber, wie es der deutschen Wirtschaft geht, wie es der europäischen Wirtschaft geht, dann sind das Themen und Finanzinformationen, von denen Sie das Gefühl haben, dass sie sich auf den DAX auswirken werden. Sie werden sich also sicherer fühlen, eine Meinung über den DAX zu bilden, als Sie es bei einer kleinen Aktie irgendwo eines Unternehmens tun würden, bei dem Sie dann eine Studie, die Jahresabschlüsse, ein Interview mit dem Management usw. machen müssen.
„Es gibt immer noch irgendwo ein Stück Papier, das von jemandem genutzt wird, der dafür bezahlt wird, es zu nutzen“
RK: Welche Rolle spielt die Digitalisierung in ihrem Geschäftsmodell?
NM: Selbst in unserer eigenen Branche gibt es noch eine Menge Nachholbedarf. Jetzt treten wir in eine Ära ein, in der im Moment die Leute viel über Kryptowährungen reden. Aber in Wirklichkeit ist der Game Changer die Technologie dahinter, die Blockchain-Technologie und wie sie funktioniert. Es gibt viele, viele potenzielle Anwendungen für so etwas. Es geht dabei um eine komplett sichere Technologie, die dezentralisiert ist, die wie eine Blockchain funktioniert, d.h. jeder Teil jedes Teilnehmers wird von jedem anderen Teilnehmer zur Rechenschaft gezogen. Und es gibt keine zentrale Instanz.
Die Digitalisierung in Bezug auf die Technologie selbst, wie wir es in unserem Angebot getan haben, kann eine Menge Dinge verändern. So listen wir zum Beispiel unsere Produkte jetzt innerhalb einer Stunde, innerhalb von Minuten, während man noch vor ein paar Jahren Tage brauchte, um die verbrieften Instrumente zu listen, weil das durch mehrere manuelle Prozesse ging. Alles, was wir in Bezug auf den Betrieb und die Überwachung der Operationen eingerichtet haben, ist so weit wie möglich automatisiert.
Ich denke, dass die Abwicklung sowohl von verbrieften Derivaten als auch von allen Finanzinstrumenten ein Bereich ist, in dem die Digitalisierung bzw. die Blockchain eine Chance hat, die Branche zu verändern. Man schaue sich einige Finanzinstrumente an, die zumindest theoretisch immer noch physisch abgewickelt werden. Theoretisch gibt es immer noch irgendwo ein Stück Papier, das von jemandem genutzt wird, der dafür bezahlt wird, es zu nutzen. Wer aber schickt heute noch einen Brief? Niemand. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass wir alle Briefe geschrieben haben.
RK: Zurück zur Kryptowährung: Hat sie eine Zukunft?
NM: Kryptowährung wird als eine Anlageklasse gesehen und jeder schaut auf den Preis, der hoch und runter geht. Aber wenn wir morgen sagen würden: Deutschland wird jetzt den gesamten Hypothekenmarkt auf Blockchain-Technologie umstellen, das wäre wirklich zukunftsweisend und dann müssen wir sehen, ob die Technologie wirklich so funktioniert, wie die Leute denken, dass sie es tut.
Beim dezentralen Finanzwesen denken einige Leute, dass es großartig ist. Andere Leute denken das Gegenteil. Wir haben über die technologischen Aspekte gesprochen, aber natürlich hat das auch enorme politische und gesellschaftliche Implikationen, wenn man niemanden hat, der alles kontrolliert.
RK: Kürzlich haben Sie den SERIX-Indikator vorgestellt. Welche Aufgabe soll er erfüllen?
NM: Er zeigt für eine Anlageklasse an, wohin die Nachfrage beim Handel gegangen ist. Er ist ein europaweites Kunden-Sentiment, das uns darüber informiert, ob Investoren auf einen steigenden oder fallenden Markt spekuliert haben. Wir verwenden den SERIX, um zu vergleichen, wie sich die Kundenstimmung (etwa in Bezug auf Direktionalität oder Stärke der Stimmung) im Laufe der Zeit auf monatlicher Basis, aber auch zu einem bestimmten Ereignis, verändert hat. Es ist somit ein Indikator dafür, wo die Nachfrage nach Long-Positionen und wo die Nachfrage nach Short-Positionen liegt und fasst die Summe all dieser Positionen zusammen. Privatkunden haben damit einen realen Indikator dafür, wie andere Leute dieses Produkt handeln. Wie der Name sagt, ist es nur ein Indikator, aber die Leute möchten gerne sehen, was alle anderen fühlen, wenn sie etwas tun. Manche Leute denken: Ich bin schlauer als alle anderen. Und manche Menschen haben das Bedürfnis, sich sehr sicher zu fühlen, wenn sie in einer Menschenmenge, mit der sie konform gehen können.
RK: Herr Maan, vielen Dank für das Gespräch
NM: Ich danke Ihnen.
Über Nicky Maan:
Nicky Maan studierte Rechtswissenschaften am University College (UCL) und der BPP Law School in London. Nach beruflichen Stationen bei den Kanzleien Dewey & LeBoeuf und bei Greenberg Traurig in Großbritannien und den USA begann er 2014 als leitender Rechtsberater bei der britischen IG Gruppe in London. 2017 wurde er zum CEO der durch IG in Frankfurt neu gegründeten digitalen Handelsplattform Spectrum Markets ernannt, die er seitdem leitet.
Über Spectrum Markets:
Spectrum Markets ist der Handelsname der Spectrum MTF Operator GmbH. Sie hat ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main und ist ein paneuropäischer Handelsplatz für verbriefte Derivate, der sich an Finanzinstitutionen und deren Privatanleger richtet.
Die von der BaFin regulierte und MiFID II-konforme Plattform nutzt ein einzigartiges, offenes System, durch das Anleger mit grosser Auswahl, Kontrolle und Stabilität handeln können. Durch seine europaweit gültige ISIN, den 24⁄5 Handel und seine proprietäre Plattform garantiert Spectrum die Mindestliquidität seiner Produkte und ist in der Lage, schnell und sicher eine beträchtliche Anzahl von Orders auszuführen und mehrere Quotes pro Sekunde zu verarbeiten.