Die Anteilseigner der in Deutschland börsennotierten Aktiengesellschaften erhalten 2023 insgesamt knapp 75 Mrd. Euro an Dividenden. Die erst im Vorjahr aufgestellte Bestmarke wird damit abermals um 9% übertroffen – und das, obwohl dem deutschen Aktienmarkt durch das Frankfurt-Delisting von Linde 2,5 Mrd. Euro Ausschüttungsvolumen entgehen. Das ist das Ergebnis der „Dividendenstudie Deutschland“, die nun in 13. Auflage vom isf Institute for Strategic Finance der FOM Hochschule in Kooperation mit der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) vorgelegt wurde und die Dividendenpolitik von insgesamt 644 Unternehmen aus allen Marktsegmenten analysiert.
„In Summe erneut ein sehr zufriedenstellendes Jahr“, resümiert Studienautor Christian W. Röhl, Investor und Fachbeiratsvorsitzender am isf – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass lediglich vier Unternehmen über ein Drittel der Ausschüttungssumme repräsentieren: Die drei Autohersteller Mercedes-Benz, BMW und Volkswagen überweisen ihren Anteilseignern insgesamt 15,5 Mrd. Euro; die wegen des geringen Streubesitz-Anteils in keinem Index enthaltene Reederei Hapag-Lloyd ist mit 11,1 Mrd. Euro erneut größter Einzelzahler. „Hapag-Lloyd hat von den zwischenzeitlich stark gestiegenen Frachtraten profitiert“, erklärt Röhl. „Diese sind aber inzwischen deutlich zurückgekommen, sodass die Ausschüttung im kommenden Jahr deutlich niedriger ausfallen dürfte.“
Besonders gut ist das Dividenden-Sentiment 2023 im DAX: 27 der 40 im Frankfurter Leitindex enthaltenen Unternehmen zahlen mehr als im Vorjahr, wobei 21 Gesellschaften neue Bestmarken erreichen. „Auf jeden Fall ein optimistisches Signal der Großkonzerne in einem von steigenden Input-Kosten und geopolitischen Unsicherheiten gekennzeichneten Umfeld“, führt isf-Direktor und FOM Dekan Prof. Eric Frère aus. „Allerdings sind die Ausschüttungsquoten leicht gesunken. Im Schnitt werden nur 40% der Gewinne an die Aktionäre ausgekehrt – und das ist auch sinnvoll angesichts der Zinssituation und der konjunkturellen Unwägbarkeiten.“
Bei kleineren und mittleren Firmen sind hingegen Bremsspuren erkennbar. Im MDAX und SDAX ist die Dividendensumme leicht rückläufig: „Auch in der zweiten und dritten Börsen-Liga gibt es Highlights wie die kräftigen Anhebungen bei K+S (+400%), Hochtief (+109%) und Wacker Chemie (+50%) oder der rund 50%-ige Bonus von Sixt“, erläutert Christian W. Röhl. Parallel wird allerdings bei jedem fünften MDAX- und SDAX-Mitglied die Ausschüttung gekürzt oder gestrichen, vor allem in der Immobilien-Branche. „Im Vorjahr hatten die neun in den Auswahl-Indices enthaltenen Immobilien-Unternehmen noch 2,3 Mrd. Euro ausgeschüttet. Bedingt durch den Zinsanstieg und die fallenden Bewertungen ist die Dividendensumme des Sektors nun auf 800 Mio. Euro gefallen“, fasst Prof. Frère zusammen.
Enttäuschungen gab es jedoch auch in anderen Segmenten. Nachdem Fresenius und Fresenius Medical Care nach zuvor über 25 Anhebungen in Folge ihre Ausschüttung nur konstant halten bzw. sogar senken, gibt es in den Auswahl-Indices nur noch neun Unternehmen mit einer Serie von mindestens zehn Erhöhungen – angeführt von Fuchs Petrolub (21) und Stratec (20). „Von Dividendenkontinuität nach angelsächsischem Vorbild sind wir in Deutschland weit entfernt, was natürlich auch daran liegt, dass zyklische Geschäftsmodelle hierzulande am Kapitalmarkt ein Übergewicht haben“, erklärt Prof. Frère und stellt abschließend fest: „Ein langer Track Record stabiler oder kontinuierlich steigender Ausschüttungen ist oft ein valider Hinweis auf die Resilienz von Geschäftsmodellen – aber eben keine Dividenden-Garantie“.