Von Ralf Keuper

Zehn Jah­re nach der Finanz­kri­se, deren Fol­gen wir nach Ansicht vie­ler Öko­no­men noch lan­ge nicht über­wun­den und die dazu geführt haben, dass einst­mals stol­ze Bank­häu­ser, wie die Deut­sche Bank, an Repu­ta­ti­on und Ertrags­kraft dra­ma­tisch ver­lo­ren haben, lässt der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Ban­ken­ver­ban­des, Andre­as Kraut­scheid, in einem Inter­view ver­lau­ten, dass das Schlimms­te hin­ter uns liegt, wenn­gleich man wach­sam blei­ben müs­se; nun kön­ne es end­lich wie­der um das eigent­li­che Geschäft, den Dienst am Kun­den gehen.

Da sind ande­re, wie der Chef­volks­wirt der Deut­schen Bank, David Fol­kerts-Land­au, sowie der ehe­ma­li­ge Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ter Wolf­gang Schäub­le in einer Film­do­ku­men­ta­ti­on des ZDF nicht so zuver­sicht­lich. Fol­kerts-Land­au sagt dar­in, ihn wür­de es wun­dern, soll­te in den nächs­ten drei bis fünf Jah­ren kei­ne wei­te­re schwe­re Finanz­kri­se aus­bre­chen. Schäub­le hat sei­ne Kri­tik in einem Inter­view mit dem Han­dels­blatt bekräf­tigt. Auch der Vor­stands­vor­sit­zen­de von Finan­ce Watch, Rai­ner Lenz, sieht die euro­päi­schen Ban­ken, wie er in einem Inter­view mit Bank­stil sag­te, noch lan­ge nicht über dem Berg. Zwar sei­en im Bereich der Regu­lie­rung z.T. gro­ße Fort­schrit­te erzielt wor­den, für Ent­war­nung gebe es aller­dings kei­nen Anlass:

Doch auf die Fra­ge, ob die­se Maß­nah­men aus­rei­chen bzw. ob, durch die­se Maß­nah­men, dass Finanz­sys­tem deut­lich siche­rer gewor­den ist, so dass sich eine Finanz­kri­se wie 2008 nicht wie­der­ho­len kann, wür­de ich klar mit „Nein“ antworten.

Das Eigen­ka­pi­tal der Ban­ken ist mit 3–5% des Gesamt­ka­pi­tals als Risi­ko­puf­fer für spe­ku­la­ti­ve Anla­gen auf der Aktiv­sei­te noch immer viel zu gering. Kein Unter­neh­men aus der Real­wirt­schaft wür­de einer Bank mit solch gerin­gen EK einen groß­zü­gi­gen Lie­fe­ran­ten­kre­dit gewäh­ren. Zusätz­lich wei­sen die Bilan­zen süd­eu­ro­päi­scher Ban­ken (Ita­li­en, Grie­chen­land, Por­tu­gal) einen hohen Bestand an „fau­len“ Kre­di­ten (ins­ge­samt um die 1 Bil­li­on €) auf. Zusätz­lich ist die Ertrags­la­ge der meis­ten Ban­ken schlecht, da sie in der Mehr­zahl noch immer von der Zins­mar­ge leben. … Last but not least droht den Ban­ken womög­lich eine Wel­le von Zah­lungs­aus­fäl­len im Kre­dit­be­reich, wenn sich die Zins­po­li­tik der EZB ändert. Die EZB-Poli­tik des bil­li­gen Gel­des hat zu einer untrag­bar hohen Ver­schul­dung der pri­va­ten Haus­hal­te und der Staa­ten in Süd­eu­ro­pa geführt. Wenn die Zin­sen stei­gen und die EZB anfängt, wie­der Geld ein­zu­sam­meln anstatt zu dru­cken, ist mit einer Wel­le an pri­va­ten Insol­ven­zen und ein Wie­der­auf­le­ben der euro­päi­schen Staats­schul­den­kri­se zu rechnen.

Die Tat­sa­che, dass der gemein­sa­me Online-Bezahl­dienst der deut­schen Ban­ken, pay­di­rekt, trotz hoher Inves­ti­tio­nen und Mar­ke­ting­auf­wen­dun­gen gegen Pay­pal kaum Boden gut macht, scheint nicht so wich­tig, da sich die Sache mit den Instant Pay­ments ohne­hin indi­rekt erle­di­gen wer­de. Die größ­ten Kon­kur­ren­ten von Pay­pal sind übri­gens nicht die deut­schen Ban­ken, son­dern Ama­zon oder Otto. Das E‑Com­mer­ce-Geschäft in Deutsch­land wird bereits von Ama­zon domi­niert (Vgl. dazu: Ama­zon: Jeder zwei­te E‑Com­mer­ce-Dol­lar fließt in die Kas­sen von Jeff Bezos).

Was die For­de­rung betrifft, Deutsch­land benö­ti­ge gro­ße Ban­ken, sind eben­falls Zwei­fel ange­bracht (Vgl. dazu: Deutsch­land braucht kei­nen Ban­ken-Cham­pi­on). Die deut­sche Volks­wirt­schaft hat in den letz­ten Jah­ren pro­spe­riert, wäh­rend die Deut­sche Bank und Com­merz­bank über­wie­gend mit sich selbst beschäf­tigt waren und auch noch sind.

In der Platt­form­öko­no­mie sei die Fra­ge ent­schei­dend, wie man sei­ne Kun­den erreicht – rich­tig. Nur – wer besetzt denn die Kun­den­schnitt­stel­le mit sei­ner Soft­ware (iOS. Android), Hard­ware (Smart­phone, Tablet PC) und sozia­len Netz­wer­ken (WeChat, face­book, Ali­pay) – die Ban­ken etwa? Die Ban­ken sind auf Ama­zon, Goog­le und Apple ange­wie­sen, wenn sie über­haupt noch an der Benut­zer­ober­flä­che erschei­nen wol­len. Stich­wort: Digi­ta­le Sou­ve­rä­ni­tät.

Der deut­sche Ban­ken­markt sei zu kom­plex, die Ein­tritts­hür­den für neue Anbie­ter so hoch, dass sie auf Dau­er die Koope­ra­ti­on mit den Ban­ken suchen wer­den. Mit Blick auf Pay­pal – Pay­di­rekt und den ande­ren Akti­vi­tä­ten wie Goog­le Pay und Apple Pay erscheint etwas Demut durch­aus ange­bracht. Es geht Ama­zon, Apple & Co nicht dar­um, eine Bank zu wer­den – war­um auch? Ziel ist, so viel Geschäft an den Ban­ken auf die eige­nen Platt­for­men umzu­lei­ten und über Mobi­le und online Pay­ments die Emp­feh­lungs­macht wei­ter auszubauen.

Die deut­schen Ban­ken haben kei­ne Angst vor Goog­le & Co. – Ok. Aber der umge­kehr­te Fall dürf­te eben­so gelten 😉

Rich­tig ist, dass die Ban­ken in Fra­gen der Daten­si­cher­heit und des Daten­schut­zes über ein wich­ti­ges Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­mal gegen­über Goog­le & Co. ver­fü­gen. Aller­dings haben sie es bis­lang nicht ver­mocht, dar­aus ein Geschäfts­mo­dell zu machen. Glei­ches gilt im Bereich Digi­ta­le Iden­ti­tä­ten. Hier haben die deut­schen Ban­ken die Chan­cen unge­nutzt gelas­sen, die sich ihnen mit Pay­di­rekt even­tu­ell gebo­ten hät­ten. Ein gemein­sa­mer Stan­dard hät­te ein Boll­werk gegen Goog­le, face­book und Ama­zon sein kön­nen (Vgl. dazu: Tech­no­lo­gie- und Indus­trie­stan­dards beschleu­ni­gen die “Ban­ken­däm­me­rung” #1). Hin­zu kommt, dass die Ban­ken nicht mehr über den größ­ten Infor­ma­ti­ons­stand in der Wirt­schaft ver­fü­gen – ihr Infor­ma­ti­ons­mo­no­pol ist dahin. Ban­king wird Teil eines neu­en Sys­tem­zu­sam­men­hangs, bzw. Teil digi­ta­ler Öko­sys­te­me und Inte­grier­ter Tech­no­lo­gie­kon­zer­ne.

Ziel der Ban­ken soll­te es sein, dem mit sozia­len Inno­va­tio­nen ent­ge­gen zu tre­ten und den direk­ten Bezug zu den Men­schen, Unter­neh­men und der jewei­li­gen Regi­on in den Vor­der­grund zu stellen.

Wie sag­te Alfred Herr­hau­sen doch:

Wir leben in einer Markt­wirt­schaft. Und wir soll­ten das Wort von Lud­wig Erhard nicht ver­ges­sen, dass eine Markt­wirt­schaft eine Ver­an­stal­tung für Ver­brau­cher ist, und nicht für Pro­du­zen­ten, und schon gar nicht für Banken.

Wei­te­re Informationen:

Zehn Jah­re Finanz­kri­se: Nichts dazugelernt

Ein Sys­tem für die Élite