Prof. Dr. Rai­ner Lenz

Das Geschäfts­mo­dell der Ban­ken steht der­zeit von meh­re­ren Sei­ten unter Druck. Zum einen drin­gen die gro­ßen digi­ta­len Platt­for­men, wie Goog­le oder Ama­zon, und Fin­tech-Start­ups immer tie­fer in das Ban­king vor, wäh­rend zum ande­ren neue Tech­no­lo­gien, wie die Block­chain, die Ban­ken in ihrer Funk­ti­on als Inter­me­diä­re über­flüs­sig machen könn­te. In den Bilan­zen schlum­mern nach wie vor beträcht­li­che Risi­ken, die den drin­gend benö­tig­ten Hand­lungs­spiel­raum ein­gren­zen. Das seit der Finanz­kri­se arg lädier­te Ver­trau­en in die Ban­ken erhöht den Druck. Wenn dann noch Mel­dun­gen über Bonus­zah­lun­gen Schlag­zei­len machen, bei denen sich für Außen­ste­hen­de die Berech­ti­gung nicht wirk­lich erschließt, kann das zu einer (wei­te­ren) Ent­frem­dung füh­ren. Die­se wird noch dadurch ver­stärkt, wenn Gebüh­ren erhöht wer­den, ohne dass die­sen aus Sicht der Kun­den ein ech­ter Mehr­wert gegen­über­steht. Wel­che Alter­na­ti­ven ver­blei­ben den Ban­ken noch, um ihre Legi­ti­ma­ti­on als ver­trau­ens­wür­di­ge und unver­zicht­ba­re Insti­tu­ti­on in Wirt­schaft und Gesell­schaft zu sichern? Reicht die Zeit noch aus? Wel­chen Bei­trag kann die Regu­lie­rung leis­ten? Auf die­se und wei­te­re Fra­gen ant­wor­tet Prof. Dr. Rai­ner Lenz (Foto), der an der FH Bie­le­feld Betriebs­wirt­schaft lehrt und über­dies Vor­stands­vor­sit­zen­der von Finan­ce Watch ist, im Gespräch mit Bank­stil. 

Herr Prof. Dr. Lenz, Sie sind u.a. Vor­stands­vor­sit­zen­der der Nicht-Regie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on Finan­ce Watch. Was ist deren Auf­trag und Motivation?

Finan­ce Watch ist im über­tra­ge­nen Sin­ne ein Kind der Finanz­kri­se. Denn 2008 in der Kri­se such­te eine Grup­pe von EU-Par­la­men­ta­ri­ern hän­de­rin­gend nach Finanz­ex­per­ten, wel­che sie unab­hän­gig vom Ban­ken­sek­tor in den not­wen­di­gen Refor­men zur der Finanz­ge­setz­ge­bung bera­ten. Klar, es ist nicht beson­ders sinn­voll, sich hier­bei von Ban­kern bera­ten zu las­sen, wel­che Teil des Pro­blems sind. Hier erkann­ten die EU-Par­la­men­ta­ri­er den Wert einer sowohl bank- als auch par­tei­po­li­tisch unab­hän­gi­gen Bera­tung von Finanz­ex­per­ten und grün­de­ten die NGO „Finan­ce Watch“. Getreu unse­rer Mis­si­on „Making finan­ce ser­ve socie­ty“ bera­ten wir seit 2010 die EU-Kom­mis­si­on, das EU Par­la­ment und auch euro­päi­sche Behör­den der Finanz­auf­sicht in Sachen Finanz­ge­setz­ge­bung und unter­stüt­zen unse­re zahl­rei­chen euro­päi­schen Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen in ihrer Lob­by­ar­beit im Bereich Finanzen. 

Die Regu­lie­rung eines Indus­trie­sek­tors durch den Gesetz­ge­ber ist als sozia­ler Ver­trag zu betrach­ten, wel­cher Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen ver­schie­de­ner gesell­schaft­li­cher Grup­pen aus­ta­riert. Inso­fern ist für eine aus­ge­wo­ge­ne „gute“ Regu­lie­rung ein Check-and-Balan­ce Gleich­ge­wicht zwi­schen der Indus­trie­lob­by und ande­ren gesell­schaft­li­chen Lob­by­grup­pen unab­ding­bar. Im Finanz­be­reich ist dies jedoch recht schwie­rig, da in die­sem Feld – außer den Kon­su­men­ten­ver­bän­den – kaum NGOs oder ande­re zivil­ge­sell­schaft­li­che Kräf­te aktiv sind. Folg­lich kommt Finan­ce Watch hier eine wich­ti­ge gesell­schaft­li­che Funk­ti­on zu. 

Seit der letz­ten Finanz­kri­se sind eini­ge neue regu­la­to­ri­sche Bestim­mun­gen erlas­sen wor­den, um das inter­na­tio­na­le Finanz­sys­tem sta­bi­ler zu machen. Haben sich die Erwar­tun­gen erfüllt – rei­chen die Maß­nah­men aus?

Also Untä­tig­keit in Sachen Finanz­ge­setz­ge­bung kann man weder der EU (Kom­mis­si­on und Par­la­ment) noch den natio­na­len Regie­run­gen vor­wer­fen. Seit 2008 gab es eine Viel­zahl von Geset­zes­än­de­run­gen in der Finanz­markt­re­gu­lie­rung. Die EU-Kom­mis­si­on hat kürz­lich eine kom­plet­te Lis­te der Akti­vi­tä­ten ver­öf­fent­lich (sie­he Refor­men). Dies ist schon beeindruckend. 

Doch auf die Fra­ge, ob die­se Maß­nah­men aus­rei­chen bzw. ob, durch die­se Maß­nah­men, dass Finanz­sys­tem deut­lich siche­rer gewor­den ist, so dass sich eine Finanz­kri­se wie 2008 nicht wie­der­ho­len kann, wür­de ich klar mit „Nein“ antworten. 

Das Eigen­ka­pi­tal der Ban­ken ist mit 3–5% des Gesamt­ka­pi­tals als Risi­ko­puf­fer für spe­ku­la­ti­ve Anla­gen auf der Aktiv­sei­te noch immer viel zu gering. Kein Unter­neh­men aus der Real­wirt­schaft wür­de einer Bank mit solch gerin­gen EK einen groß­zü­gi­gen Lie­fe­ran­ten­kre­dit gewäh­ren. Zusätz­lich wei­sen die Bilan­zen süd­eu­ro­päi­scher Ban­ken (Ita­li­en, Grie­chen­land, Por­tu­gal) einen hohen Bestand an „fau­len“ Kre­di­ten (ins­ge­samt um die 1 Bil­li­on €) auf. Zusätz­lich ist die Ertrags­la­ge der meis­ten Ban­ken schlecht, da sie in der Mehr­zahl noch immer von der Zins­mar­ge leben. Doch die­se ist dank Null­zins­po­li­tik der EZB und schwa­cher Kre­dit­nach­fra­ge der Unter­neh­men extrem nied­rig. Mit der Ertrags­schwä­che fehlt den Ban­ken zugleich, das not­wen­di­ge Kapi­tal für die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on hin zu einem platt­form­ba­sier­ten Geschäfts­mo­dell, wel­ches auf Trans­ak­ti­ons­ge­büh­ren beruht und damit zins­ni­veau-unab­hän­gi­ge Ein­nah­men ermög­licht. Dies ist jedoch ist genau das Geschäfts­mo­dell der neu­en digi­ta­len Wett­be­wer­ber, den Fin­Tech-Unter­neh­men: Web-basier­te Finanz­platt­for­men, die alle Schnitt­stel­len zu ihren Nut­zern digi­ta­li­siert und auto­ma­ti­siert haben. Deren Geschäfts­mo­dell ist ska­lier­bar, jenes der Geschäfts­ban­ken nicht. Im But­ter-Brot-Geschäft, dem Zah­lungs­ver­kehr haben die Ban­ken bereits den Wett­be­werb mehr oder weni­ger ver­lo­ren. Hier domi­nie­ren nun­mehr die Nicht-Bank-Unternehmen. 

Last but not least droht den Ban­ken womög­lich eine Wel­le von Zah­lungs­aus­fäl­len im Kre­dit­be­reich, wenn sich die Zins­po­li­tik der EZB ändert. Die EZB-Poli­tik des bil­li­gen Gel­des hat zu einer untrag­bar hohen Ver­schul­dung der pri­va­ten Haus­hal­te und der Staa­ten in Süd­eu­ro­pa geführt. Wenn die Zin­sen stei­gen und die EZB anfängt, wie­der Geld ein­zu­sam­meln anstatt zu dru­cken, ist mit einer Wel­le an pri­va­ten Insol­ven­zen und ein Wie­der­auf­le­ben der euro­päi­schen Staats­schul­den­kri­se zu rechnen. 

Also – vie­le, vie­le Refor­men in der Finanz­re­gu­lie­rung, aber lei­der kei­ne Maß­nah­men, die die grund­le­gen­den struk­tu­rel­len Defi­zi­te des Finanz­sys­tems beheben. 

Kri­ti­ker bemän­geln, dass die Finanz­in­dus­trie sich in den letz­ten Jahren/​Jahrzehnten ver­selb­stän­digt und ihre die­nen­de Funk­ti­on zu sehr ver­nach­läs­sigt habe – Wie sehen Sie das?

Dies ist doch die zen­tra­le Fra­ge, die sich – im Übri­gen auch ganz im Sin­ne des Design-Thin­kings – stellt. Was soll eine „Finan­zie­rung“ oder die Finanz­wirt­schaft als Anbie­ter denn eigent­lich – gesamt­wirt­schaft­lich betrach­tet – leis­ten? Pri­mär soll die Finan­zie­rung das not­wen­di­ge Kapi­tal für real­wirt­schaft­li­che Inves­ti­tio­nen in Maschi­nen, Pro­duk­ti­on und Arbeits­plät­ze bereit­stel­len. Oder volks­wirt­schaft­lich aus­ge­drückt, der Finanz­markt soll zu einer opti­ma­len Kapi­tal­al­lo­ka­ti­on in der Real­wirt­schaft füh­ren. Folg­lich hat Finan­zie­rung kei­nen Selbst­zweck, son­dern sie ist Schmier­mit­tel für die Real­wirt­schaft und erlangt ihren gesell­schaft­li­chen Nut­zen erst durch den Finan­zie­rungs­be­darf real­wirt­schaft­li­chen Transaktionen. 

Doch betrach­tet man die Bank­bi­lanz, so erkennt man leicht, dass der Anteil der Aus­lei­hun­gen an die Real­wirt­schaft nur einen gerin­gen Bruch­teil des Gesamt­be­stands an Akti­va aus­macht. Viel­mehr lei­hen sich die Ban­ken rege unter­ein­an­der Geld und ver­wen­den die Kre­di­te zum Erwerb spe­ku­la­ti­ver Wert­pa­pie­re und Deri­va­te. Das Pri­vi­leg der Giral­geld­schöp­fung, d.h. der Kre­dit­ver­ga­be unab­hän­gig vom Volu­men der Ein­la­gen, ermög­lich­te den Ban­ken in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten ein von der Real­wirt­schaft voll­kom­men abge­kop­pel­tes Wachs­tum, wel­ches ein Viel­fa­ches der natio­na­len Wirt­schafts­leis­tung betrug. Die schie­re Grö­ße der Geschäfts­ban­ken führt dabei nicht nur zum „too-big-to-fail“ Pro­blem, son­dern auch deren wech­sel­sei­ti­ge Ver­flech­tung im Kre­dit­ge­schäft birgt ein erheb­li­ches Systemrisiko.

Die unge­brems­te Geld­schöp­fung, vor der Finanz­kri­se von den Geschäfts­ban­ken, nun­mehr von der EZB, treibt die Akti­en- und Anlei­he­kur­se an den Wert­pa­pier­märk­ten und auch die Immo­bi­li­en­prei­se auf immer neue Höhen und führt zum unkon­trol­lier­ten Preis­an­stieg von Ver­mö­gens­wer­ten. Mit der wach­sen­den Diver­genz zwi­schen Nomi­nal- und Real­wirt­schaft ver­lie­ren die Ver­mö­gens­prei­se ihre für eine effi­zi­en­te Allo­ka­ti­on von Kapi­tal außer­or­dent­lich wich­ti­ge Signal- und Len­kungs­funk­ti­on. Geld fließt in Inves­ti­tio­nen, die kei­ne Anbin­dung an die Real­wirt­schaft haben und sich inso­fern lang­fris­tig als nicht wert­hal­tig erweisen.

Mit der Abkopp­lung von Real­wirt­schaft und sei­ne Grö­ße, Ver­flech­tung und Domi­nanz ist der Finanz­sek­tor zu einem hohen Risi­ko- und Belas­tungs­fak­tor für die Gesell­schaft geworden. 

Noch immer wird, wie bei der Deut­schen Bank, argu­men­tiert, um die bes­ten Invest­men­ban­ker hal­ten zu kön­nen, sei­en Bonus­zah­lun­gen – trotz bes­ten­falls mar­gi­na­ler Erfol­ge  - unaus­weich­lich. Was müss­te sich bei den Anreiz­sys­te­men und an der Unter­neh­mens­kul­tur der (Invest­ment-) Ban­ken ändern?

Ja, die Deut­sche Bank ein Mus­ter­bei­spiel: Mil­li­ar­den­straf­zah­lun­gen, hohe Bonus­zah­lun­gen an Invest­ment­ban­ker trotz roter Zah­len der Gesamt­bank und kei­ne Divi­den­den­zah­lun­gen an Aktio­nä­re. Das Geschäfts­mo­dell der ver­gan­ge­nen Jah­re beruh­te auf dem Erfolg des Invest­ment­ban­kings. Damit ver­bin­det sich natür­lich auch eine Unter­neh­mens­kul­tur und ein Anreiz­sys­tem, wel­ches sich nur an dem kurz­fris­ti­gen Erfolg ori­en­tiert und nicht nach­hal­tig aus­ge­rich­tet ist. Aber dies zu ändern, ist im gege­be­nen Finanz­sys­tem extrem schwie­rig. Hier­für muss sich sowohl die Kul­tur des Unter­neh­mens – vor allem die Art und Wei­se wie man Erfolg defi­niert – als auch das Selbst­ver­ständ­nis aller Stake­hol­der des Unter­neh­mens grund­le­gend ändern: Ban­ken­auf­sicht, Aktio­nä­re, Auf­sichts­rat und Management. 

Vie­le hal­ten digi­ta­le Wäh­run­gen sowie die Block­chain-Tech­no­lo­gie für geeig­ne­te Mit­tel, um die Fehl­ent­wick­lun­gen im Ban­king der letz­ten Jahr­zehn­te zu kor­ri­gie­ren. Sind die­se Erwar­tun­gen gerechtfertigt?

Die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on wird vie­le Orga­ni­sa­ti­ons­for­men für wirt­schaft­li­che Trans­ak­tio­nen zwi­schen Indi­vi­du­en grund­le­gend ver­än­dern. Die Fort­schrit­te in der IT ermög­li­chen den direk­ten Aus­tausch von Gütern und Daten in dezen­tral orga­ni­sier­ten Peer-to-Peer Netz­wer­ken ohne Inter­me­di­är. Der Block­chain-Tech­no­lo­gie kommt dabei die Bedeu­tung einer Schlüs­sel­tech­no­lo­gie zu, da sie als dezen­tra­le und ver­teil­te Daten­bank­an­wen­dung völ­lig neue For­men der wirt­schaft­li­chen Zusam­men­ar­beit zwi­schen Unter­neh­men ermöglicht. 

Klar auch die Ban­ken wer­den bei kom­ple­xen Pro­zes­sen mit vie­len Daten­schnitt­stel­len mit vie­len Akteu­ren die Block­chain ein­set­zen. Bei­spiels­wei­se tes­tet eine Grup­pe von Finanz­un­ter­neh­men (R3-Kon­sor­ti­um) die Anwen­dung der Block­chain für die Abwick­lung des Wert­pa­pier­han­dels („Corda“- basie­rend auf der Hyper­led­ger Platt­form von Linux). Oder die Deut­sche Bör­se hat gera­de ange­kün­digt den Aus­tausch der Wert­pa­pie­re im Repo­han­del (Wert­pa­pier­pen­si­ons­ge­schäf­te) via Block­chain zu orga­ni­sie­ren. Doch wenn das eigent­li­che Geschäfts­mo­dell „Bank“ in Gefahr ist, wird auch die effi­zi­en­te­re Abwick­lung von Pro­zes­sen via Block­chain nicht viel hel­fen kön­nen.   

Cryp­to­wäh­run­gen basie­rend auf der Block­chain benö­ti­gen kei­ne zen­tra­le Instanz wie eine Bank, die die Kon­ten der Netz­werk­teil­neh­mer führt. Die Kon­to­füh­rung erfolgt über dezen­tra­le Mecha­nis­men und die Infor­ma­tio­nen wer­den dezen­tral und ver­teilt in der Block­chain gespei­chert. Bei aller berech­tig­ter Kri­tik, so hat doch Bit­co­in über Jah­re gezeigt, dass eine sol­che dezen­tra­len Daten­bank­an­wen­dung für den Trans­fer von digi­ta­lem Geld funk­tio­niert und auch hin­rei­chend sicher ist. Für die Pro­ble­me, wie der Ener­gie­ver­brauch, die man­geln­de Ska­lier­bar­keit oder die unde­mo­kra­ti­schen Gover­nan­ce­re­geln wer­den sich Lösun­gen fin­den. Cryp­to­wäh­run­gen sind als dezen­tra­le Orga­ni­sa­ti­on des Zah­lungs­ver­kehrs das natür­li­che Pen­dant eines immer stär­ker Peer-to-Peer orga­ni­sier­ten Han­dels in der Real­wirt­schaft. Die Abwick­lung des Zah­lungs­ver­kehrs über Ban­ken­kon­ten ist zu schwer­fäl­lig und zu teuer. 

Um auf Ihre Fra­ge zurück­zu­kom­men: Den Wett­be­werb im Zah­lungs­ver­kehr haben die Ban­ken ohne­hin schon an die FinTechs wie Pay­pal ver­lo­ren. Die Cryp­to­wäh­run­gen wer­den die Sache beschleunigen. 

Das Geschäfts­mo­dell der Ban­ken steht u.a. durch die fort­schrei­ten­de Digi­ta­li­sie­rung unter Druck – neue Mit­be­wer­ber wie Fin­tech-Start­ups aber vor allem die gro­ßen Inter­net­kon­zer­ne drän­gen ver­stärkt in das Bank­ge­schäft. Kön­nen die Ban­ken dem über­haupt noch etwas entgegensetzen?

Ja, die Ban­ken müss­ten es schaf­fen, ihr Geschäfts­mo­dell kom­plett umzu­bau­en: Ihr der­zei­ti­ges Geschäfts­mo­dell basiert auf der Giral­geld­schöp­fung und dem Ver­die­nen der Zins­mar­ge. Dabei akku­mu­lie­ren sie erheb­li­che Risi­ken in ihrer Bilanz. Das Geschäfts­mo­dell ist nur wenig ska­lier­bar. Dem­ge­gen­über basiert das Geschäfts­mo­dell der Finanz­platt­for­men auf Trans­ak­ti­ons­ge­büh­ren und ist ska­lier­bar, da alle Schnitt­stel­len zu den Platt­form­nut­zern auto­ma­ti­siert sind. Platt­for­men selbst über­neh­men kei­ne Risi­ken, son­dern über­tra­gen die­se an die Nut­zer. Die Ban­ken haben nur sehr wenig Zeit ihr jet­zi­ges Geschäfts­mo­dell auf jenes eines Platt­form­be­trei­bers umzustellen. 

Vie­le Ban­ken vor allem die Spar­kas­sen reagie­ren auf Wett­be­werbs­druck von außen mit Kos­ten­sen­kun­gen durch Schlie­ßen von Filia­len oder Gebüh­ren­er­hö­hun­gen. So wird es nicht gelin­gen. Das Gold der Spar­kas­se sind ihre Kun­den, die in Treue und oft auch aus Alters­grün­den zu ihnen hal­ten. War­um eröff­net die Spar­kas­se kei­ne regio­na­le Finanz­platt­form für Peer-to-Peer Len­ding oder Crowd-Inves­t­ing und spielt damit ihr Regio­na­li­tät als Stär­ke aus? Die GLS-Bank als Genos­sen­schafts­bank zeigt mit ihrem Crowd­fun­ding-Ange­bot, dass es geht. Die Ban­ken wer­den sich mit inno­va­ti­ven Ange­bo­ten an den Kun­den schon rich­tig bewe­gen müs­sen, wenn sie über­le­ben wol­len. Um aus der Kri­se her­aus zu kom­men, muss man mit hohen Inves­ti­tio­nen in ein ver­än­der­tes Geschäfts­mo­dell hohe Risi­ken ein­ge­hen. Pro­gram­me zur Kos­ten­sen­kung ver­län­gern ledig­lich die Krise. 

Frü­her waren die Ban­ken in ihrer Rol­le als Finanz­in­ter­me­diä­re, als Beob­ach­tungs­in­stanz der Infor­ma­ti­ons- und Daten­flüs­se in der Wirt­schaft, ohne erns­te Kon­kur­renz. Heu­te ver­fü­gen Goog­le, Ama­zon & Co. über deut­lich mehr Infor­ma­tio­nen (Transaktions,-Bezahl- und Ver­hal­tens­da­ten). Wer­den die Ban­ken dadurch nicht über kurz oder lang obsolet?

Hier liegt das Pro­blem. Goog­le und Co. wis­sen bereits heu­te mit hoher Wahr­schein­lich­keit, was der Kun­den mor­gen kau­fen wird. Die Bank lei­der nicht, denn hier fehlt es ihnen zum einen an Daten und die vor­han­de­nen Daten­sät­ze wer­den nur unzu­rei­chend ana­ly­siert. Der Daten­han­del war nie das Geschäft der Ban­ken. Schwie­rig! Die dicken Mau­ern der Regu­lie­rung wer­den über kurz oder lang hier auch nicht hel­fen, son­dern ledig­lich den Pro­zess ver­zö­gern. Ich glau­be, hier hilft ledig­lich eine sehr offen­si­ve Stra­te­gie, die sich von bewusst von den GAFAs unter­schei­det und auf das Ver­trau­en des Kun­den setzt. Regio­na­li­tät, Filia­len, per­sön­li­che Bera­tung etc. 

Das Ratio­na­li­sie­rung­po­ten­zi­al ist im Ban­king noch lan­ge nicht aus­ge­schöpft. Droht den Ban­ken das­sel­be Schick­sal wie zuvor dem Berg­bau und der Stahlindustrie?

In weni­gen Jah­ren wer­de ich wohl mit mei­nem Enkel in Frank­furt vor dem Com­merz­bank-Tower ste­hen und ihm erklä­ren, was denn Ban­ken waren und war­um die­se so gro­ße Glas­pa­läs­te in der Innen­stadt gebaut haben. 

Hat das Rela­ti­onship-Ban­king in der Digi­tal­mo­der­ne eine Zukunft? 

Auch wenn das Geschäft mit Roboad­vi­ser boomt, das Finanz­wis­sen der Leu­te bleibt ver­schwin­dend gering. Finan­zen und Geld sind ein­fach für vie­le viel zu abs­trakt und man beschäf­tigt sich nicht ger­ne damit. Also der Bedarf an fai­rer und ehr­li­cher Bera­tung bleibt bestehen. Wahr­schein­lich wer­den unab­hän­gi­ge Finanz­be­ra­ter die­sen Bedarf, der immer aus einem Mix von digi­ta­len Anwen­dung und per­sön­li­cher Bera­tung bestehen wird, decken. 

Ban­ken haben beim Manage­ment von Netz­werk­or­ga­ni­sa­tio­nen und digi­ta­ler Platt­for­men kaum Erfah­rung – was könn­ten sie dage­gen tun?

Vie­le Ban­ken kau­fen der­zeit FinTechs auf oder koope­rie­ren eng mit ihnen. Bin mir nicht sicher, ob die­ser Ansatz aus­reicht. Denn es geht hier ja um viel­mehr. Die gesam­te Orga­ni­sa­ti­on des Unter­neh­mens muss auf ein neu­es Geschäfts­mo­dell „Platt­form­busi­ness“ umge­stellt wer­den. Digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on beginnt in den Köp­fen. Hier steht der Kun­de mit sei­nen Anfor­de­run­gen, der Nut­zen den das Pro­duk­tes für den Kun­den lie­fert, im Mit­tel­punkt. Das was neu­deutsch „Design-Thin­king“ genannt wird, erfor­dert eine ver­än­der­te Unter­neh­mens­kul­tur, fla­che Hier­ar­chie, ein inter­dis­zi­pli­nä­res Den­ken in Pro­zes­sen und nicht mehr in Fach­ab­tei­lun­gen. Dies genau der Unter­schied: Es geht hier nicht um die Digi­ta­li­sie­rung im Sin­ne des Ein­sat­zes neu­er Soft­ware oder web­ba­sier­ten Platt­form­lö­sun­gen, son­dern um die Über­tra­gung digi­ta­ler Netz­werk­struk­tu­ren auf die Orga­ni­sa­ti­on des Unternehmens. 

Hier gibt es zwei Ansät­ze: (1) Die Satel­li­ten­lö­sung; d.h. man eröff­net, getrennt von dem bis­he­ri­gen Unter­neh­men, even­tu­ell auch mit eige­nem Namen, eine digi­ta­le Platt­form als Satel­lit. Tes­tet den Markt mit inno­va­ti­ven Pro­duk­ten und bei Erfolg wer­den Res­sour­cen aus dem „alten“ Unter­neh­men suk­zes­si­ve in die neue Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur inte­griert. (2) Digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on von innen her­aus im Unter­neh­men. Es wer­den im Unter­neh­men par­al­le­le Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren mit neu­en Geschäfts­mo­del­len auf­ge­baut. Die hier­mit ver­bun­den hohen Inves­ti­ti­ons­kos­ten erfor­dern eine kla­re lang­fris­ti­ge Stra­te­gie des Unter­neh­mens­ma­nage­ments und die Unter­stüt­zung aller Stake­hol­der des Unter­neh­mens. Bei­de Ansät­ze haben ihre Vor- und Nachteile. 

Wie könn­te das Ban­king im Jahr 2030 aussehen?

Ban­ken in die­ser Form wird es nicht mehr geben. Die Bank wird zum Front­end einer dahin­ter­ste­hen­den Peer-to-Peer Netz­werk­struk­tur wer­den und den Kun­den insti­tu­tio­nen­un­ab­hän­gig bera­ten. Viel­leicht wer­den Sie es als Kun­de gar nicht mal mer­ken, dass Sie mit Ihrer Ein­la­ge soeben jemand ande­ren, direkt und ohne Mit­tels­mann, zur Finan­zie­rung ver­hol­fen haben. Die Bera­ter kön­nen Sie jeder­zeit online errei­chen, sie wer­den zu Ihnen nach Hau­se kom­men oder Sie kön­nen sie auch beim Ein­kauf im Super­markt antref­fen. Ban­king und Finan­zie­rung wird ganz ein­fach zu einer „Com­mo­di­ty“, ohne Anzug mit Nadel­strei­fen, Glas­pa­last und hohen Bonus­zah­lun­gen werden.