Dr. Ralf Kauther

Die Digi­ta­li­sie­rung, die durch eine zuneh­men­de Ver­net­zung von Men­schen und Gerä­ten und ein hohes Maß an Mobi­li­tät gekenn­zeich­net ist, erfasst mitt­ler­wei­le auch Pro­zes­se, die bis­lang unter die allei­ni­ge Hoheit der gro­ßen Ban­ken fie­len. Exem­pla­risch dafür ist der Markt für Emis­sio­nen. Die Funk­ti­on der Ban­ken kann durch neu­tra­le Markt­plät­ze, die Ange­bot und Nach­fra­ge direkt zusam­men­füh­ren, ersetzt bzw. ergänzt wer­den; wie bei der cre­dX AG. Im Gespräch mit Bank­stil erläu­tert Dr. Ralf Kau­ther (Foto), Vor­stand der cre­dX AG, was sein Unter­neh­men von den bis­lang am Markt ver­tre­te­nen Anbie­tern unter­schei­det, wes­halb die Zeit für neu­tra­le Platt­for­men im Markt für Emis­sio­nen reif ist und wel­che Rol­le der tech­no­lo­gi­sche Fort­schritt dabei spielt. 

  • Herr Dr. Kau­ther, was genau macht die cre­dX AG?

cre­dX betreibt einen elek­tro­ni­schen Markt­platz für Fremd­ka­pi­tal. Dort kön­nen sich Emit­ten­ten und Inves­to­ren prä­sen­tie­ren, Trans­ak­tio­nen anbah­nen, abschlie­ßen und abwi­ckeln. Das Gan­ze nach trans­pa­ren­ten und für alle ver­bind­li­chen Regeln. Die Markt­teil­neh­mer haben den Pro­zess jeder­zeit selbst in der Hand.

Bis heu­te lie­fen die­se Pro­zes­se tra­di­tio­nell über eine Bank. Die Markt­teil­neh­mer tau­schen sich nicht direkt aus. Das hat­te natür­lich gute Grün­de: His­to­risch waren Emis­sio­nen nur durch Ver­mitt­lung durch Ban­ken mög­lich. Und eine sol­che 1:n Kom­mu­ni­ka­ti­on war ja in den klei­nen Zeit­fens­tern, über die wir hier reden, gar nicht mög­lich, ohne einen sehr leis­tungs­fä­hi­gen Appa­rat. Die­se Rol­le erfül­len Ban­ken mit ihren DCM (Debt Capi­tal Mar­kets) Einheiten.

Der tech­no­lo­gi­sche Fort­schritt bringt es mit sich, dass man die­se Pro­zes­se heu­te in vie­len Fäl­len auch anders hand­ha­ben kann. Dar­an arbei­ten vie­le, und wir tun das auf eine ganz beson­de­re Wei­se, eben als neu­tra­ler Marktplatz.

Mit die­sem elek­tro­ni­schen Markt­platz agie­ren wir als Enabler für die Emit­ten­ten und Inves­to­ren, aber auch für Ban­ken und ande­re Markt­teil­neh­mer wie Deal und Invest­ment­ad­vi­sor: Alle kön­nen die neu­tra­le Platt­form nut­zen, von den effi­zi­en­ten Pro­zes­sen pro­fi­tie­ren und ihre Auf­ga­ben erledigen

Im Ein­zel­nen bie­ten wir an:

  • Iden­ti­fi­zie­rung und Legi­ti­mie­rung der Mitglieder 
  • Mit­glie­der­pro­fi­le
  • Nut­zer­ver­wal­tung mit dif­fe­ren­zier­tem Rech­te-Rol­len­kon­zept, so dass Mit­glie­der mit ihren Teams auf den Platt­for­men arbei­ten können
  • Mög­lich­keit, wei­te­re Infor­ma­tio­nen gezielt bereit­zu­stel­len, und zwar nach­voll­zieh­bar, auf Sicht auch verifiziert
  • Mar­ket Sounding
  • Die eigent­li­chen Trans­ak­tio­nen (Aus­schrei­bun­gen und Zeich­nun­gen, dafür gibt es defi­nier­te Pro­zes­se, dar­über hin­aus kön­nen die Teil­neh­mer auf der Platt­form trans­ak­ti­ons­be­zo­ge­ne Nach­rich­ten austauschen)
  • Steue­rung des Settlements
  • Revi­si­ons­si­che­re Doku­men­ta­ti­on des gan­zen Geschehens
  • Was hat Sie zur Grün­dung des Unter­neh­mens bewo­gen – wel­che beruf­li­chen Erfah­run­gen brin­gen Sie mit?

Genau genom­men bin ich kein Grün­der der cre­dX, son­dern ein Jahr nach Grün­dung hin­zu­ge­kom­men. Aller­dings war die cre­dX zu die­sem Zeit­punkt nicht wirk­lich aktiv.

Ich habe Erfah­run­gen sowohl im Kapi­tal­markt­ge­schäft (über M&A, Inves­tor Rela­ti­ons und Risi­ko­ma­nage­ment bei der Post­bank, habe dort auch Emis­sio­nen beglei­tet), mit der Regu­lie­rung als Finanz­vor­stand der BHW Bau­spar­kas­se und Chief risk offi­cer der Post­bank sowie als Dozent z.B. für die DVFA, mit Tech­no­lo­gie, Markt­da­ten, Betrieb und Ent­wick­lung von Soft­ware über mei­ne Zeit als Vor­stand der vwd group. Ich den­ke, ich fin­de mich fach­lich gut zurecht und habe natür­lich in den vie­len Jah­ren auch vie­le Men­schen ken­nen­ge­lernt, mit denen ich mich zu cre­dX aus­tau­schen kann und die sich wohl­wol­lend mit unse­rer Dienst­leis­tung auseinandersetzen.

  • Wie will cre­dX die Trans­pa­renz im Markt für Unter­neh­mens­an­lei­hen und Schuld­schei­ne erhö­hen – war­um braucht es dafür eine spe­zi­el­le Plattform? 

Wenn man sich die Ankün­di­gun­gen der ver­gan­ge­nen Wochen anschaut, dann ist es wohl Kon­sens, dass die Pro­zes­se rund um Emis­sio­nen digi­ta­li­siert wer­den. Die Fra­ge ist nun, soll­ten das die Ban­ken mit pro­prie­tä­ren Lösun­gen machen oder bil­den sich Platt­for­men her­aus, auf denen vie­le Ban­ken zusam­men­kom­men (Mul­ti-Arran­ger-Platt­for­men) oder ist eben ein neu­tra­ler, ganz offe­ner Ansatz der rich­ti­ge, auf dem Inves­to­ren und Emit­ten­ten direkt inter­agie­ren und ulti­ma­tiv den Pro­zess und die gesam­te Kom­mu­ni­ka­ti­on kon­trol­lie­ren. Das schließt ande­re Dienst­leis­ter wie Ban­ken nicht aus, aber sie wer­den dort eben für bestimm­te Leis­tun­gen wie die Emis­si­ons­be­ra­tung gebucht.

Aus unse­rer Sicht hat der neu­tra­le Ansatz wesent­li­che Vor­tei­le: 1. Inves­to­ren und Emit­ten­ten müs­sen sich nur ein­mal auf dem Markt­platz regis­trie­ren und kön­nen dann mit allen ande­ren sowie den ange­schlos­se­nen Dienst­leis­tern inter­agie­ren. 2. Da wir kei­ne ande­ren Dienst­leis­tun­gen anbie­ten, ste­hen wir nicht im Inter­es­sens­kon­flikt, so dass Kun­den und Part­ner nicht befürch­ten müs­sen, dass wir nicht in ihrem Inter­es­se han­deln. 3. Müs­sen wir kei­ne Rück­sich­ten auf vor­han­de­ne Pro­zes­se und Orga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten nehmen. 

  • Wel­che Unter­neh­men, wel­che Volu­mi­na pro Trans­ak­ti­on wol­len Sie anspre­chen – gibt es Über­le­gun­gen für die öffent­li­che Hand/​Kommunen?

Ja, wir spre­chen mit Bun­des­län­dern, sowie vie­len Kom­mu­nen und auch kom­mu­nal­na­hen Unter­neh­men. Das kom­mu­na­le Seg­ment ist gemes­sen am Kre­dit­vo­lu­men eher ein klei­nes Markt­seg­ment, aber vie­le Inves­to­ren sind dar­an inter­es­siert, und die Pro­zes­se sind gut stan­dar­di­sier­bar. Grund­sätz­lich wen­den wir uns an Kre­dit­neh­mer mit einem erheb­li­chen Finan­zie­rungs­be­darf und min­des­tens guter Boni­tät. Ein Rating ist nicht erfor­der­lich. Eine typi­sche Ein­zel­trans­ak­ti­on in der jet­zi­gen Markt­ein­tritts­pha­se hat ein zwei­stel­li­ges Mil­lio­nen-Volu­men und eine mitt­le­re bis lan­ge Laufzeit. 

  • Gibt es Berüh­rungs­punk­te zum Inhouse Ban­king der Unternehmen? 

Unter­neh­mens­ei­ge­ne Ban­ken kön­nen als Emit­ten­ten und auch als Inves­to­ren auf­tre­ten. Der­zeit spre­chen wir aber vor allem mit den unter­neh­mens­ei­ge­nen Pen­si­ons­kas­sen und den Tre­asu­ry­ab­tei­lun­gen, die ja auch Mit­tel anle­gen, wie sie cre­dX als Inves­to­ren nut­zen können.

  • Wie unter­schei­det sich das Ange­bot von cre­dX von ande­ren Start­ups in dem Umfeld?

Die meis­ten ande­ren Start­ups sind Mul­ti-Arran­ger Platt­for­men, die mit einer oder eini­gen Emis­si­ons­ban­ken zusam­men­ar­bei­ten [zB Ori­gin, eppf, vc trade]. Das macht den Start deut­lich ein­fa­cher, weil sol­che Ban­ken schnell Geschäft auf die Platt­form brin­gen kön­nen. Aber uns ist die Neu­tra­li­tät und Offen­heit wichtiger. 

Von den ande­ren neu­tra­len Markt­plät­zen in Deutsch­land unter­schei­den wir uns, weil wir sehr viel brei­ter auf­ge­stellt und regu­liert sind: Wir machen Anlei­hen, Schuld­schei­ne und Kre­di­te, vom DAX Unter­neh­men bis zur klei­nen Kom­mu­ne mit einem grö­ße­ren Inves­ti­ti­ons­vor­ha­ben. Daher sind wir auch BaFin regu­lier­ter Finanzdienstleister.

  • Das Know How im Markt für Emis­sio­nen ist der­zeit über­wie­gend bei den Ban­ken kon­zen­triert – wie kann cre­dX die­ses Wis­sen (impli­zi­tes Wis­sen, Pro­zess­wis­sen) auf sei­ne Platt­form holen? 

Gro­ße Emit­ten­ten wie DAX-Unter­neh­men und Bun­des­län­der sowie unab­hän­gi­ge Deal Advi­sor ken­nen sich mit Emis­sio­nen auch ganz aus­ge­zeich­net aus. Wenn wir mit sol­chen Markt­teil­neh­mern unse­re Pro­zes­se dis­ku­tie­ren, ist das sehr frucht­bar. Das­sel­be gilt für vie­le akti­ve Inves­to­ren, wie die gro­ßen Ver­si­che­rer. Schließ­lich ist es auch nicht so, dass wir nicht mit Ban­ken spre­chen wür­den. Für vie­le Ban­ken ist es durch­aus eine Opti­on, die Platt­form als Inves­tor oder Koope­ra­ti­ons­part­ner zu nutzen. 

  • Ange­nom­men, es gelingt cre­dX das mehr oder weni­ger exklu­si­ve Wis­sen der Ban­ken abzu­bil­den und die Infor­ma­ti­ons­asym­me­trie zwi­schen Ban­ken und Inves­to­ren abzu­bau­en – wel­che Mehr­wer­te müss­te die Platt­form auf Dau­er noch bie­ten, um sich erfolg­reich gegen Nach­ah­mer zu behaupten? 

Gene­rell ist es für Platt­for­men immer sehr wich­tig, Netz­werk­ef­fek­te zu rea­li­sie­ren. Dazu müs­sen vie­le Markt­teil­neh­mer ange­schlos­sen sein. Dann muss die Platt­form effi­zi­ent die Anfor­de­run­gen der Teil­neh­mer bedie­nen, es muss ein­fach rei­bungs­los und intui­tiv funk­tio­nie­ren. Schließ­lich ist es enorm wich­tig, dass eine Platt­form das Ver­trau­en ihrer Mit­glie­der und Koope­ra­ti­ons­part­ner gewinnt und behält. Eine star­ke Platt­form mit vie­len Mit­glie­dern hat eine erheb­li­che Markt­macht. Die Sen­si­bi­li­tät ist schon vor­han­den und wächst mit den jüngs­ten Skan­da­len enorm, dass eine Platt­form bewei­sen muss, dass sie die­ser Ver­ant­wor­tung gerecht wird.

  • Womit ver­dient cre­dX sein Geld? 

Wir neh­men eine lauf­zeit­ab­hän­gi­ge Pro­vi­si­on auf das ver­mit­tel­te Volu­men. Alles ande­re ist kostenfrei.

  • Wel­che Vor­tei­le zie­hen Sie aus ihrem Stu­di­um der Phi­lo­so­phie mit anschlie­ßen­der Pro­mo­ti­on sowie aus ihrer Lehr­tä­tig­keit im Bereich Wis­sen­schafts­theo­rie und Phä­no­me­no­lo­gie – wel­che neu­en Phä­no­me­ne las­sen sich im Ban­king beob­ach­ten, wel­che Ord­nungs­zu­sam­men­hän­ge zeich­nen sich ab und wo will sich cre­dX dort positionieren? 

Kon­kre­te Inhal­te oder auch Metho­den der Fach­wis­sen­schaft Phi­lo­so­phie kann man aus mei­ner Sicht nicht auf die Wirt­schaft übertragen. 

Ich hal­te mich für einen Men­schen, der neu­gie­rig ist, Din­ge ger­ne gründ­lich hin­ter­fragt und für den es wich­ti­ge­re Din­ge im Leben gibt, als viel Geld zu ver­die­nen. Man­che hal­ten das für typisch phi­lo­so­phisch, aber das sehe ich nicht so. Ich ken­ne viel mehr Men­schen, die BWL oder Jura stu­diert haben und die ganz ähn­lich ori­en­tiert sind, als Sozi­al- oder Geisteswissenschaftler.

Das ent­schei­den­de Phä­no­men im Bank­we­sen ist der tech­ni­sche Fort­schritt. Die digi­ta­le Revo­lu­ti­on bringt es mit sich, dass es plötz­lich Alter­na­ti­ven zu ein­ge­spiel­ten Pro­zes­sen gibt. Anbie­ter kön­nen und müs­sen dar­über nach­den­ken, wie sie ihre Kun­den unter die­sen neu­en Rah­men­be­din­gun­gen best­mög­lich bedienen.

  • Herr Dr. Kau­ther, wo will cre­dX in fünf Jah­ren ste­hen – wo lie­gen die größ­ten Chan­cen und Her­aus­for­de­run­gen?

Wir wol­len uns als neu­tra­le Alter­na­ti­ve fest etablieren.

  • Herr Dr. Kau­ther, bes­ten Dank für das Gespräch!