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Von Ralf Keuper
Die strategische Bedeutung länder- und branchenübergreifender Standards wurde von den Banken lange unterschätzt (Vgl. dazu: Technologie- und Industriestandards beschleunigen die “Bankendämmerung” #1). In der Zwischenzeit haben große Technologiekonzerne, wie Facebook, Google und Apple, ihre eigenen de-facto-Standards geschaffen, an denen die Banken kaum noch vorbei kommen. Facebook und Google dominieren mit ihren Social-Logins die digitalen Identitäten der Nutzer, während Apple sich bislang mit Erfolg dagegen gewehrt hat, die eigene NFC-Schnittstelle auf dem iPhone für andere Payments-Lösungen zu öffnen. Schmerzhaft wird den Banken und Sparkassen die Abhängigkeit bewusst, in die sich über die Jahre unfreiwillig begeben haben. Mittlerweile versuchen die Banken, sich schrittweise aus der Umklammerung zu lösen, wie mit den Identitätsplattformen Verimi und YES. Bei den mobilen Bezahllösungen könnte Bluecode den Banken und Sparkasse zu mehr Unabhängigkeit verhelfen.
Barcode-Lektionen für das Banking
Wie bereits erwähnt, fehlen den Banken Standards, die mehrere Länder und Branchen umfassen. Einer der weltweit erfolgreichsten Standards ist der Barcode (Vgl. dazu: Barcode-Lektionen für das Banking). Was läge näher, als den Barcode für das Banking zu nutzen? Dieser Gedanke kam dem CEO von Bluecode, Dr. Christian Pirkner; Bezahlen, ohne dabei auf die NFC-Technologie angewiesen zu sein.
Die Nutzer können, nachdem sie eine Bluecode fähige App installiert und mit ihrem Bankkonto verbunden haben, bei jedem Bezahlvorgang einen Barcode erzeugen, der nur einmal für eine begrenzte Zeitdauer (4 Minuten) gültig ist. Wird der Barcode auf dem Display des Smartphones angezeigt, kann der Barcode an der Händlerkasse eingescannt werden. Der Barcode berechtigt den Händler, den Betrag vom Bankkonto des Käufers abzubuchen. Da keine personenbezogenen Daten mitgegeben werden, spielt sich der Bezahlvorgang so anonym ab wie bei einer Bezahlung in bar.
Europäisches Bezahlnetzwerk: Bluecode
Was recht einfach klingt, setzt im Hintergrund eine Infrastruktur voraus, deren Aufbau viel Zeit und Geld in Anspruch nimmt. Bislang gibt es nur eine Handvoll sog. Payment Schemes. Die bekanntesten sind Visa und Mastercard. Bluecode hat ein eigenes Regelwerk entwickelt, das als europäische Alternative ausgelegt ist. Hauptmerkmale des Netzwerkes: Bearbeitung in Echtzeit, anonymes Bezahlen und Mehrwertfähigkeit. Aktiv mitgewirkt an dem Bezahlnetzwerk haben u.a. einige der größten deutschen Sparkassen, denen es wichtig war, dass die Lösung europäisch skaliert. Erste Bluecode-Anwender in Deutschland waren die Sparkassen in Frankfurt, München, Köln, Dresden und Siegen und auch alle saarländischen Sparkassen. Im Saarland war es der der Markführer im Lebensmittelhandel Globus SB-Warenhaus und dessen Baumärkte in denen ab dem 4. Oktober 2017 mit der Bluecode-App bezahlt werden konnte.
QR-Code – universeller Standard für das mobile Bezahlen
Banken und Händler, die an dem Bluecode-Netzwerk teilnehmen wollen, müssen dazu lediglich das Regelwerk akzeptieren. Es ist nicht erforderlich, dass, wie sonst üblich, alle Partner miteinander Verträge abschließen, was den Aufwand für die Beteiligten deutlich reduziert. Optische Codes erfreuen sich im Handel seit Jahren wachsender Beliebtheit (Vgl. dazu: QR-Code als universeller Standard für das Banking). Für Chris Skinner alles andere als überraschend:
A merchant just needs a QR code on a piece of paper to be able to take payments. In other words, there is no complex set-up or requirement for new technologies at the point-of-sale. … For the consumer, it’s easy too. A consumer just needs to download an app and then can make payments anywhere (in: Will QR-Codes wipe out cash and cards?)
Pluspunkt für die Händler:
… unlike Apple Pay or Android Pay, the consumer and merchant also get strong incentives to use the system. Merchants can advertise offers and discounts to targeted customers located near the store and customers get personalised ads at the point of relevance, e.g. as they are in the store. It works beautifully (ebd.)
Dem kann Dr. Christian Pirkner nur zustimmen: Der größte Nachteil von NFC ist die fehlende Mehrwertfähigkeit. Eine Zahlung über NFC, wodurch der Warenkorb automatisch geschlossen wird, lässt nur schwer Aktionen des Händlers zu.
Datenschutz als Mittel zur Kundenbindung
Ein weiterer Vorteil von Bluecode, verglichen mit den Lösungen US-amerikanischer und asiatischer Anbieter, besteht darin, dass die Zahlungen bei Bluecode, wie bereits erwähnt, anonym erfolgen. Es werden beim Bezahlvorgang mit dem Smartphone keine personenbezogenen Daten ausgetauscht. Außer der kontoführenden Bank kennt niemand, auch Bluecode nicht, die Identität des Nutzers. Die Kundenbeziehung bleibt damit bei der Bank und dem Händler.
Weder Payment App noch TPP
Bei Bluecode legt man großen Wert auf die Feststellung, dass es sich bei der eigenen Bezahllösung um keine App im klassischen Sinn handelt. Die App sei nur eine vorübergehende Erscheinung, bis die Banken dem Bluecode-Regelwerk beitreten in das Bluecode PlugIn in ihre eigenen Applikationen integriert haben. Der Bezahlvorgang selber läuft im Hintergrund ab. Die Kundenreise gehöre, so Dr. Pirkner kürzlich in einem Interview, in die Payment-App der Bank.
Europäische Netzwerke als Alternative zu den Digitalen Plattformen der Technologiekonzerne
In den letzten Jahren haben digitale Plattformen, die von den großen Technologiekonzernen wie Google, Amazon, Apple und Alibaba betrieben werden, das Gesicht des Ökonomie verändert. In dem Zusammenhang ist häufig von der Plattformökonomie die Rede. Hierbei übernimmt der Plattformbetreiber die Rolle des Vermittlers/Intermediärs. Den Technologiekonzernen ist es mit ihren Plattformen gelungen, die Kundenschnittstelle zu besetzen und die Kunden damit von den Unternehmen, Händlern und Banken zu trennen. Mit das wichtigste Instrument sind die Bezahldaten, welche die Kunden bei ihren Einkäufen mit ihrem Smartphone, Tablet-PC oder ihrer Smart Watch erzeugen. Wer hier an der Schnittstelle sitzt, verfügt über die Empfehlungsmacht. Mit der Zeit können die Plattformbetreiber eigene Produkte und Services anbieten, wie im Bereich Mobile Payments. Bislang verfügt Europa über kein eigenes Bezahlsystem. Dadurch entsteht eine Abhängigkeit, die in der Daten- und Plattformökonomie die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft akut gefährdet. Alleine wird es keine Branche, schon gar kein Unternehmen oder Bank schaffen, ein Gegengewicht zu den großen digitalen Plattformen zu bilden. Nötig ist die Bündelung der Kräfte. Dazu lassen sich in der europäischen Geschichte einige erfolgreiche Beispiele finden.
Im vergangenen Jahr wurde des 200. Geburtstages von Friedrich-Wilhelm Raiffeisen gedacht, dem Begründer des Genossenschaftswesens. Mit 22,6 Millionen Mitgliedern in fast 8.000 Genossenschaften sind die Genossenschaften die mitgliederstärkste Wirtschaftsorganisation Deutschlands. Fast täglich kommen neue Genossenschaften hinzu , wie im Bereich der erneuerbaren Energien. Demnächst könnten Datengenossenschaften folgen. Ein weiteres Erfolgsmodell ist die Hanse. Dabei handelte es sich um einen losen Verbund mehrerer Städte, die sich ein eigenes Regelwerk gaben. Inoffizielles Haupt war die Stadt Lübeck. In gewisser Weise war die Hanse ein Vorläufer der Genossenschaften, wie Prof. Dr. Theresia Theurl vom Institut für Genossenschaftswesen an der Uni Münster in einem Interview hervorhebt.
Ausschlaggebend dafür ist nicht nur, dass sie (die Hanse und die Genossenschaften) erkannt haben, dass man zusammen mehr erreichen kann als alleine, sondern dass sie sich für ihr Zusammenwirken Regeln gegeben haben und auch dafür gesorgt haben, dass sie eingehalten werden. Es ging also immer um Rechte und Pflichten. Hervorzuheben ist weiters, dass eine langfristige Orientierung und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Handlungen im Vordergrund standen. Die Parallelen mit Genossenschaften, die Ähnlichkeit der Governancestrukturen liegen auf der Hand.
Heute sind offene Schnittstellen die neuen Handelsrouten. Gefischt wird dabei nach den Daten. Bezahldaten sind von besonderem Wert. Große Tanker, welche die Handelsrouten dominieren, stehen derzeit einzelnen Koggen gegenüber. In Europa braucht es Regelwerke und Verbünde mit der nötigen kritischen Masse, um sich dem Sog der großen Plattformen entziehen zu können und ein Mindestmaß an digitaler Souveränität behaupten zu können. Lösungen wie Bluecode, d.h. offene Regelwerke, könnten ein Mittel dazu sein.
Weitere Informationen:
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