Von Ralf Keuper
Der Bezahlvorgang an der Kasse zählt zu den wenigen, die, trotz aller Optimierungsmaßnahmen in den letzten Jahrzehnten, ihr Gesicht nur unwesentlich verändert haben. Zwar sind die Kassenterminals leistungsfähiger geworden; der eigentliche Schub kam jedoch erst durch die Verknüpfung mit den Warenwirtschaftssystemen. Ein Artikel aus dem Jahr 1983 hielt fest: Eine Datenkasse macht noch kein Warenwirtschaftssystem und spielte damit auf die zu dem Zeitpunkt noch reichlich im Einzelhandel vorhandenen Insellösungen an.
Seitdem die Insel- durch Systemlösungen ersetzt wurden, hat sich die Produktivität in diesem Bereich kaum verändert. Der Bezahlvorgang dauert, ob mit Bargeld, Karte oder Smartphone, in etwa gleich lang. Die Kassenterminals sind über die Jahre um Funktionen ergänzt worden. Das Herz bildet – in Deutschland jedenfalls – nach wie vor die Schublade mit den Geldscheinen und dem Hartgeld.
In diesem Umfeld kann kein neuer “Mehrwert” entstehen, so er denn überhaupt am Point of Sale je existiert hat. Kurzum: So lange die Systemlandschaft bleibt, wie sie ist, wird auch der schnellste und bequemste Bezahlvorgang mit dem Smartphone an dem aktuellen Status wenig ändern. Der Mehrwert hält sich in Grenzen.
Unter den gegebenen Umständen kann ein Mehrwert nur durch Leistungen entstehen, die über das Bezahlen hinausgehen, z.B. durch kontextbasierte Informationen, die auf dem Smartphone bereit gestellt werden, Hinweise auf Rabatte, Aktionen, neue Angebote usw. .
Nachteil ist die Preisgabe der Daten. Der Kunde wird (noch) gläserner.
Bei der Frage, ob Mobile Payment sich durchsetzten wird und welchen Mehrwert es liefert, geht es m.E. nicht so sehr darum, ob Kreditkarten weitere Verbreitung finden und das Thema Sicherheit gewährleistet ist: Entscheidend wird sein, welche wirklichen Zusatzleistungen und ‑informationen die Kunden dafür bekommen, dass sie die Daten über ihr Kaufverhalten zur Verfügung stellen. Ausgehend von der Annahme, dass die Sicherheit beim Bezahlvorgang in den Griff zu bekommen ist, bleibt die Frage der Sicherheit der Kundendaten. Wer darf die Daten, wie und für welche Zwecke verwenden? Inwieweit kann und will der Kunde bei der Verwertung seiner Daten mitreden? Welchen Anteil vom Kuchen bekommt er dafür, dass er (oder sie) mit seinen Daten die Planungssicherheit bei den Herstellern von Konsumgütern erhöht? Welche Rolle können Banken in diesem Umfeld übernehmen?
Einen neuen Schub bekommt das Thema dann, wenn wirklich keine Kassenterminals, jedenfalls nicht mehr in diesem Umfang, benötigt werden. Technisch ist das machbar – keine Frage. Wie erfolgt künftig die Kommunikation, die vorher zwischen dem Kassenterminal und dem Warenwirtschaftssystem abgewickelt wurde? Wird das Smartphone das Kassenterminal ersetzen? Welches (digitale) Ökosystem verbirgt sich dahinter? Welche Rolle, welche Funktion übernehmen die Einzelhändler? Nicht umsonst ist Wal Mart bemüht, sein eigenes Bezahlsystem, CurrentC, am Markt durchzusetzen. Schon jetzt hat Wal Mart mit Green Dot die sog. Underbanked ins Visier genommen. Auf bankinnovation wird ein Banker auf die Frage, wer ihm denn die größten Sorgen bereite, mit der Antwort zitiert: “Walmart”. Weiterhin sind auch die diversen E‑Commerce-Konzerne bestrebt, rechtzeitig ihren Hut in den Ring zu werfen.
Statt also den Mehrwert ausschließlich aus der Kundenperspektive, der Handhabung, zu betrachten, ist es ebenso wichtig, das Bezahlsystem, bestehend aus den Händlern, Kreditkartenunternehmen, Banken, Konsumgüterherstellern, E‑Commerce-Konzernen und Telekommunikationsunternehmen, mit in den Blick zu nehmen. So erst entsteht m.E. ein halbwegs komplettes Bild und die Frage nach dem Mehrwert stellt sich anders.
Die einzige Möglichkeit, an diesem System kaum bis gar nicht teilzunehmen, besteht darin, mit Bargeld zu bezahlen. Ein Grund dafür, weshalb das Bargeld m.E. nicht völlig aussterben wird. Wir benötigen künftig gerade hier eine gewisse Vielfalt.
Insgesamt jedoch wird sich die Diskussion in den nächsten Jahren auf eine neue (System-)Ebene begeben. Der Mehrwert beim Bezahlvorgang wird im Informationskapitalismus anders interpretiert als derzeit. Von Bedeutung wird dabei auch die Frage nach der Verteilung eben dieses Mehrwerts sein.
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