Dezentrale Finanzprotokolle (DeFi) haben ein rasantes Wachstum erlebt und sind in weniger als zwei Jahren von null auf über 50 Mrd. USD Gesamtvolumen angewachsen. Über die Motive für die Kreditvergabe oder ‑aufnahme über diese Protokolle ist jedoch wenig bekannt. Angesichts der Notwendigkeit einer Übersicherung bei der DeFi-Kreditvergabe (im Gegensatz zum traditionellen Bankgeschäft) ist es etwas überraschend, dass auf diesen Plattformen überhaupt eine Kreditaufnahme stattfindet. Anhand von detaillierten Transaktionsdaten des Aave V2-Protokolls beleuchten wir die Beweggründe der Akteure für die Kreditaufnahme und ‑vergabe im Rahmen von DeFi und stellen sie denjenigen im traditionellen Finanzwesen gegenüber, um die Einzigartigkeit von DeFi hervorzuheben.
Beitrag
Wir leisten einen Beitrag zu einer schnell wachsenden Literatur, die die traditionelle Finanzintermediation, die auf der Reputation und der Finanzkraft des Kreditnehmers basiert, mit dem DeFi-Kreditmarkt vergleicht, bei dem die Teilnehmer anonym sind. Insbesondere schlagen wir ein theoretisches Modell vor, aus dem wir überprüfbare Hypothesen ableiten, die Einlagen- und Kreditgeschäfte auf DeFi-Protokollen motivieren, und testen diese Hypothesen dann empirisch.
Ergebnisse
Wir stellen fest, dass die Bereitstellung von Liquidität in DeFi-Kreditpools hauptsächlich durch die Suche nach Rendite bestimmt wird. Dieser Effekt ist bei privaten Nutzern besonders stark ausgeprägt und wurde durch das “Low-for-long”-Zinsumfeld in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften noch verstärkt. Wir führen die Beweggründe für die Kreditaufnahme über DeFi-Protokolle in erster Linie auf Spekulationen und bis zu einem gewissen Grad auf die Erhöhung des Stimmrechts durch die vorübergehende Erhöhung des Anteils eines Nutzers an den Governance-Tokens zurück. Schließlich finden wir wesentliche Unterschiede im Verhalten der verschiedenen Anlegertypen. Die Einlagenentscheidung von Kleinanlegern wird von den Zinssätzen für alternative Anlageformen in der Realwirtschaft bestimmt. Umgekehrt wird die Einlagenentscheidung von Großanlegern in erster Linie von den im DeFi-Protokoll angebotenen Zinssätzen geleitet. Auf der Kreditseite werden die Entscheidungen sowohl von Kleinanlegern als auch von Großanlegern von spekulativen Motiven bestimmt, die durch Hebelwirkung, Marktbewegungen und Preisspekulationen potenziell hohe Renditen erzielen wollen. Während Kleinanleger jedoch ein “Angst-vor-dem-Verpassen”-Verhalten an den Tag legen, ist dies bei Großanlegern nicht der Fall. Darüber hinaus beteiligen sich Großanleger aus Governance-Motiven, wie der Beeinflussung von Protokollentscheidungen und dem Erwerb bedeutenderer Governance-Rechte, verhältnismäßig stärker als Kleinanleger an der DeFi-Kreditaufnahme.
Quelle: Why DeFi lending? Evidence from Aave V2