Kennzeichen eines guten Risikomanagements ist es, sich den Eintritt des Undenkbaren vorzustellen. Dies tat die Commerzbank in ihrem Geschäftsbericht 2022. Darin spielte sie die Möglichkeit eines taktischen Atomanschlags auf Frankfurt durch[1]„Taktischer Atomanschlag auf Frankfurt“? Für die Commerzbank ein mögliches Szenario.
An dieser Stelle nehmen wir an, dass die Wahrscheinlichkeit für einen taktischen Atomanschlag auf Frankfurt geringer ist als die Pleite einer oder mehrerer Sparkassen.
So abwegig ist dieses Szenario nicht mehr[2]Zweifel an der Unsinkbarkeit der Sparkassen gibt es schon länger: Sparkassen bieten trügerische Sicherheit. Die Sparkassen mussten bereits Wertpapierberichtigungen und eine Kreditrisikovorsorge in Höhe von 8 Mrd. Euro vornehmen[3]Sparkassen, Genobanken, SVB und die Wertpapierabschreibungen[4]Vgl. dazu: Bundesbank warnt: Sparkassen und Volksbanken stehen vor großen Verlusten. Die Präsidentin des Westfälisch-Lippischen Sparkassenverbandes, Liane Buchholz, räumte ein, dass man einen solchen Zinsschock (d.h. ein Zinsanstieg von mehr als 2%) selbst in den extremsten Simulationen nicht durchgerechnet habe. Aufgrund der hohen Abschreibungen auf Eigenanlagen stehe bei jedem zweiten ihrer Institute die Risikoampel derzeit auf Gelb oder auf Rot, so Buchholz weiter[5]Buchholz erwartet hohe Abschreibungen. In den anderen Regionen dürfte es nicht viel anders sein.
Allerdings ist der hohe Abschreibungsbedarf bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken nicht allein auf den “Zinsschock” zurückzuführen; zu Buche schlagen auch Abschreibungen auf Wertpapiere russischer Emittenten mit schlechter Bonität[6]Auch Russen-Papiere hinter Eigenanlagen-Verlust bei Kleinbanken.
Wenn eine oder mehrere Sparkassen pleite sind oder kurz davor stehen, greift zunächst das Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe. “Das institutsbezogene Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe ist als Einlagensicherungssystem nach dem EinSiG amtlich anerkannt. In der gesetzlichen Einlagensicherung hat der Kunde gegen das Sicherungssystem einen Anspruch auf Erstattung seiner Einlagen bis zu 100.000 Euro. Dafür maßgeblich ist das EinSiG”[7]Das Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe[8]Vgl. dazu: Institutssicherung der Sparkassen, Landesbanken und Landesbausparkassen. Das Sicherungssystem wiederum hat einen einheitlichen Stützungsfonds gebildet („Einheitlicher Stützungsfonds“), der aus 13 funktional miteinander verknüpften Teilfonds besteht[9]Vgl. dazu: “Rahmensatzung für das als Einlagensicherungssystem anerkannte institutsbezogene Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe”, online abrufbar[10]“Um die Effizienz und Schlagkraft zu erhöhen, haben alle Institute der Sparkassen-Finanzgruppe vereinbart, ab 2025 einen Zusatzfonds aufzubauen, der ergänzend zu den bestehenden Sicherungsmitteln … Continue reading.
Sollte auch das nicht mehr reichen, kommt die Gewährträgerhaftung zum Zuge. In diesem Fall “haben Gläubiger das Recht, ihre Forderungen gegenüber dem Anstaltsträger, der Kommune oder dem Land geltend zu machen. Die Gewährträgerhaftung dient somit als Sicherheitsnetz für Gläubiger bei einer Insolvenz der Anstalt”[11]Gewährträgerhaftung bei öffentlich-rechtlichen Anstalten.
Der bekannteste Fall, bei dem die Gewährträgerhaftung zum Zuge kam, war die Insolvenz der WestLB. Hier mussten die Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz für die Schulden der WestLB geradestehen. Die Gewährträgerhaftung ist nicht unumstritten[12]Welchen Einfluss haben staatliche Garantien auf die Risikoübernahme von Banken?
Ein Sonderfall sind die freien Sparkassen. Dabei handelt es sich um nicht kommunal gebundene Sparkassen, also Sparkassen, die nicht im Besitz oder unter der Kontrolle einer öffentlichen Gebietskörperschaft (z. B. Gemeinde, Landkreis, Bundesland) stehen[13]Verband der Freien Sparkassen. Die freien Sparkassen gehören dem Teilfonds der regionalen Sparkassen- und Giroverbände („Sparkassen-Teilfonds“) an. Reichen dessen Mittel nicht aus, werden die jeweiligen Eigentümer/Aktionäre zur Kasse gebeten.
Sollte tatsächlich der Fall eintreten, dass eine Sparkasse von der jeweiligen Kommune “gerettet” werden muss, dann dürfte das bei den Bürgerinnen und Bürgern – gelinde gesagt – auf wenig Verständnis stoßen.
References