Von Ralf Keuper
Nachdem die Banken lange Zeit kaum Notiz von den zahlreichen FinTech-Startups genommen haben, scheinen einige von ihnen sowie zahlreiche Branchenbeobachter darin neuerdings eine Art Allheilmittel, eine Frischzellenkur zu sehen.
So verlockend oder naheliegend dieser Gedanke auch ist – er hat einige Schönheitsfehler.
Banken und FinTech-Startups lassen sich nur sehr bedingt miteinander vergleichen – das gilt nicht nur für die Größe, sondern auch für die Unternehmenskultur. Während Startups auf der grünen Wiese beginnen können, schleppen die Banken, allein historisch bedingt, hohe Altlasten in Form veralteter Systemlandschaften, Legacy-Systeme und weiterer sog. Sunk Costs mit, die ein Agieren wie ein Startup zwar wünschenswert, aber auf kurze Sicht kaum realisierbar erscheinen lassen. Hinzu kommt noch, dass sich über die Jahre in den Banken eine Unternehmenskultur, ein Organisationsgedächtnis gebildet hat, das nicht so eben umprogrammiert werden kann. Darüber hinaus sind die Vertriebs- und überhaupt die Anreizstrukturen häufig noch auf einen Markt ausgelegt, der so nicht mehr existiert.
Ein Startup hat hier natürlich erst einmal einen Startvorteil. Die Banken in genau abgegrenzten Bereichen technologisch übertreffen zu können, ist vielleicht nicht leicht, wohl aber kein Hexenwerk. Daraus folgt freilich nicht, dass die Banken selber nicht dazu in der Lage wären, vergleichbare Lösungen zu erstellen. Insofern hat André Bajorat mit seiner Ansicht Recht, dass die Banken die FinTech-Startups – theoretisch – schlagen könnten. Dem stehen aber häufig neben den bereits genannten Schwierigkeiten Budgetzwänge und die langen Entscheidungswege gegenüber. Betriebswirtschaftlich formuliert: Die Ressourcenallokation steht einer Neuausrichtung nicht selten im Weg.
Als Pluspunkte können die Banken das zwar ramponierte, aber noch immer vorhandene Vertrauen der Kunden, ihre Präsenz in der Fläche wie auch ihre Expertise in die Waagschale werfen. Hier müssen die FinTech-Startpus erst noch den Beweis antreten, dass sie die bessere Alternative sind. Ganz abgesehen davon, ist die Unternehmenskultur einiger FinTech-Startups wohl auch nicht so egalitär und locker, wie häufig noch angenommen wird.
Die eigentliche Gefahr der Fixierung auf die FinTech-Startups besteht, neben der Frage der Vergleichbarkeit, vornehmlich auch darin, dass die wirkliche Bedrohung der Banken schnell übersehen wird. Dabei handelt es sich gerade nicht um Startups, sondern um Großkonzerne, deren Strukturen denen der Banken in einigen Bereichen gar nicht mal so unähnlich sein dürften – gemeint sind Apple, Amazon, Alibaba, Tencent, Baidu, facebook, Google, PayPal, Drum Kakao & Co. Zu erwähnen sind auch die diversen Telekomnunikations- und Einzelhandelskonzerne sowie die Kreditkartenfirmen.
Alle genannten Unternehmen verfügen über eine enorme Finanzkraft und großes technologisches Know How. Viele von ihnen haben es in der Logistik, der Softwareentwicklung, der Daten Science und in der Geräteherstellung zur Meisterschaft gebracht. Sie repräsentieren jeweils ein großes digitales Ökosystem, das sie gezielt und teilweise mit großen Geschick ausbauen. Darin liegt die echte Gefahr für die Banken.
Nebenbei gesagt: Das Ziel der meisten Startups, die sich als Herausforderer der Banken sehen, ist ja selbst ein Konzern zu werden. Ohne eine gewisse Größe können sie den Banken das Geschäft nicht streitig machen.
Statt also den Blick zu sehr auf die FinTech-Startups zu richten, wäre es m.E. mindestens ebenso empfehlenswert, die großen Internetkonzerne einer näheren Betrachtung zu unterziehen.
Davon unbenommen ist, dass Kooperationen der Banken mit FinTech-Startups oder der Kauf des einen oder anderen FinTech-Startups durch Banken, wichtige Optionen sind und bleiben.
In gewisser Weise sind die FinTech-Startups die ausgelagerten F&E‑Abteilungen der Banken. Zeit sie wieder zu integrieren, um den wahren Gegnern Paroli zu bieten.