Forschungsfrage
Gegenwärtig hat weniger als die Hälfte der Bürger des Eurogebiets Vertrauen in die Europäische Zentralbank (EZB), was einen Rückgang gegenüber dem Höchststand von rund 60 % in der Anfangsphase der EZB bedeutet. Außerdem übertrifft das Vertrauen in die EZB das Vertrauen in andere politische Institutionen nicht wesentlich. Daher werden in diesem Papier die Faktoren, die das Vertrauen in die EZB beeinflussen, neu bewertet, um festzustellen, ob es für die Institution Möglichkeiten gibt, das öffentliche Vertrauen zu stärken.
Beitrag
Wir untersuchen das Vertrauen der Öffentlichkeit in die EZB und seine Bestimmungsfaktoren anhand von Daten aus dem Haushaltspanel der Deutschen Bundesbank für Deutschland. Mit Hilfe eines interdisziplinären Ansatzes, der Erkenntnisse aus der Politikwissenschaft und der Psychologie integriert, bieten wir eine neue Perspektive auf die Faktoren, die das Vertrauen in die Zentralbank beeinflussen und die ganzheitlicher sind. Wir berücksichtigen nicht nur die Kompetenz, sondern auch die Werte, die die Institution mit der Öffentlichkeit teilt, sowie das Vertrauen in politische Institutionen im Allgemeinen und das interpersonelle (verallgemeinerte) Vertrauen (d. h. das Vertrauen in andere).
Ergebnisse und politische Implikationen
Wir stellen fest, dass das Vertrauen in die EZB in hohem Maße davon abhängt, worauf die Haushalte bei ihrem allgemeinen Vertrauen in die Institution Wert legen. Haushalte, die angeben, dass die Leistung der EZB bei der Aufrechterhaltung stabiler Preise und beim Treffen von Entscheidungen, die auf Regeln, Wissenschaft und Daten beruhen, für ihr Vertrauen in die EZB wichtig ist, äußern tendenziell ein höheres Maß an Vertrauen in die EZB. Umgekehrt ist das Vertrauen in die EZB bei denjenigen geringer, die mehr Wert auf Werte legen, insbesondere auf die Integrität der obersten Zentralbanker, eine ehrliche Kommunikation und ein allgemeines Anliegen. Das Vertrauen in die EZB hängt auch vom Vertrauen in politische Institutionen im Allgemeinen und, in geringerem Maße, vom allgemeinen Vertrauen ab. Unsere Studie hat wichtige Implikationen für Zentralbanken. Zum einen sollten sie neben der Preisstabilität und Entscheidungen, die auf wissenschaftlichen Grundsätzen, Regeln, Analysen und Fakten beruhen, auch gemeinsame Werte mit der Öffentlichkeit betonen. Die andere besteht darin, die Faktoren zu beachten, die der politischen Krise (die sich in Polarisierung, Populismus und sozialen Unruhen äußert) zugrunde liegen, die über die Zentralbanken hinausgeht, sowie die Faktoren, die dem geringen allgemeinen Vertrauen zugrunde liegen. Als wichtige Akteure in der politischen Arena können sich die Zentralbanken an einem breiteren gesellschaftlichen Diskurs über diese Themen beteiligen – und ihn möglicherweise anführen. Darüber hinaus können sie dazu beitragen, das allgemeine Vertrauen wiederherzustellen, indem sie das Umfeld gestalten, in dem die Bürger Erfahrungen machen, und indem sie durch Kommunikation (einschließlich der neuen Formate, die persönliche Begegnungen einschließen) eine echte Beziehung zu den Menschen aufbauen.
Quelle: Toward a holistic approach to central bank trust