Der Schweizer Hersteller von Bankensoftware Temenos ist in das Visier des Leerverkäufers Hindenburg Research geraten. Hindenburg Research hatte Temenos in der vergangenen Woche Unregelmäßigkeiten bei der Rechnungslegung vorgeworfen[1]Temenos: Major Accounting Irregularities, Failed Products And An Illusive Turnaround[2]Temenos-Aktie verliert 30 Prozent nach Hindenburg-Angriff.
Ein Auszug:
- Unsere viermonatige Untersuchung von Temenos, bei der wir 25 ehemalige Mitarbeiter, darunter auch leitende Angestellte des Unternehmens, befragten, deckte Anzeichen für manipulierte Gewinne und erhebliche Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung auf. Dazu gehören Beweise für Roundtrip-Einnahmen, Scheinpartnerschaften, das massive Vorziehen von Vertragsverlängerungen, rückdatierte Verträge, die übermäßige Aktivierung scheinbar nicht vorhandener F&E‑Investitionen und andere klassische buchhalterische Unregelmäßigkeiten.
- Diese aggressiven Buchhaltungspraktiken schienen unter vielen ehemaligen Mitarbeitern, mit denen wir sprachen, ein offenes Geheimnis zu sein. Mehrere gaben an, dass CEO Andreas Andreades diese Praktiken fördert, die dazu beitragen, die erhebliche Unzufriedenheit der Kunden mit den Produkten und die Abwanderung zu vertuschen.
- Im Oktober 2021 kündigte Temenos eine strategische Partnerschaft mit dem Fintech-Unternehmen Mbanq an, um die Einführung von Banking-as-a-Service in den USA, dem wichtigsten strategischen Markt des Unternehmens, zu beschleunigen. Einer ehemaligen Temenos-Führungskraft zufolge umfasste die Vereinbarung den Erwerb von Software und Dienstleistungen von Temenos im Wert von 20 Millionen US-Dollar durch Mbanq. Prozessunterlagen, Jahresabschlüsse und ehemalige Temenos-Führungskräfte belegen, dass Temenos den Kauf seiner eigenen Software heimlich finanzierte – und damit ein Roundtripping-Schema praktizierte, indem es etwa zur gleichen Zeit wie den Softwarekauf eine ungenannte Investition von 20 Mio. USD in Mbanq tätigte. …
- Im Jahr 2016 wählte die Bank of Ireland Temenos als “Herzstück” ihrer 500 Millionen Euro teuren technologischen Umgestaltung aus. Berichten zufolge verdreifachte sich das Projektbudget innerhalb von fünf Jahren, führte zu weitreichenden IT-Ausfällen und einer Wertminderung in Höhe von 139 Millionen Dollar für die Bank.
Ein ehemaliger IT-Manager der Bank of Ireland sagte uns, Temenos habe zu viel versprochen und zu wenig geliefert und die Software von Temenos sei den Anforderungen der Bank “nicht gewachsen” gewesen. Der ehemalige Manager sagte, dass sich das Temenos-Team manchmal mehr darauf konzentrierte, “einfach nur mehr Software zu verkaufen…”
- Im Mai 2018 gab die australische BNK Banking bekannt, dass sie mit der Cloud-Banking-Software von Temenos in Betrieb gegangen war, doch im Juli 2023 erhielt BNK aufgrund von Mängeln in der Temenos-Software 18 Vertragsverletzungsbescheide von der australischen Bankenaufsicht, so ein BNK-Sprecher gegenüber den Medien.
Laut einem australischen Bankberater, der mit dem Unternehmen vertraut ist, verlässt BNK Temenos nun mitten im Vertrag: “Ehrlich gesagt, eine Excel-Tabelle würde besser funktionieren als Temenos, und das ist noch milde ausgedrückt. Es ist entsetzlich … sie haben [BNK], wie wir glauben, über 100 Millionen Dollar an entgangenen Möglichkeiten gekostet.”
- Ein australischer Bankberater, der an Temenos-Implementierungen mitgewirkt hat, fasste seine Meinung über Temenos wie folgt zusammen: “Sie sind einfach ein fantastisches Vertriebsunternehmen und eine Verkaufsmaschine, aber ehrlich gesagt können sie das nicht mit irgendetwas untermauern… der schwierigste Anbieter, dem ich je begegnet bin. Sie haben uns die Welt versprochen. Es war im Grunde nur Vaporware…”
Temenos hat die Vorwürfe zurückgewiesen und eine unabhängige Prüfung beauftragt.[3]Temenos leitet externe Untersuchung wegen Hindenburg-Vorwürfen ein[4]Temenos Announces Independent Review of Hindenburg Claims
Was die Vorwürfe hinsichtlich der Implementierungen betrifft, so ist dies ein branchentypisches Phänomen. Die entscheidende Frage ist daher, um welches Ausmaß es sich handelt.
Unterdessen hat sich der aktivistische Aktionär Petrus Advisers den Forderungen von Hindenburg Research an den Genfer Bankensoftware-Hersteller Temenos angeschlossen, den aktuellen Interims-Chef Andreas Andreades mit sofortiger Wirkung zu entlassen. Unter seiner Leitung habe sich ein Klima für kurzfristige Gewinne über längerfristigem Erfolg durchgesetzt[5]Temenos-Aktie setzt Talfahrt fort: Petrus Advisers fordert nach Hindenburg-Vorwürfen Rücktritt von Interims-Chef Andreades.
References