Von Ralf Keuper
Es ist irgend­wie bemer­kens­wert, wie schwer sich gera­de in Deutsch­land eini­ge Kom­men­ta­to­ren mit App­les neu­es­tem stra­te­gi­schen Coup tun. Vor allem der neue Bezahl­dienst Apple Pay stösst auf Skep­sis. Waren sich eini­ge Beob­ach­ter vor einer Woche noch rela­tiv sicher, dass es sich nur um eine Fin­te han­de­le und auch dies­mal kei­ne mobi­le Bezahl­lö­sung, zumin­dest kei­ne, die den Namen ver­dient, vor­ge­stellt wür­de, kon­zen­triert man sich nun mit deut­scher Gründ­lich­keit ganz auf die Akzep­tanz­pro­ble­me beim Han­del sowie tech­ni­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Fra­gen (womit nicht gesagt ist, dass die­se Fra­gen unwich­tig sind – sie sind aber nicht die allein entscheidenden).
Was beim iPod, bei iTu­nes mitt­ler­wei­le als gro­ßer Wurf gese­hen, und des­sen ein­zig­ar­ti­ge User Expe­ri­ence fast ein­hel­lig gelobt wird, ist jetzt nicht mehr als ein gut gemein­ter, letzt­lich aber unzu­rei­chen­der Ver­such, das Bezah­len zu “dis­rup­ten”.  Ban­ken kön­nen also rela­tiv unbe­sorgt in die Zukunft bli­cken. Es bleibt noch genü­gend Zeit, um den Vor­sprung App­les und ande­rer auf­zu­ho­len. Auch die zahl­rei­chen Fin­Tech-Start­ups im Bereich Mobi­le Pay­ments kön­nen sich ent­spannt zurücklehnen. 
Da kann man sich dann mit gutem Gewis­sen The­men wie der Geld­kar­te wid­men. Eine gemein­sa­me Lösung für das mobi­le Bezah­len wäre zwar ganz nett, ist aber noch nicht erfolgs­kri­tisch. Eine Aus­schrei­bung reicht fürs Ers­te; nur nichts über­stür­zen. Die­se Hal­tung erin­nert ein wenig an die Klein­staa­te­rei in Deutsch­land, die erst mit dem Deut­schen Zoll­ver­ein – auf dem Gebiet des Han­dels – über­wun­den wer­den konnte.
Irgend­wie drängt sich mir der Ein­druck auf, dass wir im hier­zu­lan­de zuwei­len noch immer in klein­staat­li­chen Kate­go­rien denken.
Wie aus hei­te­rem Him­mel kommt dann der Moment, in dem wir ein­se­hen müs­sen, dass es mit Klein-Klein nicht mehr geht und gezwun­gen sind, Lösun­gen, die anders­wo ent­wi­ckelt wur­den, zu adap­tie­ren oder zu ein­zu­kau­fen. Dann kann es auf ein­mal nicht schnell genug gehen, Hek­tik setzt ein und eine prag­ma­ti­sche Vor­ge­hens­wei­se wird – wie­der­um typisch deutsch – zum obers­ten Prin­zip erho­ben, ohne dass sich an orga­ni­sa­to­ri­schen Vor­aus­set­zung etwas grund­le­gend geän­dert hätte. 
Die Stan­dards wur­den der­weil woan­ders gesetzt; u.a. von von Apple. 
Es ist eine, wie ich fin­de, typisch deut­sche Eigen­art, Lösun­gen, die den eige­nen Vor­stel­lun­gen an per­fek­ter Tech­nik, Design und Orga­ni­sa­ti­on nicht voll­um­fäng­lich ent­spre­chen, abzu­leh­nen, um sie dann spä­ter doch mur­rend zu akzeptieren. 

Selbst eine Bran­che, deren Kun­den als kon­ser­va­tiv gel­ten, wie die Land­ma­schi­nen­in­dus­trie, hat die Zei­chen der Zeit erkannt. 

Im Ban­king scheint dage­gen zu gel­ten: Deut­scher Idea­lis­mus, deut­sches Over­en­gi­nee­ring statt Prag­ma­tis­mus mit Augen­maß. Nichts gegen Idea­lis­mus und eine Hal­tung, die sich nicht gleich von jedem Hype mit­rei­ßen lässt. Nur, wenn der eige­ne Anspruch nicht dazu führt, eine gleich­wer­ti­ge Alter­na­ti­ve auf den Markt zu brin­gen, darf man sich nicht wun­dern, wenn es ande­re sind, die die Rich­tung bestimmen. 
Eine aus­ge­wo­ge­ne Mischung aus Idea­lis­mus und Prag­ma­tis­mus wäre hin und wie­der nicht schlecht. 

Wei­te­re Informationen:

“Die Ame­ri­ka­ni­sie­rungs­fal­le – Kul­tur­kampf in deu­schen Unter­neh­men” von Ulri­ke Reisach

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