Von Ralf Keuper
Der italienische Rechnungshof sorgte in der internationalen Szene kürzlich für einige Verwunderung bzw. Erheiterung, als bekannt wurde, dass er sich mit dem Gedanken trägt, die Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch wegen Nichtberücksichtigung der Kulturgüter Italiens bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit des Landes zu verklagen. Nach Ansicht des Rechnungshofes sei Italien daher zu Unrecht im September 2011 von A+ auf A herabgestuft worden. Man erwäge daher als Schadensausgleich eine Forderung von 234 Milliarden Euro gegen die Agenturen geltend zu machen.
Thomas Steinfeld zeigt sich in der SZ vom 17.02.14 (Die Kunst und der Kredit) seinerseits verwundert darüber, dass der Gedanke, Kulturgüter bei der Berechnung der Kreditwürdigkeit eines Landes zu berücksichtigen, in Finanzkreisen vorwiegend Kopfschütteln auslöst.
Ganz so abwegig ist die Variante tatsächlich nicht. Man denke nur an die aktuelle Entwicklung auf dem Kunstmarkt.
Kulturgüter wie Kunstschätze, architektonisch wertvolle Gebäude und öffentliche Plätze tragen, vor allem in Italien, nicht unwesentlich zum Gedeihen der Volkswirtschaft bei – genannt seien die Tourismusbranche, Gastronomie, Geschenkartikel etc.
Im besten Fall regen sie die Bewohner eines Landes oder dessen Besucher zur Phantasie und zu kreativen Ideen an, die später ihren Ausdruck u.a. in neuen Produkten, Technologien, Dienstleistungen – kurzum: Innovationen finden. Sie heben den Gesamtstand einer Volkswirtschaft – nur leider nicht in Italien und Griechenland, jedenfalls nicht in dem gewünschten Ausmaß.
Steinfeld räumt zu Recht ein, dass die Unterhaltung der Kulturgüter, schon alleine wegen ihrer großen Anzahl, gerade in Italien enorme Kosten verursacht. Vielleicht ist der italienische Staat mit der Erhaltung eines Großteils des Kulturerbes Europas alleine finanziell überfordert? Brauchen wir hier eventuell eine neue Rechnungslegung wie überhaupt eine andere Form der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die es Banken und anderen Institutionen ermöglicht, den Wert von Kulturgütern bzw. ihren (indirekten) Beitrag für die Volkswirtschaft eines Landes zu veranschlagen?
Andererseits: Ist das wirklich so erstrebenswert? Wirtschaftsprüfer, die in kulturellen Einrichtungen Ein und Aus gehen, um den Wert der Güter festzustellen und fortlaufend zu aktualisieren – ganz abgesehen von der Kostenfrage? Ein Reporting, mittels dessen Behörden, Museen usw. die Investorengemeinde und Ratingagenturen über die Wertentwicklung und den Unterhaltungsaufwand der Kulturgüter auf dem Laufenden halten?
Da regen sich bei mir, derzeit wenigstens, erhebliche Zweifel.
Sicherlich zählen die Kulturgüter eines Landes auch zu dessen “Vermögen”. Aber sind wir wirklich gut beraten, wie Steinfeld zum Schluss seines lesenswerten Beitrags fragt, die Kulturfrage als Vermögensfrage zu behandeln?
Da bleiben noch viele offene Punkte.