Von Ralf Keuper

Als die ers­ten Kryp­to-Bör­sen auf der Bild­flä­che erschie­nen, reagier­ten vie­le Men­schen dar­auf mit Erleich­te­rung. Auf ein­mal exis­tier­te eine Mög­lich­keit, Bit­co­in auf ein­fa­che Wei­se zu erwer­ben. Bit­co­in-Evan­ge­lis­ten lehn­ten Kryp­to­bör­sen als einen Ver­stoß gegen das Gebot der Dezen­tra­li­tät aus Prin­zip ab. Dem Auf­stieg der Kryp­to­bör­sen tat das indes kei­nen Abbruch. Den­noch war der Weg zum Erfolg stei­nig und von Rück­schlä­gen beglei­tet. Am Bei­spiel des Auf­stiegs der Kryp­to­bör­se Coin­ba­se schil­dert Jeff John Roberts in Kings of Cryp­to. Wie ein Start­up mit Bit­co­in und Co die Wall Street erschüttert(e) das Auf und Ab der Bran­che, die sich anschickt, die Zukunft der Finanz­wirt­schaft zu bestimmen.

Im August 2012 stell­te Bri­an Arm­strong auf dem Y Com­bi­na­tor Demo Day dem Publi­kum Coin­ba­se vor – als die ein­fachs­te Mög­lich­keit, um mit Bit­co­in zu begin­nen. Zusam­men mit sei­nem dama­li­gen Part­ner wur­de Arm­strong für das Y Com­bi­na­tor – Pro­gramm für Start­ups ange­nom­men. Die Idee von Coin­ba­se war, einen Ser­vice für den Besitz von Bit­co­in ohne pri­va­ten Schlüs­sel anzu­bie­ten. Die siche­re Ver­wah­rung des Schlüs­sels woll­te Coin­ba­se übernehmen.

Nach dem Abschluss des Pro­gramms war Arm­strong auf der Suche nach Mit­strei­tern, wobei er recht unkon­ven­tio­nell vor­ging. Um mit poten­zi­el­len Kan­di­da­ten in Kon­takt zu kom­men, ver­öf­fent­lich­te er eini­ge Bei­trä­ge zu Bit­co­in auf Red­dit. Gab jemand einen klu­gen Kom­men­tar oder stell­te die rich­ti­gen Fra­gen, ver­such­te er ihn an Bord zu holen. Ein wei­te­rer, jedoch phy­si­scher Ort für die Per­so­nal­ak­qui­se war das Café The Crea­me­ry, das wegen sei­ner unge­zwun­ge­nen Atmo­sphä­re in der Start­up- und Kryp­to-Sze­ne ange­sagt war.

Mit sei­nem ers­ten Mit­ar­bei­ter und Geschäfts­part­ner Fred Ehr­sam ent­wi­ckel­te Arm­strong eine Web­site, die durch das Volu­men der Auf­trä­ge schnell an ihre Gren­zen stieß. Kun­den beklag­ten sich über fal­sche Anzei­gen ihres Bit­co­in-Bestands; die Kun­den­an­fra­gen häuf­ten sich. Der Sup­port kam mit der Beant­wor­tung der Anfra­gen und Feh­ler­mel­dun­gen nicht mehr nach. Es gelang Arm­strong und Ehr­sam, den Soft­ware­feh­ler zu behe­ben. Eine ers­te Bewäh­rungs­pro­be war dann der Dieb­stahl von Bit­co­ins im Wert von 250.000 Dol­lar Mit­te 2013. Die Die­be hat­ten sich bei einem frei­en Mit­ar­bei­ter von Coin­ba­se ein­ge­hackt, um an des­sen Pass­wort zu kom­men: “Der Hacker war an die Hot Wal­let von Coin­ba­se gelangt, die mit dem Inter­net ver­bun­den war”. Ein wei­te­rer Schlag ins Kon­tor war, als sich nach einer inter­nen Unter­su­chung her­aus­stell­te, dass zehn Pro­zent der Trans­ak­tio­nen auf Coin­ba­se betrü­ge­risch waren, was Coin­ba­se etli­che Dol­lar kos­te­te. Als dann noch im Jahr 2015 Berich­te erschie­nen, in denen Coin­ba­se vor­ge­wor­fen wur­de, Kryp­to­wäh­run­gen als Mit­tel zum Umge­hen von Sank­tio­nen gegen den Iran zu  ver­mark­ten, kün­dig­te die Haus­bank, die Sili­con Val­ley Bank, das Geschäfts­kon­to von Coinbase.

Gro­ßen Ein­fluss auf die Gewinn­si­tua­ti­on bei Coin­ba­se hat die Ent­wick­lung des Bit­co­in-Kur­ses; je höher der Kurs, umso höher die Pro­vi­sio­nen. In den Anfangs­jah­ren schwank­te der Kurs von 400 Dol­lar im Herbst 2014 bis zu 200 Dol­lar Ende 2015: “Coin­ba­se sorg­te für Auf­se­hen bei Risi­ko­ka­pi­tal­ge­bern. Und das Unter­neh­men ver­dien­te Geld – reich­lich. Es ver­ar­bei­te­te Mil­lio­nen von Trans­ak­tio­nen in Bit­co­in, Ethe­re­um und Lite­co­in und nahm für jede davon eine Pro­vi­si­on. Sei­ne Mar­gen waren rie­sig. Coin­ba­se muss­te zwar viel für Pro­gram­mie­rer und Tech­nik aus­ge­ben, aber die eigent­li­chen Kos­ten einer Trans­ak­ti­on lagen fast bei null – dafür wur­de ja nur digi­ta­ler Staub zwi­schen den Wal­lets der Kun­den bewegt. Wenn jemand für 100 Dol­lar Bit­co­in kauf­te, konn­te Coin­ba­se 2,99 Dol­lar Gebüh­ren berech­nen, und das war im Grun­de rei­ner Gewinn”.

Mit der Zeit mach­te sich bei Coin­ba­se eine gewis­se Selbst­zu­frie­den­heit breit; man beschäf­tig­te sich über­wie­gend mit sich selbst: “Bei einem der Board-Mee­tings ging es nur noch dar­um, Geld irgend­wie so aus­zu­ge­ben, dass kei­ne Steu­ern fäl­lig wer­den”. Wei­te­re Kryp­to­wäh­run­gen in das Ange­bot auf­zu­neh­men, erschien Arm­strong & Co. als neben­säch­lich – bis Binan­ce und sein Grün­der Chang­peng Zhao (CZ) die Büh­ne betra­ten. Anders als Coin­ba­se beschloss Binan­ce auf den Han­del mit kon­ven­tio­nel­len Wäh­run­gen wie Dol­lar, Euro oder Yen zu ver­zich­ten und nur Geschäf­te mit Kryp­to­wäh­run­gen anzu­bie­ten. Das hat­te den gro­ßen Vor­teil, dass kein Kon­takt mit dem Ban­ken­sys­tem und des­sen regu­la­to­ri­schen Bestim­mun­gen nötig war. Sei­nen Sitz hat Binan­ce in klei­nen Insel­staa­ten, deren Inter­es­se für regu­la­to­ri­sche Fra­gen begrenzt ist.

Der Binan­ce-Schock sorg­te dafür, dass Coin­ba­se neue Pro­duk­te anbot, wie Cus­t­ody, bei dem Fonds und wohl­ha­ben­de Pri­vat­leu­te ihre Kryp­to­wäh­run­gen gegen gerin­ge Gebüh­ren lagern konn­ten. Par­al­lel wur­den neue Finanz­dienst­leis­tun­gen auf Kryp­to­ba­sis wie Kre­di­te oder Stimm­ab­ga­ben für Block­chains wie Tezos lan­ciert. Als Binan­ce ver­such­te, den Prime-Bro­ker Tago­mi zu kau­fen, wur­de es von Coin­ba­se überboten.

Das größ­te Ver­dienst von Coin­ba­se, so Roberts, lie­ge dar­in, die Lücke zwi­schen ideo­lo­gi­schen Bit­co­in-Anhän­gern und ein­fa­chen Ver­brau­chern geschlos­sen zu haben. Roberts hält es für mög­lich, dass der Kampf um die Vor­herr­schaft in der Finanz­bran­che zwi­schen Unter­neh­men wie Coin­ba­se und JPMor­gan aus­ge­tra­gen wird. Mit von der Par­tie wer­den womög­lich Tech­no­lo­gie­rie­sen wie Ama­zon, face­book oder Apple sein.

Arm­strong sel­ber hat die Befürch­tung, dass die Kryp­to-Unter­neh­men der drit­ten Gene­ra­ti­on, die gut finan­ziert und regu­lie­rungs­kon­form sind, Coin­ba­se & Co. die But­ter vom Brot nehmen.

Fazit

Das Buch ver­schafft den Kryp­to­bör­sen, die in der Bericht­erstat­tung häu­fig noch zu kurz kom­men, den ihnen gebüh­ren­den Platz. Ohne Coin­ba­se & Co. wäre der Erfolg von Bit­co­in und ande­ren Kryp­to­wäh­run­gen wie Ethe­re­um so nicht mög­lich gewe­sen. Erst dadurch, dass  Nor­mal­ver­brau­cher ohne tie­fe Kennt­nis­se der Kryp­to­gra­fie und in der Funk­ti­ons­wei­se der Block­chain Kryp­to­wäh­run­gen auf ein­fa­chem Weg erwer­ben konn­ten, war es mög­lich, die kri­ti­sche Mas­se zu errei­chen. Der Erfolg hat jedoch einen Preis: Ohne Regu­lie­rung und eine enge Zusam­men­ar­beit mit den Auf­sichts- und Regie­rungs­be­hör­den wer­den Kryp­to­bör­sen auf Dau­er nicht über­le­ben. Das zeigt aktu­ell die Sper­rung von Kon­ten ver­däch­ti­ger rus­si­scher Pri­vat­per­so­nen und Orga­ni­sa­tio­nen durch Coin­ba­se, Binan­ce, Kra­ken & Co, um zu ver­hin­dern, dass die Sank­tio­nen der Nato und der EU mit Kryp­to­wäh­run­gen umgan­gen wer­den[1]Kryp­to­bör­sen in der Zwick­müh­le. Eine offe­ne Flan­ke sind die The­men Cyber­se­cu­ri­ty und Fraud. Was das betrifft, besteht bei Coin­ba­se und Binan­ce durch­aus noch Ver­bes­se­rungs­po­ten­zi­al[2]Fraud Binance.com[3]Paki­stan to inves­ti­ga­te Binan­ce for mul­ti-mil­li­on dol­lar cryp­to scam[4]Pro­be into Binan­ce expands to exami­ne pos­si­ble insi­der tra­ding[5]BINANCE SMART CHAIN DEFI HACK – 140 MILLIONEN DOLLAR GESTOHLEN![6]Binan­ce Hack: Bit­co­in-Bör­se ver­liert über 7.000 BTC[7]Coin­ba­se: Hacker erbeu­ten Kryp­to­wäh­rung von Kun­den – trotz 2‑Fak­tor-Authen­ti­fi­zie­rung[8]Coin­ba­se Tra­ding Vul­nerabi­li­ty Expo­sed by White-Hat Hacker. Binan­ce reagiert dar­auf u.a. mit dem Auf­bau eines Ent­schä­di­gungs­fonds in Höhe von 1 Mrd. Dol­lar[9]Binan­ce baut Ent­schä­di­gungs­fonds von 1 Mil­li­ar­de US-Dol­lar auf. Vor weni­gen Wochen erwarb Binan­ce für 200 Mio. Dol­lar einen Anteil an dem Wirt­schafts­ma­ga­zin For­bes[10]Cryp­to exch­an­ge Binan­ce to take $200m sta­ke in For­bes.

Ein ech­tes Pro­blem ist nach wie vor der Kun­den­sup­port, wie ein Blick auf die Bewer­tun­gen bei Trust­pi­lot zeigt. Aus irgend­ei­nem Grund legen Fin­tech- und Kryp­to-Start­ups auf Kun­den­sup­port und Mit­ar­bei­ter­zu­frie­den­heit kei­nen all­zu gro­ßen Wert.

Es bleibt also noch viel zu tun. Wer wis­sen will, wo es noch hakt und wel­ches Poten­zi­al in Kryp­to­wäh­run­gen und Kryp­to­bör­sen noch ste­cken könn­te, für den oder die ist das vor­lie­gen­de Buch der rich­ti­ge Ein­stieg, zumal der Autor bei aller Sym­pa­thie für Kryp­to­wäh­run­gen eine gewis­se kri­ti­sche Distanz wahrt.