Allein in Nordrhein-Westfalen beläuft sich der Schaden durch Geldautomatensprengungen in diesem Jahr bereits auf 10 Mio. Euro. In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden 105 Geldautomaten gesprengt. Kaum eine Stadt oder Gemeinde, die davon nicht betroffen ist. Für das laufende Jahr gehen die Ermittlungsbehörden von einer Verdopplung der Schäden durch Automatensprengungen innerhalb von zwei Jahren aus[1]Geldautomatensprengungen: 2022 schon mehr als 10 Millionen Euro Schaden in NRW. Die Spur der Täter führt häufig in die Niederlande.
Das Bundesinnenministerium hat in dieser Woche dazu einen runden Tisch einberufen[2]Starker Anstieg von Geldautomatensprengungen: Runder Tisch berät Präventionsmaßnahmen.
In der Gemeinsamen Erklärung werden besonders wirksame Präventionsmaßnahmen hervorgehoben, zu deren priorisierter Umsetzung die Deutsche Kreditwirtschaft sich bereit erklärt. Dazu zählt der Nachtverschluss von Selbstbedienungs-Foyers zwischen 23:00 bis 06:00 Uhr, die verstärkte Videoüberwachungvon Bankfilialen sowie der Einsatz von Einbruchmeldetechnik und Nebelsystemen, die Anwendung von Einfärbe- oder Klebesystemen an Banknoten, die Reduktion des Bargeldhöchstbestandes sowie eine vermehrte Sensibilität bei der Auswahl der Geldautomatenstandorte. Bereits in einem halben Jahr werden die Teilnehmenden die Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung evaluieren
In seinem Bundeslagebild 2021 Angriffe auf Geldautomaten konnte das BKA für das Jahr 2021 noch einen Rückgang der physischen Angriffe auf Geldautomaten feststellen.
Folgende Modi Operandi wurden bei diesen Taten laut BKA angewandt:
- Sprengung von Geldautomaten
- Sonstige Öffnung von Geldautomaten mit Winkelschleifern, hydraulischen Spreizern, manuellen Hebelwerkzeugen (z. B. Brecheisen, Spaltkeile) oder thermischen Schneidgeräten (z. B. autogene Schneidbrenner)
- Komplettentwendung von Geldautomaten (durch Herausreißen oder Demontage aus dem Aufstellort)
Bei der Sprengung von Geldautomaten wird überwiegend Explosivsprengstoff verwendet.“Dabei kommen insbesondere pyrotechnische Sätze und Selbstlaborate zum Einsatz”.
Die fallenden Zahlen für das Jahr 2021 lassen sich laut BKA u.a. auf die durch die Corona-Pandemie bedingten Ausgangssperren zurückführen: “Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ein großer Teil der Tatverdächtigen aus den Niederlanden stammt und zu den Taten nach Deutschland einreist, ist der Rückgang der Gesamtfallzahl mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zurückzuführen. In den Niederlanden wurden für den Zeitraum vom 23.01.2021 bis zum 28.04.2021 nächtliche Ausgangssperren angeordnet. Ab dem 24.04.2021 bis zum 30.06.2021 kam es auch in Deutschland regional zu entsprechenden Maßnahmen. Angesichts der vergleichsweise niedrigen Fallzahlen im ersten Halbjahr kann davon ausgegangen werden, dass sich die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auf die Fallzahlen ausgewirkt haben. Im Vergleich dazu nahmen diese im zweiten Halbjahr, insbesondere im letzten Quartal 2021, wieder deutlich zu”.
Verantwortlich für den erneuten Anstieg physischer Angriffe auf Geldautomaten sind u.a. die Erfolge der niederländischen Kriminalpolizei sowie die Präventionsmaßnahmen niederländischer Banken. Dies hat zu einem Verdrängungseffekt geführt, d.h. die Täter sind nach Deutschland ausgewichen: “Da ein verstärkter Strafverfolgungsdruck durch die niederländischen Strafverfolgungsbehörden und vor allem verstärkte Präventionsmaßnahmen seitens niederländischer Finanzinstitute mitunter zu Verdrängungseffekten nach Deutschland geführt haben, wurde die Zusammenarbeit von deutschen und niederländischen Strafverfolgungsbehörden im Phänomenbereich Geldautomatensprengung intensiviert. Um das Kriminalitätsgeschehens einzudämmen, finden regelmäßige Arbeitstreffen sowie koordinierte, gemeinsame Einsatzmaßnahmen – auch unter Einbeziehung europäischer Partner – statt. Gleichzeitig gibt es auf Bundes- und Landes- ebene verschiedene Initiativen, die gemeinsam mit den Geldautomatenbetreibern auf verstärkte Präventionsmaßnahmen in Deutschland hinwirken”[3]Allerdings ist die Zahl der Automatensprengungen in den Niederlanden in diesem Jahr ebenfalls gestiegen, in: Europol reports dramatic increase in ATM explosions across Europe.
Zwei Drittel aller identifizierten Täter stammte 2021 laut Europol aus den Niederlanden. “Es handle es sich demnach meistens um junge Männer in „losen Netzwerken“. Mafiöse Strukturen würden demnach nicht dahinter stecken. „Es ist schwer, diese Gruppen zu infiltrieren, schwer, Informationen aus diesen Gruppen heraus zu bekommen“, so Michael Will, Leiter der Abteilung Eigentumskriminalität bei Europol. Etwa 500 Personen ist die Tätergruppe nach Schätzungen von Europol groß”[4]Geldautomaten-Sprengungen: Bande aus Niederlanden ist „große Bedrohung für Europa“
Die niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann sieht vor allem die Banken in der Pflicht. “Sie erwarte von den Banken, dass sie ihre Automaten entsprechend nachrüsten, betonte Wahlmann. «Solange das nicht passiert, werden die Sicherheitsbehörden und die Justiz weiter mit Automatensprengungen zu tun haben, nur weil Banken ein paar Tausend Euro für Klebesysteme sparen wollen», sagte die Richterin. Dass die Banken in Deutschland diese Techniken bisher nicht einsetzten, sei «unverantwortlich», da bei Sprengungen in gemischten Wohn- und Geschäftshäusern auch über den Banken lebende Menschen gefährdet oder sogar verletzt würden”[5]Justizministerin: Banken sollen Automaten mit Kleber sichern[6]Die Firmen Gexcon und Lockpoint werden mit ihrer Lösung Lockpoint Gryphon, welche verhindert, dass das Bargeld entnommen werden kann, selbst wenn der Tresor gesprengt wurde: Providing protection … Continue reading.
Im Juli konnten deutsche, niederländische und belgische Behörden 13 Bandenmitglieder verhafteten, die nach Bombenanschlägen auf mehrere Geldautomaten in Deutschland über 1,6 Millionen Euro gestohlen hatten[7]Authorities Arrest 13 over German ATM Attacks.
References
↑1 | Geldautomatensprengungen: 2022 schon mehr als 10 Millionen Euro Schaden in NRW |
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↑2 | Starker Anstieg von Geldautomatensprengungen: Runder Tisch berät Präventionsmaßnahmen |
↑3 | Allerdings ist die Zahl der Automatensprengungen in den Niederlanden in diesem Jahr ebenfalls gestiegen, in: Europol reports dramatic increase in ATM explosions across Europe |
↑4 | Geldautomaten-Sprengungen: Bande aus Niederlanden ist „große Bedrohung für Europa“ |
↑5 | Justizministerin: Banken sollen Automaten mit Kleber sichern |
↑6 | Die Firmen Gexcon und Lockpoint werden mit ihrer Lösung Lockpoint Gryphon, welche verhindert, dass das Bargeld entnommen werden kann, selbst wenn der Tresor gesprengt wurde: Providing protection against criminal gas attacks on ATM’s |
↑7 | Authorities Arrest 13 over German ATM Attacks |