Von Ralf Keuper

Die Rol­le des Gel­des als Medi­um ist eine, die bei aller ver­ständ­li­chen Vor­lie­be für die Digi­ta­li­sie­rung oft zu kurz kommt. Damit ist nicht gesagt, die fort­schrei­ten­de Digi­ta­li­sie­rung hät­te kei­ner­lei Ein­fluss auf das Medi­um Geld. Den hat sie sehr wohl. Nur ist es hin und wie­der nötig, sich auf die Funk­ti­on und den Form­wan­del des Gel­des zu kon­zen­trie­ren, so wie es Mar­shall McLuhan in Die magi­schen Kanä­le, Under­stan­ding Media getan hat.

Dort schreibt er u.a.:

Wie Wör­ter oder Spra­che ist Geld ein Spei­cher für gemein­sa­me Arbeits­leis­tung, hand­werk­li­ches Kön­nen und Erfah­rung. Geld ist jedoch auch eine spe­zia­li­sier­te Tech­nik ähn­lich wie die Schrift; und wie die Schrift die visu­el­le Sei­te der Spra­che und der Ord­nung ver­stärkt, und wie die Uhr optisch die Zeit vom Raum trennt, trennt Geld die Arbeit von ande­ren sozia­len Funk­tio­nen. Sogar heu­te noch ist Geld eine Spra­che zur Über­set­zung der Arbeit des Bau­ern in die Arbeit des Fri­seurs, Arz­tes, Inge­nieurs oder Instal­la­teurs. Als umfas­sen­de gesell­schaft­li­che Meta­pher, Brü­cke oder Umwand­ler, beschleu­nigt Geld – wie die Schrift – den Han­dels­ver­kehr und strafft die Ban­de gegen­sei­ti­ger Abhän­gig­keit in der Gemein­schaft. Es gibt poli­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen gro­ße räum­li­che Aus­deh­nung und Kon­trol­le, wie das auch durch die Schrift und den Kalen­der geschieht. Es han­delt sich um Fern­wir­kun­gen, sowohl im Raum wie in der Zeit. In einer hoch­ge­bil­de­ten, ato­mi­sier­ten Gesell­schaft “ist Zeit Geld”, und Geld ist der Spei­cher für die Zeit und Arbeit ande­rer Menschen.

Geld erst hat die arbeits­tei­li­ge Wirt­schaft ermög­licht. Die Tausch­ge­wohn­hei­ten der Stam­mes­ge­sell­schaf­ten konn­ten mit dem Geld über­wun­den wer­den, was wie­der­um nicht ohne Fol­gen für das Zusam­men­le­ben war. Der ent­schei­den­de Schub setz­te jedoch erst mit der Elek­tri­fi­zie­rung ein, die gro­ße räum­li­che Distan­zen zusam­men­schmel­zen ließ und auch den Zeit­fak­tor ver­än­der­te. Das Geld nähert sich damit wie­der – para­do­xer­wei­se – sei­ner alten Funk­ti­on und Form an, die sie in den Stam­mes­ge­sell­schaf­ten hatte:

Heu­te, da durch die in jedem Augen­blick gege­be­ne elek­tri­sche Inter­de­pen­denz aller Men­schen auf die­sem Pla­ne­ten neue Macht­strö­mun­gen ent­ste­hen, ver­liert der visu­el­le Fak­tor in der Gesell­schafts­or­ga­ni­sa­ti­on und per­sön­li­chen Erfah­rung an Bedeu­tung, und Geld wir immer weni­ger als Mit­tel zur Spei­che­rung und zum Aus­tausch von Arbeit und Fähig­kei­ten ver­wen­det. Die Auto­ma­ti­on, die ihrem Wesen nach elek­tro­nisch ist, stellt nicht so sehr kör­per­li­che Arbeit als viel­mehr pro­gram­mier­tes Wis­sen dar. Wenn Arbeit durch blo­ße Infor­ma­ti­ons­be­we­gung ersetzt wird, ver­schmilzt Geld als Arbeits­spei­cher mit den infor­ma­ti­ons­ar­ti­gen For­men des Kre­dits und der Kre­dit­kar­te. Die Ent­wick­lung von der Mün­ze zur Papier­geld­wäh­rung und von der Wäh­rung zur Kre­dit­kar­te stellt ein ste­ti­ges Fort­schrei­ten zum Han­dels­ver­kehr als rei­ne Infor­ma­ti­ons­be­we­gung dar. Die­se Ten­denz zu all­um­fas­sen­der Infor­ma­ti­on kommt in der Art des Leit­bil­des einer Kre­dit­kar­te zum Aus­druck und kommt wie­der dem Cha­rak­ter des Gel­des in Stam­mes­ge­mein­schaf­ten näher. Denn Stam­mes­kul­tu­ren, die eine Spe­zia­li­sie­rung der Beschäf­ti­gung oder Arbeit nicht ken­nen, spe­zia­li­sie­ren auch Geld nicht. Ihr Geld kann geges­sen, getrun­ken oder getra­gen wer­den (ebd.).

Das Geld wird durch die Ver­brei­tung neu­er Medi­en herausgefordert:

Heu­te stellt die Tech­nik der Elek­tri­zi­tät den Geld­be­griff selbst in Fra­ge, da die neue Dyna­mik mensch­li­cher gegen­sei­ti­ger Abhän­gig­keit von zer­le­gen­den Medi­en wie etwa dem Buch­druck auf all­um­fas­sen­de oder Mas­sen­me­di­en wie den Tele­gra­fen über­geht (ebd.).

Heu­te gerät des Geld unter den Ein­fluss der Medi­en­kon­ver­genz. Smart­phones, Smart Wat­ches, Digi­ta­le Geld­bör­sen und P2P-Zah­lun­gen ver­än­dern das Wesen des Gel­des, zumal denn, wenn ande­re For­men wie Gut­schei­ne, Loya­li­täts­pro­gram­me oder digi­ta­le Wäh­run­gen hin­zu kommen.

In der Ver­gan­gen­heit, so McLuhan, schu­fen neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel die Vor­aus­set­zung für die, wenn man so will, Evo­lu­ti­on oder auch Revo­lu­ti­on des Geldwesens:

Kurz vor dem Auf­tre­ten des Papier­gel­des schuf das stark erwei­ter­te Aus­maß von Infor­ma­ti­ons­be­we­gung im euro­päi­schen Brief­ver­kehr und den Zei­tun­gen das Leit­bild und den Begriff des natio­na­len Kre­dits. Ein der­ar­ti­ges kol­lek­ti­ves Image des Kre­dits hing damals und hängt heu­te noch von der raschen und umfas­sen­den Infor­ma­ti­ons­be­we­gung ab, die wir zwei Jahr­hun­der­te lang und län­ger als selbst­ver­ständ­lich betrach­tet haben. Als der öffent­li­che Kre­dit auf­kam, über­nahm das Geld die zusätz­li­che Rol­le der Über­tra­gung nicht nur ört­li­cher Arbeits­re­ser­ven, son­dern der gan­zer Völ­ker von einer Kul­tur auf die ande­re (ebd.)

Ste­hen die Block­chain-Tech­no­lo­gie oder die Per­so­nal Data Eco­no­my für die nächs­te Stu­fe der Infor­ma­ti­ons­be­we­gung? Kann sein. Bis dahin wer­den mobi­le Bezahl­ver­fah­ren die Rol­le des Beschleu­ni­gers und Trans­for­ma­tors über­neh­men und das Feld vor­be­rei­ten. Dadurch wer­den sich das Ban­king und infol­ge­des­sen die Rol­len der Akteu­re und Insti­tu­tio­nen grund­le­gend wandeln.

 

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