Von Ralf Keuper

Nimmt man die Abge­sän­ge in der Wirt­schafts­pres­se und der Fin­Tech-Com­mu­ni­ty zum Maß­stab, dann hat das Bar­geld bald aus­ge­dient. Da die öffent­li­che und die ver­öf­fent­lich­te Mei­nung nicht immer deckungs­gleich sind, kann ein unver­stell­ter Blick auf die Pra­xis nicht scha­den. Dabei wird deut­lich, dass das Bar­geld, allen Schwa­nen­ge­sän­gen zum trotz, deut­lich lang­le­bi­ger und facet­ten­rei­cher ist als viel­fach ange­nom­men. Das hat nicht nur mit Fra­gen des tech­no­lo­gi­schen Fort­schritts zu tun, son­dern auch mit sozio­lo­gi­schen, poli­ti­schen, öko­lo­gi­schen, kul­tu­rel­len aber auch schlicht­weg ökonomischen.

Bar­geld bleibt belieb­tes­tes Zahlungsmittel 

Wenn­gleich die bar­geld­lo­sen Bezahl­ver­fah­ren sich wei­ter durch­set­zen, wird die Hälf­te der Zahl­vor­gän­ge im Ein­zel­han­del mit Bar­geld abge­wi­ckelt [1]Vgl. dazu: Ein­zel­han­del: Jeder zwei­te Euro bar­geld­los. Bei klei­ne­ren Beträ­gen ist der Anteil des Bar­gelds sogar noch höher. Mehr als Drei­vier­tel aller Ein­käu­fe wer­den bar erledigt:

Auch wenn der Umsatz­an­teil der Bar­zah­lun­gen wei­ter gesun­ken ist, heißt dies nicht, dass die Kun­den bald nur noch Kar­ten im Geld­beu­tel mit sich füh­ren. Bar­geld bleibt das belieb­tes­te Zah­lungs­mit­tel deut­scher Kun­den. So wer­den noch 77,2 Pro­zent der Ein­käu­fe bar bezahlt (Vor­jahr 77,9 Pro­zent). Vor allem bei klei­nen Ein­kaufs­be­trä­gen kom­men bevor­zugt Mün­zen und Schei­ne zum Ein­satz. Aus Sicht der befrag­ten Händ­ler wird Bar­geld auch in den kom­men­den fünf Jah­ren bei Beträ­gen unter 30 Euro die domi­nie­ren­de Zah­lungs­art blei­ben, auch wenn der Trans­ak­ti­ons­an­teil suk­zes­si­ve sinkt.

Deutsch­land nicht das ein­zi­ge Bargeldland 

Auch wenn häu­fig ein ande­rer Ein­druck ent­steht, ist Deutsch­land mit sei­ner “Schwä­che” für das Bar­geld nicht allei­ne. In Japan, eben­falls eine fort­ge­schrit­te­ne Tech­no­lo­gie – und Wirt­schafts­na­ti­on (und über­dies eine star­ke Export­na­ti­on wie Deutsch­land) bie­ten vie­le Geschäf­te kei­ne Zah­lung mit Kre­dit- oder Debit­kar­te an. Auf­grund­des­sen sieht sich die japa­ni­sche Regie­rung ver­an­lasst, die Wirt­schaft mit Steu­er­ver­güns­ti­gun­gen und Sub­ven­tio­nen dazu zu brin­gen, bar­geld­lo­se Zah­lun­gen zu unter­stüt­zen. Bis zum Jahr 2025 sol­len 40 Pro­zent aller Zah­lun­gen in Japan bar­geld­los erfol­gen. Eini­ge Beob­ach­ter mut­ma­ßen bereits, dass Japan den Sprung vom Bar­geld auf die Block­chain voll­zie­hen wird [2]Vgl. Springt Japan vom Bar­geld direkt zur Block­chain?. Der Bar­geld­um­lauf in der Euro­zo­ne steigt seit Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich [3]Vgl. dazu: Euro­zo­ne: Bar­geld­um­lauf wächst schnel­ler als die Wirt­schaft. Auch in der Schweiz ist der Bar­geld­um­lauf gemes­sen am BIP recht hoch [4]Vgl. dazu: Kos­ten und Nut­zen des Bar­gelds und unba­rer Zah­lungs­in­stru­men­te.

Poli­ti­sche Implikationen

Die Aus­ga­be von und die Kon­trol­le über Geld ist seit jeher ein Aspekt, auf den die Regie­run­gen und Herr­scher ein Auge gewor­fen haben. In letz­ter Zeit ist häu­fig von einer Poli­tik gegen Spa­rer und Bar­geld­be­sit­zer sowie von Ent­eig­nung die Rede [5]Vgl. dazu: Kom­men­tar: Poli­tik gegen Spa­rer und Bar­geld­be­sit­zer & Bar­geld: So könn­te eine stil­le Ent­eig­nung über Nega­tiv­zin­sen funk­tio­nie­ren. Für vie­le ist Bar­geld ein Stück gepräg­te Frei­heit, die es zu ver­tei­di­gen gel­te [6]Vgl. dazu: Bar­geld ist gepräg­te Frei­heit !?. Eine Ansicht, die nicht von allen geteilt wird [7]Vgl. dazu: Es gibt kein Grund­recht auf Bar­geld.

Öko­no­mi­sche Aspekte

Es gibt auch öko­no­mi­sche Grün­de, die für das Bar­geld spre­chen. Die Bun­des­bank ver­öf­fent­licht in regel­mä­ßi­gen Abstän­den Bei­trä­ge, die sich mit dem Kos­ten-Nut­zen-Aspekt des Bar­gelds beschäf­ti­gen [8]Vgl. dazu: Der Nut­zen von Bar­geld. In ihrer aktu­el­len Stu­die kommt die Bun­des­bank zu dem Ergeb­nis, dass Bar­geld nicht nur das schnells­te, son­dern auch das güns­tigs­te Zah­lungs­mit­tel im Ein­zel­han­del ist [9]Vgl. dazu: Kos­ten der Bar­geld­zah­lung im Ein­zel­han­del. Stu­die zur Ermitt­lung und Bewer­tung der Kos­ten, die durch die Bar­geld­zah­lung im Ein­zel­han­del ver­ur­sacht wer­den.

Mit knapp 24 Cent je Trans­ak­ti­on stel­len Bar­zah­lun­gen der­zeit für den Ein­zel­han­del trans­ak­ti­ons­be­zo­gen die kos­ten­güns­tigs­te Zah­lungs­va­ri­an­te dar. Giro­card-Zah­lun­gen lie­gen jedoch nicht weit davon ent­fernt. SEPA-Last­schrift­zah­lun­gen sind in den zure­chen­ba­ren Trans­ak­ti­ons­kos­ten güns­ti­ger als giro­card-Zah­lun­gen, unter Berück- sich­ti­gung der län­ge­ren Kas­sier­zei­ten jedoch teu­rer. Den­noch sind Last­schrift­zah­lun­gen für vie­le Händ­ler eine belieb­te Alter­na­ti­ve, da Kas­sier­zei­ten nicht immer im Fokus der Kos­ten­be­trach­tun­gen ste­hen. Kre­dit­kar­ten­zah­lun­gen sind in Fol­ge der höhe­ren Trans­ak­ti­ons­kos­ten in jeder Betrach­tung teu­rer als Bar­zah­lun­gen oder giro­card-gestütz­te Zahlungen.

Um hier für mehr Trans­pa­renz für den Ver­brau­cher zu sor­gen, for­dert Tilo Arnold, Seni­or Mana­ger Finan­cial Ser­vices /​ Cash Logi­stics Sales + Enga­ge­ment bei GS1 Ger­ma­ny, daher:

Rich­tig wäre eine Info für den Ver­brau­cher, was die Trans­ak­ti­on gekos­tet hat, zum Bei­spiel auf dem Kassenbeleg.

Dass das Bar­geld durch­aus inklu­si­ve Wir­kun­gen hat, wur­de erst kürz­lich deut­lich, als die Stadt Phil­adel­phia bekannt gab, dass die Geschäf­te der Stadt auch Bar­geld akzep­tie­ren müs­sen [10]Vgl. dazu: Phil­adel­phia in den USA- Geschäf­te müs­sen Bar­geld anneh­men. Damit soll ver­hin­dert wer­den, dass die beträcht­li­che Anzahl der Kun­den ohne Bank­ver­bin­dung vom Wirt­schafts­kreis­lauf aus­ge­schlos­sen wird.

Öko­lo­gi­scher Fuss­ab­druck des Bargelds 

Auch was den öko­lo­gi­schen Fuss­ab­druck betrifft, dürf­te das Bar­geld im Ver­gleich zum unba­ren Zah­lungs­ver­kehr gut abschnei­den. Die Digi­ta­li­sie­rung führt näm­lich zu einem deut­lich stei­gen­den Ener­gie­brauch [11]Vgl. dazu: Wie öko­lo­gisch nach­hal­tig ist das New Ban­king?Strom­hun­ger: Was unser Ver­brauch für Kon­se­quen­zen hat.

Sozio­lo­gi­sche, finanz­psy­cho­lo­gi­sche, recht­li­che und medi­en­wis­sen­schaft­li­che Aspekte

Ein Zah­lungs­mit­tel, das seit Jahr­hun­der­ten zum All­tag der Men­schen gehört, ist auto­ma­tisch eng mit der Gesell­schaft, der Sozi­al­struk­tur, dem Rechts­sys­tem sowie mit dem Ver­hal­ten der Men­schen ver­wach­sen. Die­ses Gefü­ge auf­zu­bre­chen, ist weder tri­vi­al noch unkri­tisch. Aus recht­li­cher Sicht hat u.a. der ehe­ma­li­ge Bun­des­ver­fas­sungs­rich­ter Udo di Fabio Stel­lung bezo­gen [12]Vgl. dazu: Bar­geld­sym­po­si­um 2018: Die Frei­heit des Bür­gers über sein Geld – Udo Di Fabio. In sei­nem Buch Klein­geld. Die ver­bor­ge­ne Sei­te des Gel­des unter­nimmt der Phi­lo­soph und Öko­nom Bir­ger Prid­dat die Ehren­ret­tung des Klein­gel­des. Damit steht er in einer Tra­di­ti­on, die u.a. von Georg Sim­mel, des Haupt­werk Phi­lo­so­phie des Gel­des zum Klas­si­ker wur­de, begrün­det bzw. fort­ge­führt wurde.

Sei­ne Mahnung:

“Geld­kar­ten ent­hal­ten end­li­che Men­gen, die nicht abzähl­bar sind“, warnt er vor Leicht­sinn. „Ihre psy­cho­lo­gi­sche Men­ge ist elas­tisch erwei­ter­bar.“ Genau des­we­gen soll­ten wir das klim­pern­de Klein­geld in der Hosen- oder Hand­ta­sche nicht nied­rig ach­ten: Es gewährt uns eine siche­re Ein­schät­zung unse­rer Ver­hält­nis­se. Auch wenn es dann beim Abzäh­len an der Kas­se mal ein biss­chen lan­ge dauert.

Wenn Geld ein Medi­um ist, dann unter­liegt es den Geset­zen, die für Medi­en – bis­lang jeden­falls – gül­tig sind. Um ein sol­ches han­delt es sich bei de Rie­plschen Gesetz. Es besagt,

, dass kein gesell­schaft­lich eta­blier­tes Instru­ment des Infor­ma­ti­ons- und Gedan­ken­aus­tauschs von ande­ren Instru­men­ten, die im Lau­fe der Zeit hin­zu­tre­ten, voll­kom­men ersetzt oder ver­drängt wird (Quel­le: Wiki­pe­dia).

Bar­geld als Stan­dard und Ökosystem 

Wie facet­ten­reich das The­ma Bar­geld ist, zei­gen u.a. das Pro­gramm sowie die Zahl der Part­ner­un­ter­neh­men der dies­jäh­ri­gen Cash­Con, die von der Stan­dar­di­sie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on GS1 aus­ge­rich­tet wur­de. Ein wich­ti­ges The­ma ist die Bar­geld­lo­gis­tik. Hier liegt nach Ansicht des bereits erwähn­ten Tilo Arnold von GS1 Ger­ma­ny, noch viel (Ver­bes­se­rungs-) Poten­zi­al [13]Vgl. dazu: Bar­geld – Eine Chan­ce für Ban­ken. Ein­heit­li­che Stan­dards für mehr Effi­zi­enz.

Die Bar­geld­bran­che in Deutsch­land und ande­ren Län­dern ist pri­vat­wirt­schaft­li­cher Aus­druck der Viel­schich­tig­keit des Bar­gelds. Dazu zähen zum einen die Her­stel­ler von Geld­au­to­ma­ten wie Die­bold Nix­dorf und NCR, die Her­stel­ler von Bank­no­ten wie G+D, Unter­neh­men für das Bar­geld­ma­nage­ment wie Glo­ry, Die­bold Nix­dorf und CTI, die Cash-Cen­ter-Aus­stat­ter wie G+D und Cash-Recy­ler wie Keba und Die­bold Nix­dorf. Und natür­lich auch die Unter­neh­men aus der Werttransport-Branche.

Die Prä­gung der Mün­zen liegt dage­gen wei­ter­hin aus­schließ­lich in staat­li­cher Hand [14]Vgl. dazu: Prä­ge­stät­ten in Deutsch­land.

Aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht nicht zu unter­schät­zen und alles ande­re als ein Orchi­deen­fach ist die Numis­ma­tik (Münz­kun­de).

Schluss­be­mer­kung

So viel ist sicher: Das Bar­geld wird uns noch lan­ge beglei­ten. Grund dafür ist nicht nur ein Hang zur Nost­al­gie, der bei eini­gen Kom­men­ta­to­ren durch­aus nicht von der Hand zu wei­sen ist. Für das Bar­geld spre­chen der­zeit vie­le Grün­de – vor allem öko­no­mi­sche, aber eben auch gesell­schafts­po­li­ti­sche, kul­tu­rel­le, his­to­ri­sche und sozio­lo­gi­sche. Ein über die Jahr­hun­der­te gewach­se­nes – und alles in allem auch bewähr­tes – gesell­schaft­li­ches Gefü­ge mit mehr oder weni­ger bra­chia­ler Gewalt mit­tels Tech­no­lo­gie erset­zen zu wol­len, ist hoch ris­kant. Zu betrach­ten ist das momen­tan in Schwe­den, das lan­ge Zeit als Para­de­bei­spiel für die Schaf­fung einer bar­geld­lo­sen Gesell­schaft galt [15]Vgl. dazu: In Schwe­den zeigt sich gera­de, wel­che Pro­ble­me die Bar­geld­ab­schaf­fung mit sich bringtWar­um ein Bar­geld-Ver­bot kaum Ver­bre­chen ver­hin­dert.

Inso­fern sind wir gut bera­ten, das The­ma mehr aus Sicht der Evo­lu­ti­on statt der Revo­lu­ti­on zu betrach­ten. Der bar­geld­lo­se Zah­lungs­ver­kehr wird m.E. zwangs­läu­fig zuneh­men – dafür wird u.a. die Ver­brei­tung des Inter­nets der Din­ge sor­gen. Ganz ver­schwin­den wird das Bar­geld in den nächs­ten Jahren/​Jahrzehnten sicher­lich nicht, was aus den genann­ten Grün­den auch nicht wün­schens­wert ist.

Refe­ren­ces

Refe­ren­ces
1 Vgl. dazu: Ein­zel­han­del: Jeder zwei­te Euro bargeldlos
2 Vgl. Springt Japan vom Bar­geld direkt zur Blockchain?
3 Vgl. dazu: Euro­zo­ne: Bar­geld­um­lauf wächst schnel­ler als die Wirtschaft
4 Vgl. dazu: Kos­ten und Nut­zen des Bar­gelds und unba­rer Zahlungsinstrumente
5 Vgl. dazu: Kom­men­tar: Poli­tik gegen Spa­rer und Bar­geld­be­sit­zer & Bar­geld: So könn­te eine stil­le Ent­eig­nung über Nega­tiv­zin­sen funktionieren
6 Vgl. dazu: Bar­geld ist gepräg­te Freiheit !?
7 Vgl. dazu: Es gibt kein Grund­recht auf Bargeld
8 Vgl. dazu: Der Nut­zen von Bargeld
9 Vgl. dazu: Kos­ten der Bar­geld­zah­lung im Ein­zel­han­del. Stu­die zur Ermitt­lung und Bewer­tung der Kos­ten, die durch die Bar­geld­zah­lung im Ein­zel­han­del ver­ur­sacht werden
10 Vgl. dazu: Phil­adel­phia in den USA- Geschäf­te müs­sen Bar­geld annehmen
11 Vgl. dazu: Wie öko­lo­gisch nach­hal­tig ist das New Ban­king?Strom­hun­ger: Was unser Ver­brauch für Kon­se­quen­zen hat
12 Vgl. dazu: Bar­geld­sym­po­si­um 2018: Die Frei­heit des Bür­gers über sein Geld – Udo Di Fabio
13 Vgl. dazu: Bar­geld – Eine Chan­ce für Ban­ken. Ein­heit­li­che Stan­dards für mehr Effizienz
14 Vgl. dazu: Prä­ge­stät­ten in Deutschland
15 Vgl. dazu: In Schwe­den zeigt sich gera­de, wel­che Pro­ble­me die Bar­geld­ab­schaf­fung mit sich bringtWar­um ein Bar­geld-Ver­bot kaum Ver­bre­chen verhindert