Von Ralf Keuper

Wor­in besteht der Sinn des Bank­we­sens? Besteht er dar­in, den Kun­den jeder­zeit Zugang zur ihren Ein­la­gen zu ver­schaf­fen, sie mit Kre­di­ten zu ver­sor­gen, die wirt­schaft­li­che und kul­tu­rel­le Ent­wick­lung der Regi­on zu stär­ken, die Umwelt zu schüt­zen oder ein­fach nur dar­in, die Pro­vi­si­ons- und Zins­er­trä­ge (indem man die Kun­den z.B. mit Zer­ti­fi­ka­ten beglückt) und damit auch die Gewin­ne zu stei­gern? Noch wei­ter gedacht: Ist es sinn­voll, Geld mit Geld zu ver­die­nen, wie in den Jah­ren vor und nach der Finanzkrise?

Seit der Finanz­kri­se befin­det sich die Ban­ken­bran­che nicht nur in einem tief­grei­fen­den Struk­tur­wan­del, son­dern auch in einer Sinn­kri­se. Die Akzep­tanz der Ban­ken in der Gesell­schaft hat nach­ge­las­sen. Der Ban­ken­ver­band sah sich wohl auch des­halb dazu ver­an­lasst, eine ent­spre­chen­de Kam­pa­gne #ohn­eban­ken zu star­ten. Wie dünn die Argu­men­ta­ti­ons­ba­sis inzwi­schen gewor­den ist, zeigt u.a. der Bei­trag Ohne Ban­ken wür­den wir Geld noch mit der Post­kut­sche trans­por­tie­ren.

Inzwi­schen ist über die App der jewei­li­gen Bank auch die Über­wei­sung von unter­wegs ohne wei­te­res mög­lich – mit dem Smart­phone bequem und sicher zugleich. Und auch das Tem­po, mit dem das Geld zum Emp­fän­ger gelangt, hat zuge­legt: Mit der Echt­zeit­über­wei­sung kann sich der Kun­de für eine Zah­lungs­art ent­schei­den, bei der das Geld in maxi­mal 10 Sekun­den als Gut­schrift beim Zah­lungs­emp­fän­ger ver­bucht wird.

Ohne das Smart­phone von Apple und die Apps­to­res von Goog­le und Apple sowie  die ent­spre­chen­den digi­ta­len Öko­sys­te­me, könn­ten die Ban­ken das Geld wohl tat­säch­lich wie­der mit Post­kut­schen trans­por­tie­ren (Vgl. dazu: Apple und Goog­le: Bun­des­bank warnt vor Domi­nanz bei Bezahl­sys­te­men). Damit stellt sich die Fra­ge: Ergibt ein Inter­me­di­är, wie eine Bank, künf­tig über­haupt noch Sinn? Führt er auf Dau­er nicht zu unnö­ti­gen Rei­bungs­ver­lus­ten und Kosten?

Fusio­nen ohne Sinn

Ein The­ma, bei dem sich die Sinn­fra­ge auf­drängt, ist das der Ban­ken­fu­sio­nen. Pro­mi­nen­tes­tes Bei­spiel ist der­zeit die geplan­te Fusi­on von Deut­scher Bank und Com­merz­bank (Vgl. dazu: Fusi­on ohne Sinn : Zusam­men sind Deut­sche Bank und Com­merz­bank auch nicht bes­ser). In den Augen der Öffent­lich­keit ergibt die­se Fusi­on kei­nen erkenn­ba­ren Sinn. Nicht ganz so dra­ma­tisch ver­hält es sich mit den Fusio­nen der Spar­kas­sen und Volks­ban­ken. Aber auch hier stel­len sich vie­le Kun­den und Mit­ar­bei­ter die Fra­ge, ob Fusio­nen tat­säch­lich immer der Weis­heit letz­ter Schluss sind.

Orga­niza­tio­nal Burnout

Eben­so wie Indi­vi­du­en von einer Sinn­kri­se erfasst wer­den kön­nen, die zu einem innern Aus­bren­nen führt, kön­nen auch Orga­ni­sa­tio­nen davon betrof­fen sein. In der Fach­li­te­ra­tur spricht man in dem Zusam­men­hang vom Orga­niza­tio­nal Burn­out (Vgl. dazu: Orga­niza­tio­nal Burn­out trifft auch die bes­ten Ban­ken).

Im Orga­niza­tio­nal Burn­out geht die Dyna­mik ver­lo­ren, denn das Manage­ment kann die wech­seln­den Stra­te­gien kaum noch erklä­ren. Einer­seits steigt der Anspruch von allen an alle, ande­rer­seits soll die Kom­ple­xi­tät redu­ziert wer­den. Einer­seits muss sich die Per­for­mance erhö­hen, ande­rer­seits wird die Regu­lie­rung und das Risi­ko­ma­nage­ment immer schär­fer. Am Ende steht man im Regen, wenn wirk­lich mal etwas schief­geht. Kein Wun­der, dass sich bei den Mit­ar­bei­tern mehr und mehr eine zyni­sche Grund­stim­mung gegen­über der Bank und dem Vor­stand breit macht. Dann wer­den Leis­tungs­fas­sa­den gebaut, Enga­ge­ment simu­liert. Wirk­li­che Inno­va­tio­nen gibt es nicht mehr, jeder kämpft gegen jeden ums Über­le­ben – innen wie außen.

Gemein­wohl­ori­en­tie­rung /​ Genos­sen­schafts­we­sen

Eini­ge Ban­ken haben die Gemein­wohl­ori­en­tie­rung zum Leit­stern ihres Han­delns gemacht, wie die Spar­da Bank Mün­chen, die Ethik­bank oder die GLS Bank. Es scheint so, als sei das Genos­sen­schafts­we­sen beson­ders geeig­net, die Inter­es­sen der ver­schied­nen Bezugs­grup­pen (Kun­den, Lie­fe­ran­ten, Unter­neh­men, Kom­mu­nen, Regio­nen, Umwelt) ange­mes­sen zu berück­sich­ti­gen. Nur – wer legt fest, was dem Gemein­wohl dient und was nicht? Auf die­se Pro­ble­ma­tik wies der Phi­lo­soph Josef Pie­per in Kann das Gemein­wohl Phi­lo­so­phie ent­beh­ren? hin. Eben­so Vik­tor E. Frankl, der Begrün­der der Logotherapie:

Nur die Gemein­schaft gewähr­leis­tet den Sinn der Indi­vi­dua­li­tät der Indi­vi­du­en; aber auch: nur die gewahr­te Indi­vi­dua­li­tät der Indi­vi­du­en gewähr­leis­tet umge­kehrt den Sinn von Gemein­schaft. Dies ist es auch, und nur dies allein, was Gemein­schaft vom blo­ßen Kol­lek­tiv oder gar von der Mas­se unter­schei­det (Quel­le: Der Wil­le zum Sinn).

Gemein­wohl­ori­en­tie­rung allein, so löb­lich ihre Absich­ten auch sein mögen, reicht für ein sinn­vol­les Ban­king daher nicht aus – sie ist jedoch ein wich­ti­ger Schritt.

Ban­king in Sinn­be­zü­gen /​ Ver­bun­den­heit /​ Tran­szen­denz

Ein Geschäft, gleich wel­cher Art, das den Bezug zu sei­ner Umwelt und den Mit­men­schen ver­lo­ren hat, kann auf Dau­er auch öko­no­misch nicht erfolg­reich sein. Der Mensch ist ein sozia­les Wesen – allei­ne ist er nicht über­le­bens­fä­hig. Es gibt immer Situa­tio­nen, die man nur zusam­men bewäl­ti­gen kann. Ein Min­dest­maß an per­sön­li­cher und regio­na­ler Ver­bun­den­heit ist nötig, um der Sinn­lee­re zu entgehen:

Das Gefühl der Erfül­lung, das man durch eine posi­ti­ve und unter­stüt­zen­de Inter­ak­ti­on mit Din­gen, mit ande­ren Geschöp­fen (oder ande­ren Berei­chen) bekommt, deren Lie­be ver­dient erscheint, ist ein ganz wun­der­vol­les Gefühl – viel wert­vol­ler in rein qua­li­ta­ti­ver Hin­sicht als vie­le ande­re Lust­ge­füh­le und der Mühe wert, sehr viel Anstren­gung hier­auf zu ver­wen­den. Dar­über hin­aus kann das Bewusst­sein, auch wenn es nur unklar und nicht ganz arti­ku­liert ist, gar nichts zu haben, das einem irgend­ei­nen Stolz geben könn­te oder irgend­ei­nen Kon­takt zu etwas Wert­vol­lem außer­halb der eige­nen Per­son, ein furcht­ba­res Bewusst­sein sein, das einen leicht reiz­bar und ruhe­los macht und zu Selbst­ver­ach­tung führt (Quel­le: Sus­an Wolf: Glück und Sinn: Zwei Aspek­te des guten Lebens, in: Was ist ein gutes Leben? Phi­lo­so­phi­sche Refle­xio­nen, hrsg. von Hol­mer Steinfath)

So wie der Ein­zel­ne, so sind auch Orga­ni­sa­tio­nen dann am schöp­fe­rischs­ten, wenn sie ihre Hand­lun­gen in Sinn­be­zü­gen vollziehen.

Ban­king – weit­aus mehr als Digi­ta­li­sie­rung, Cus­to­mer Jour­ney und Technologie

Der Sinn des Ban­king lässt sich nicht auf die “Digi­ta­li­sie­rung”, die Cus­to­mer Jour­ney oder Fra­gen der Tech­no­lo­gie redu­zie­ren, wie das eini­ge Prot­ago­nis­ten aus der Fin­tech-Sze­ne noch immer pro­pa­gie­ren. Das ist in jeder Hin­sicht zu wenig. Gera­de Fin­tech-Start­ups müs­sen erst noch zei­gen, wie sinn­voll ihr Bei­trag zum Woh­le des Gan­zen ist. Bis­lang haben sie es, wenn über­haupt, nur ver­mocht, ein­zel­ne Tei­le zu opti­mie­ren. Bei aller berech­tig­ten Kri­tik an den Ban­ken und Spar­kas­sen, so bleibt doch fest­zu­hal­ten, dass vor allem die Regio­nal­ban­ken durch ihr Enga­ge­ment in der jewei­li­gen Kommune/​Region eini­ges zur all­ge­mei­nen Wohl­fahrt beitragen.

Ban­ken und Fin­tech-Start­ups haben die Auf­ga­be, ihren Mit­ar­bei­tern und Kun­den ein Umfeld zu bie­ten, in dem sie Sinn erfah­ren kön­nen (Vgl. dazu: Sinn vor Gewinn“Arbeit muss einen Sinn für uns haben”).

Bera­tungs­be­darf für Banken

Erfolg­rei­ches Ban­king ist dem­nach sinn­stif­tend. Wie in Fra­gen der Digi­ta­li­sie­rung benö­ti­gen Ban­ken auch hier Bera­tung. Bei­spiel­haft dafür ist Frei­ban­ker, nach mei­nem Wis­sens­stand die ein­zi­ge Bera­tung, die sich expli­zit an Ban­ken und Ban­ker wendet.