Von Ralf Keuper

Spä­tes­tens seit den Arbei­ten von Mar­shall McLuhan wer­den tech­ni­sche Arte­fak­te als Nach­bil­dung und Ver­län­ge­rung mensch­li­cher Orga­ne inter­pre­tiert. Der Vor­läu­fer McLuhans, Ernst Kapp, führ­te den Begriff der Organ­pro­jec­tion in die Medi­en­wis­sen­schaf­ten ein. Für ihn waren die ers­ten Werk­zeu­ge, wie der Ham­mer, Nach­emp­fin­dun­gen der Hand. Der Ham­mer stel­le eine Pro­jek­ti­on des Unter­arms mit geball­ter Faust dar. Für Kapp ist der Mensch das Maß aller Din­ge, d.h. die Organ­pro­jek­ti­on ist auf die schöp­fe­ri­sche Kraft des Men­schen und die Evo­lu­ti­on ange­wie­sen (Vgl. dazu: Ernst Kapp – Mit-Begrün­der der moder­nen Medi­en­theo­rie). 

In der Gene­tik bie­tet der Phä­no­typ ein wei­te­res Erklä­rungs­mo­dell für die Über­tra­gung mensch­li­cher Fähig­kei­ten und Glie­der auf Maschinen. 

Der Phä­no­typ wird durch das Zusam­men­wir­ken von Erb­an­la­gen und Umwelt­fak­to­ren (Modi­fi­ka­ti­on) bestimmt. Inwie­weit der Phä­no­typ durch Umwelt­ein­flüs­se beein­fluss­bar ist, hängt von der Reak­ti­ons­norm ab. Die­se Mög­lich­keit, auf Umwelt­ein­flüs­se zu reagie­ren, ist durch den Geno­typgene­tisch fest­ge­legt (Quel­le: Wiki­pe­dia

In sei­nem Buch Der erwei­ter­te Phä­no­typ. Der lan­ge Atem der Gene führ­te Richard Daw­kins den Exten­det Phe­no­ty­pe ein. 

Im klas­si­schen Sin­ne ist der Phä­no­typ die Sum­me aller äußer­lich fest­stell­ba­ren Merk­ma­le eines Indi­vi­du­ums, jedoch will Daw­kins mit sei­ner Defi­ni­ti­on des Exten­ded Phen­toy­pe die Sum­me aller Effek­te eines Gens beschrei­ben (Quel­le: Wiki­pe­dia). 

In When Iden­ti­ty Beco­mes an Algo­rithm. Medi­ta­ti­ons on AI, Rein­force­ment Lear­ning and the Exten­ded Phe­no­ty­pe ver­sucht Aaron Krumins das Kon­zept des Exten­ded Phe­no­to­pye auf die Digi­ta­len Iden­ti­tä­ten zu übertragen. 

As peo­p­le iden­ti­fy more stron­gly with their non-bio­lo­gi­cal exten­ded phe­no­ty­pe, i.e. social media per­so­nas and the algo­rith­ms that run them, their inte­rests will to a lar­ge degree be modu­la­ted by the inte­rests and requi­re­ments of this exten­ded phe­no­ty­pe. The needs per­tai­ning to main­tai­ning one’s Face­book iden­ti­ty could in fact pre­do­mi­na­te over the inte­rests of the genes. We alre­a­dy have examp­les of this in the form of video game play­ers who have for­got­ten to feed them­sel­ves or their fami­ly by iden­ti­fy­ing so stron­gly with the goals of cha­rac­ters within the game.

Da der Ein­fluss der erwei­ter­ten Phä­no­ty­pen (Pro­fi­le in den sozia­len Netz­wer­ken und Algo­rith­men) auf das Ver­hal­ten nicht unter­schätzt wer­den darf, plä­diert Krumins für ein Inven­tar aller erwei­ter­ter Phä­no­t­o­pen, mit denen der Nut­zer in irgend­ei­ner Form interagiert.

A careful inven­to­ry of one’s exten­ded phe­no­ty­pe, and various inte­rest groups who­se influence or con­trol it is under, is per­haps the most under explo­red regi­on of our edu­ca­ti­on today. When we walk into a friend’s house and ask for the wifi pass­word, who­se inte­rests are we serving—those of our genes, our brain, or of our exten­ded phe­no­ty­pe in the form of the Face­book app? By fai­ling to rea­li­ze that are all dif­fe­rent enti­ties coha­bi­ting within our exten­ded phe­no­ty­pe, we easi­ly fall under the thr­all of the one with the lou­dest agen­da. Cer­tain­ly, the brain and body must sign off on the order to ask for a WIFI pass­word, sin­ce they repre­sent cho­ke points in the decis­i­on pro­cess. Howe­ver, the real string pul­ler may be the Face­book app when we find our­sel­ves diver­ted to cli­cking on ads after we get online.

Die Idee mit dem Inven­tar hat was. Wir benö­ti­gen in Zukunft Appli­ka­tio­nen, die uns eine Über­sicht der Gerä­te, Algo­rith­men und Arte­fak­te gibt, die in irgend­ei­ner Form unser Ver­hal­ten und unse­re Iden­ti­tät beein­flus­sen, viel­leicht sogar bestim­men. Denk­bar sind Insti­tu­tio­nen, die ent­spre­chen­de Dienst­leis­tun­gen anbie­ten, wie Per­so­nal Data Banks, Iden­ti­ty Banks oder Algo­rith­mic Angels. 

Wei­te­re Informationen:

Die post­ge­no­mi­sche Ära: Die Renais­sance des Phänotyps

Cross­post von Iden­ti­ty Economy