Von Ralf Keuper
Das Bild der Banken in der öffentlichen Wahrnehmung hat sich in den letzten Jahren, nicht zuletzt als Folge der Finanzkrise, gewandelt. Zusätzlich führt die Digitalisierung in der Wirtschaft zu einer Disintermediation im Banking, d.h. Dienstleistungen, die bisher unter die Hoheit der Banken fielen, werden nun von neuen, spezialisierten Unternehmen, wie FinTech-Startups, nicht selten zu deutlich geringeren Transaktions- und Suchkosten angeboten.
Parallel dazu deutet sich auf der begrifflichen Ebene ein Bedeutungswandel an, in dessen Verlauf die Rolle der Banken in Wirtschaft und Gesellschaft neu definiert wird.
Je nachdem, welche historische Perspektive man wählt, fällt die Bewertung der Funktion aus, die Banken im Wirtschaftskreislauf ausüben. Das Bankgeschäft in seiner modernen Form als Erste ausgeübt, haben wohl die Templer im Mittelalter.
Wie Catherine Palmieri in ihrem Beitrag To an Analog Banker in a Digital World schreibt, reduzierten die Templer das Bankgeschäft, wie man heute sagen würde, auf seinen Kern. Die Besonderheit ihres “Service”, die Innovation, bestand darin, die sichere Verwahrung der Kundengelder zu garantieren und den Zugriff, unabhängig davon, wo das Geld deponiert wurde, im Bedarfsfall zu gewährleisten. Der Begriff “Bank” tauchte erst später in Italien auf.
Heute sind die Banken integraler Bestandteil des Wirtschaftskreislaufs. Zu ihrer Aufgabe, die Kundengelder sicher zu verwahren und im Bedarfsfall verfügbar zu machen, ist eine gesamtwirtschaftliche hinzugekommen, die häufig als “Fristentransformation” oder auch “Risikotransformation” bezeichnet wird. Als Kapitalsammelstellen sorgen die Banken – im Idealfall und stark vereinfacht ausgedrückt – für einen Ausgleich von Einlagen und Krediten; sie handeln, wie Niklas Luhmann und sein Schüler Dirk Baecker es nüchtern ausdrücken, mit Zahlungsversprechen. Obwohl die Banken, oder um genauer zu sein, einige von ihnen dieser Aufgabe im Vorfeld der Finanzkrise nicht mit der erforderlichen Umsicht nachgekommen sind, genießen sie heute den Status der “Systemrelevanz”. Das ist eine neue begriffliche Dimension.
Auf der einen Seite haben wir also das Phänomen, dass die Disintermediation langsam aber sicher voranschreitet, die klassischen Finanzintermediäre Funktionen abgegeben, während wir auf der anderen Seite feststellen, dass einige Banken “systemrelevant” geworden sind – eine widersprüchliche Entwicklung.
Die alten Begriffe, Vorstellungen darüber, was eine Bank ist, passen immer weniger zur neuen Situation/Konstellation.
Die Bank, die alles aus einer Hand anbietet, die als “Hüterin des Geldes” auftritt, könnte, auch wenn sie in der allgemeinen Vorstellung und auch in der Praxis noch einige Zeit fortbestehen wird, obsolet werden. Damit wird sich die Vorstellung dessen, was eine Bank ausmacht, wandeln. Die Zahl alternativer Anbieter für die Abwicklung von Finanzgeschäften, die Stilarten im Banking, die Artenvielfalt – sie nehmen zu. Allein schon aus wettbewerbspolitischen Gründen wird die Regulierung diesem Wandel früher oder später Rechnung tragen.
Vielleicht verstehen wir unter einer “Bank” künftig einen “Service Provider” oder einen “Trusted Advisor”. Jürgen Ponto brachte vor Jahrzehnten die Bezeichnung “Consulting Financial Engineers” ins Gespräch. Das Banking dagegen, die Interaktion mit den Kunden über die digitalen Kanäle, das Massengeschäft, findet woanders statt. Oder kommt doch die “Superbank”?
Tritt demnächst die Bank als digitale Plattform an die Stelle der klassischen, stationären?