Von Ralf Keuper

Bei dem Werk han­delt es sich um alles ande­re als “nur” um eine Fest­schrift. Dabei reicht das Spek­trum weit über den enge­ren Bereich des Bank­we­sens hin­aus und man bekommt qua­si neben­bei, indi­rekt einen Ein­blick in die Geschich­te Deutsch­lands jenes Zeit­raums. Häu­fig lässt sich durch Wer­ke wie der vor­lie­gen­den Fest­schrift mehr über Geschich­te ler­nen, als aus den Schrif­ten der Historikerzunft.

Aus dem Vorwort:

Die Mit­te des 19. Jahr­hun­derts ist die Zeit der auf­stre­ben­den Volks­wirt­schaf­ten und des begin­nen­den Welt­han­dels. Die Finanz­kraft des Pri­vat­ban­kiers genüg­te nicht mehr den Auf­ga­ben, die sich der Unter­neh­mer­geist auf allen Gebie­ten wirt­schaft­li­cher Betä­ti­gung für die Durch­füh­rung sei­ner Plä­ne dar­stell­te. So kam es in den fünf­zi­ger Jah­ren des vori­gen Jahr­hun­derts, meist durch die Initia­ti­ve von Pri­vat­ban­kiers, zu der Grün­dung von Ban­ken in Gesell­schafts­form. Jener Zeit ver­dankt auch die als Kom­man­dit­ge­sell­schaft auf Akti­en gegrün­de­te Ber­li­ner Han­dels-Gesell­schaft ihre Entstehung. …

Aus der Einleitung:

Das Ban­ken­sys­tem eines Lan­des ist das Ergeb­nis eines his­to­ri­schen Ent­wick­lungs­pro­zes­ses, an dem Poli­tik und Wirt­schaft eben­so mit­ge­formt haben wie jede ein­zel­ne Bank, wann immer sie frü­her oder spä­ter auch ent­stan­den sein mag. Das eng­li­sche Ban­ken­sys­tem ent­wi­ckel­te sich ursprüng­lich aus dem Geschäft der Lon­do­ner Gold­schmie­de, die für das ihnen zur Auf­be­wah­rung anver­trau­te Edel­me­tall Quit­tun­gen aus­stell­ten und die­se sowohl als Zah­lungs­mit­tel als auch als Kre­dit­mit­tel ver­wen­de­ten. Die >Depo­si­ten­bank< ist daher nicht von selbst das Urbild der eng­li­schen Ban­ken gewor­den. Anders war es auf dem euro­päi­schen Kon­ti­nent. Hier präg­te der Pri­vat­ban­kier in der Zeit der abso­lu­ten Fürs­ten und der kaum weni­ger abso­lu­ten Stadt­re­pu­bli­ken den vor­herr­schen­den Banktyp.

Aber wäh­rend in Eng­land das kon­sti­tu­tio­nel­le Prin­zip auch und gera­de das Bank­we­sen ein­be­griff und das eng­li­sche Ban­ken­sys­tem mit einer staats­un­ab­hän­gi­gen Noten­bank an der Spit­ze zum Finanz­zen­trum der Welt machen soll­te, blieb es auf dem Kon­ti­nent erst der libe­ra­len Revo­lu­ti­on von 1848 vor­be­hal­ten, die engen Bezie­hun­gen zwi­schen >Staat< und Pri­vat­ban­kier auf­zu­lo­ckern. Die indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on in Eng­land fand ein im Grun­de schon geform­tes Ban­ken­sys­tem vor. Der Kon­ti­nent muß­te sich erst mit die­ser poli­ti­schen Revo­lu­ti­on von einer staat­li­chen Bevor­mun­dung frei­ma­chen, bevor die indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on ein­set­zen konn­te. Als das geschah, muß­ten ent­spre­chen­de Finan­zie­rungs­in­sti­tu­te erst geschaf­fen wer­den. Nicht von unge­fähr sind so die heu­ti­gen deut­schen Ban­ken als Kin­der der poli­ti­schen und indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on geboren.

Aber Kin­der wach­sen nicht nur her­an, neh­men auf und ver­ar­bei­ten, was Zeit und Umwelt ihnen bie­ten – sie wer­den eines Tages auch selb­stän­dig, wir­ken mit und gestal­ten. Fak­tor und Pro­dukt wech­seln sich ab – und wenn Geschichts­schrei­bung einen leben­di­gen Sinn haben soll, dann kann sie es nur, wenn sie sich an die­se Wech­sel­wir­kun­gen hält. Sicher kön­nen der Ein­zel­ne wie das ein­zel­ne Unter­neh­men nicht ver­stan­den wer­den ohne die Umwelt und die Zeit, aus der sie kom­men, aber ebe­nos­we­nig kön­nen Zeit und Umwelt begrif­fen wer­den ohne die Ein­zel­nen, die sie ein­grei­fend und umwan­delnd mit­ge­prägt haben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert