Von Ralf Keuper

Immer wie­der ist zu lesen, die Ban­ken müss­ten sich in Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men ver­wan­deln, wenn sie auf Dau­er noch eine rele­van­te Rol­le im digi­ta­len All­tag der Kun­den spie­len wol­len. Nur – wel­che Art von Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men sol­len die Ban­ken wer­den? Bei Wiki­pe­dia heisst es:

Als Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men wer­den Unter­neh­men bezeich­net, deren Geschäfts­mo­dell in beson­de­res hohem Maße auf For­schungs- und Ent­wick­lungs­tä­tig­keit beruht. Sie sind beson­ders inno­va­tiv und erzie­len ihren Umsatz haupt­säch­lich mit neu ent­wi­ckel­ten Pro­duk­ten und Ver­fah­ren. Typisch für Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men sind ein rela­tiv hohes wirt­schaft­li­ches Risi­ko, da die genutz­ten tech­ni­schen Ver­fah­ren noch nicht voll­stän­dig erprobt sind, aber auch beson­ders hohe Chan­cen durch ihre auf Inno­va­tio­nen beru­hen­de Alleinstellung.

Was gäbe es dabei für eine Bank zu gewin­nen? Wor­auf soll­te eine Bank ihre For­schungs- und Ent­wick­lungs­tä­tig­kei­ten kon­zen­trie­ren – KI, Block­chain, Machi­ne Lear­ning, Soft­ware, Hard­ware? Wie­vie­le Pro­duk­te mit hohem Inno­va­ti­ons­po­ten­zi­al und gerin­gem Rei­fe­grad kön­nen Ban­ken in rela­tiv kur­zer Zeit auf den Markt brin­gen, wel­che Risi­ken sind in einem regu­lier­ten Umfeld noch trag­bar – sowohl für die Bank wie auch für die Kun­den? Die Emp­feh­lun­gen sind nicht sel­ten schwam­mig (Vgl. dazu: Wie Ban­ken zu Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men trans­for­mie­ren) & Was Ban­ken und Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men ver­bin­det). Es bleibt bei Schlag­wor­ten und Flos­keln (“Digi­ta­li­sie­rungs­stra­te­gie”, “Cus­to­mer Jour­ney”, “Tech­no­lo­gie DNA”, “Pro­zess­au­to­ma­ti­sie­rung”). Unklar ist, ob die Ban­ken neue Tech­no­lo­gien anwen­den oder sel­ber her­stel­len sol­len. Im ers­ten Fall wür­de sich am Sta­tus quo nicht all­zu ver­än­dern, denn Ban­ken haben schon in der Ver­gan­gen­heit neue Tech­no­lo­gien gezielt zur Ver­bes­se­rung der ope­ra­ti­ven Pro­zes­se wie auch im Kun­den­kon­takt (Cus­to­mer Jour­ney zum dama­li­gen Zeit­punkt) ein­ge­setzt (Vgl. dazu: The Code of Ban­king: Als die Spar­kas­sen Vor­rei­ter bei der Digi­ta­li­sie­rung waren). Ob damit immer die gewünsch­ten Ergeb­nis­se erzielt wur­den, sei dahin gestellt. Soll­te der zwei­te Fall zutref­fen, dann müss­ten Ban­ken sel­ber in die Pro­duk­ti­on neu­er Tech­no­lo­gien und Ver­fah­ren ein­stei­gen – nur, wie soll das gehen? Ban­ken als Her­stel­ler von Betriebs­sys­te­men, die es mit Android und iOS auf­neh­men kön­nen? Smart­phones, die von Ban­ken pro­du­ziert wer­den, Medi­en­an­ge­bo­te und sozia­le Netz­wer­ke sowie Sprach­as­sis­ten­ten? Solan­ge die Ban­ken ihre digi­ta­le Sou­ve­rä­ni­tät wenigs­tens nicht in Tei­len wie­der erlangt haben, sind alle For­de­run­gen nach einer Trans­for­ma­ti­on der Ban­ken in Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men rela­tiv sinn­frei – es han­delt sich eher um die Trans­for­ma­ti­on als Anwen­der neu­er Tech­no­lo­gien aber nicht um eine Ver­wand­lung der Ban­ken in Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men – inso­fern alter Wein in neu­en Schläuchen.

Viel­mehr müss­ten sich die Ban­ken wie­der als Informationsverarbeitungs‑, Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Medi­en­un­ter­neh­men begrei­fen. Heut­zu­ta­ge, wo der Anteil der imma­te­ri­el­len Güter an der Wert­schöp­fung bei nahe­zu 50 Pro­zent des Brut­to­in­lands­pro­dukts liegt, wird der Wett­be­werb auf der bran­chen­über­grei­fen­den Infor­ma­ti­ons­schicht aus­ge­tra­gen. Dabei sind Tech­no­lo­gien nur Mit­tel zum Zweck – wie bei Goog­le, Apple und Ama­zon. Es geht um die Beherr­schung von Infor­ma­ti­on als Pro­duk­ti­ons­fak­tor und damit um die Durch­set­zung neu­er Ideen und Pro­duk­ti­ons­funk­tio­nen (Vgl. dazu: New Ban­king trifft Pop­pers Drei-Wel­ten-Leh­re #2).

Von dem ehe­ma­li­gen Deut­sche Bank-Vor­stand Eck­hart van Hoo­ven stammt die Aus­sa­ge, die Ban­ken hät­ten sich in rie­si­ge Kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­neh­men zu wan­deln, deren Auf­ga­be dar­in bestünde

zuver­läs­si­ge Daten zu kom­mu­ni­zie­ren und damit Aus­kunft zu geben über alles, was den Umgang mit Geld betrifft.

Hin­zu­fü­gen wäre heute

über alles, was den Umgang mit Geld, Daten, Iden­ti­tä­ten und digi­ta­len Ver­mö­gens­wer­ten betrifft.

Die Ban­ken haben nicht des­halb den Anschluss an die Digi­ta­li­sie­rung ver­lo­ren, weil sie nicht genü­gend Tech­no­lo­gien ver­wen­det hät­ten – die Ban­ken sind seit Jahr­zehn­ten die größ­ten Kun­den der Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men und IT- und Stra­te­gie­be­ra­ter – mit dem bekann­ten Ergeb­nis. Das soll­te eigent­lich zu den­ken geben.

Sie haben es in letz­ten 30 Jah­ren – aus was für Grün­den auch immer – unter­las­sen, sich auf ein gemein­sa­mes Vor­ge­hen zu eini­gen, wie den Her­aus­for­de­run­gen des Inter­net, ins­be­son­de­re mit Blick auf den Zah­lungs­ver­kehr, zu begeg­nen ist (Vgl. dazu:Die Geschich­te der EC-Kar­te und des Euro­che­que als Mah­nung und Inspi­ra­ti­on für die euro­päi­sche Kre­dit­wirt­schaft) Eben­so haben sie die Bedeu­tung gemein­sa­mer Stan­dards für ihr Geschäft deut­lich unter­schätzt. (Vgl. dazu: Tech­no­lo­gie- und Indus­trie­stan­dards beschleu­ni­gen die “Ban­ken­däm­me­rung” #1). Die Ban­ken sind an orga­ni­sa­to­ri­schen (z.B. das Ver­bund­mo­dell der Spar­kas­sen und z.T. auch der Genos­sen­schafts­ban­ken) und stra­te­gi­schen Fra­gen geschei­tert – und nicht des­halb, dass sie zu wenig Tech­no­lo­gien ein­ge­setzt und den Wan­del in Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men nicht voll­zo­gen hätten.

Solan­ge sich dar­an nichts ändert, wer­den die bes­te Cus­to­mer Jour­ney, die schöns­te IT-Land­schaft und die effi­zi­en­tes­ten Pro­zes­se ihre Wir­kung ver­feh­len. Sofern die alten Denk­ka­te­go­rien und Denk­mus­ter nicht über­wun­den wer­den, han­delt es sich um den ver­geb­li­chen Ver­such, die alte Welt mit Hil­fe kos­me­ti­scher Mit­tel, dekla­riert als digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on, zu kon­ser­vie­ren, oder wie Ted Levitt es ausdrückt:

Most mana­gers mana­ge for yesterday’s con­di­ti­ons, becau­se yes­ter­day is whe­re they got their expe­ri­en­ces and had their suc­ces­ses. But manage­ment is about tomor­row, not yes­ter­day. Tomor­row con­cerns what should be done, not what has been done. “Should” is deter­mi­ned  by the exter­nal envi­ron­ment – what com­pe­ti­tors (old, new, and poten­ti­al) can and might do, the choices this will give cus­to­mers and tho­se who advi­se or direct cus­to­mers, the rules con­stant­ly being made by govern­ments and other  play­ers, demo­gra­phic chan­ges, advan­ces in gene­ra­li­zed know­ledge and tech­no­lo­gy, chan­ging eco­lo­gy and public sen­ti­ment and the like (in: Thin­king about management).