Von Ralf Keuper

Der ehe­ma­li­ge BDI-Chef Hans-Olaf Hen­kel sag­te ein­mal in einem Interview:

Wenn ich Akti­en eines Unter­neh­mens habe, des­sen Chef gera­de zum “Mana­ger des Jah­res” gewählt wur­de, pfle­ge ich sie sofort zu ver­kau­fen[1]Hans-Olaf Hen­kel im Inter­view – “Wir bräuch­ten mehr Wie­dekings”.

Die­sen Rat zu befol­gen, hät­te eini­gen Aktio­nä­ren von Wire­card viel Kum­mer erspart. Der Zeit­punkt zum Absprung war Ende 2018 gekom­men, als das Han­dels­blatt Wire­card-Chef und ‑Grün­der Mar­kus Braun zum Auf­stei­ger des Jah­res kür­te[2]Wire­card-Chef Mar­kus Braun – Ein Hauch von Sili­con Val­ley. Als nur kur­ze Zeit spä­ter die Finan­cial Times von Unre­gel­mä­ßig­kei­ten bei Wire­card berich­te­te[3]Wire­card vs Finan­cial Times – The sto­ry, which lead to a spe­cial audit of Germany’s lar­gest lis­ted Fin­tech, schloss die Mehr­zahl der hie­si­gen Medi­en fest die Rei­hen[4]Wire­card affair shows up Ger­man ten­den­cy to clo­se ranks.

Noch im August 2018 sah Franz Nest­ler in dem Unter­neh­men ein ermu­ti­gen­des Signal[5]Wire­card und die FAZ für den Stand­ort Deutsch­land[6]Wire­card, eine Ermu­ti­gung. Ein Jahr vor­her ver­fass­te Tho­mas Klemm, eben­falls in der FAZ, den Bei­trag Die cle­ve­ren Jungs von Wire­card.

Es gibt noch wei­te­re Bei­spie­le[7]Eini­ge Por­träts beweg­ten sich nahe am Kitsch, eine Mischung aus Gala und Bun­te, wie z.B. Wire­card-Chef Mar­kus Braun: Aus dem Nichts zum Mil­li­ar­där, Wire­card-Chef Mar­kus Braun ver­tei­digt sein … Con­ti­nue rea­ding. Ste­phan Dör­ner schrieb im August 2018 einen Bei­trag mit dem Titel Was die deut­sche Wirt­schaft vom Wire­card-Auf­stieg ler­nen kann. Jetzt wis­sen wir, was sie nicht davon ler­nen kann. Im Febru­ar 2019 glaub­te Hol­ger Zsch­äpitz noch Argu­men­te fin­den zu kön­nen, die für Wire­card spra­chen. Er sel­ber riet aller­dings von einem Invest­ment ab.

Bereits im Jahr 2010 stell­te die Otto Bren­ner Stif­tung in der Stu­die Wirt­schafts­jour­na­lis­mus in der Kri­se gra­vie­ren­de Defi­zi­te in der Bericht­erstat­tung im Vor­feld der Finanz­kri­se fest:

So wur­de vom Wirt­schafts- und Finanz­jour­na­lis­mus die Per­spek­ti­ve der Anle­ger und Anbie­ter sehr, die der Gesell­schaft, Volks­wirt­schaft und All­ge­mein­heit kaum bear­bei­tet in den ver­gan­ge­nen Jah­ren. Das hat auch wesent­li­che struk­tu­rel­le Ursa­chen. Dazu zählt unter ande­rem die Annah­me, dass die Per­spek­ti­ve der Anbie­ter und Anle­ger sehr viel eher zu den gän­gi­gen Nach­rich­ten­wer­ten (u.a. Per­so­na­li­sie­rung, Emo­tio­na­li­sie­rung, Dra­ma­ti­sie­rung, Pola­ri­sie­rung, Bou­le­va­ri­sie­rung) ‚passt‘ als ande­re Perspektiven.

Es han­delt sich jedoch nicht nur um ein rein deut­sches Phä­no­men[8]Fin­tech und die Ver­ant­wor­tung der Medi­en, obschon die Nei­gung zum Sto­ry-Tel­ling auch nach Relo­ti­us hier­zu­lan­de noch immer stark aus­ge­prägt ist.

Als die Finan­cial Times unge­ach­tet der Dro­hun­gen von Wire­card wei­te­re kri­ti­sche Bei­trä­ge ver­öf­fent­lich­te und dabei ein hohes Risi­ko ein­ging, setz­te in den deut­schen Medi­en ein Umden­ken ein.

Eine nicht son­der­lich glück­li­che Rol­le in der Cau­sa Wire­card hat die BaFin gespielt. Im Febru­ar 2019 sah sie sich gezwun­gen, Wire­card vor den Leer­ver­käu­fern in Schutz zuneh­men. Spä­ter erstat­te­te die BaFin sogar Anzei­ge gegen die Finan­cial Times wegen des Ver­dachts auf Markt­ma­ni­pu­la­ti­on[9]Bafin ver­däch­tigt „FT“-Journalisten im Fall Wire­card.

Über die Rol­le der Akti­en­ana­lys­ten brau­chen wir kei­ne Wor­te ver­lie­ren[10]Ein Bei­spiel stell­ver­tre­tend für vie­le: Wire­card Aktie: ERNEUT star­ke Ant­wort an die Medi­en – der nächs­te Schlag!. Bereits 2019 bezeich­ne­te eine Ana­lys­tin der Com­merz­bank den Bericht der … Con­ti­nue rea­ding.

Kei­ne gute Figur gab die hie­si­ge Start­up-Sze­ne ab. Bis fast zuletzt hielt man Wire­card die Treue[11]Die Stim­mung unter den Wire­card-Fans hat sich gedreht. Wire­card soll­te das Para­de­bei­spiel eines erfolg­rei­chen Unter­neh­mens sein, das die Chan­cen der Digi­ta­li­sie­rung für sich zu nut­zen weiß. Die Erklä­rungs­ver­su­che von Frank The­len wir­ken doch recht hilf­los[12]Video State­ment von Frank The­len.

Es soll­te doch irgend­wie zu den­ken geben, dass eine aus­län­di­sche Finanz­zei­tung, die hier­zu­lan­de  z.T. erheb­li­chen Anfein­dun­gen[13]Kom­men­tar: Der „Finanz­platz Deutsch­land“ und sein irri­tie­ren­des Ver­hal­ten in der Cau­sa Wire­card aus­ge­setzt war[14]Wire­card and Ger­ma­ny Both Shot the Mes­sen­ger – auch von­sei­ten der Medi­en – nötig war, um den Fall Wire­card ans Licht zu fördern.