Von Ralf Keuper

Die Ankün­di­gung der Deut­schen Bank und wei­te­rer deut­scher Unter­neh­men, eine gemein­sa­me Daten­platt­form für das Sin­gle Sign On zu lan­cie­ren, lös­te in den Medi­en ein über­wie­gend posi­ti­ves Echo aus. Wenn­gleich in den meis­ten Kom­men­ta­ren der Hin­weis nicht fehl­te, dass die Erfolgs­chan­cen kaum über 50% lie­gen, wur­de die Ent­schei­dung als wich­ti­ger Schritt begrüßt, um die Abhän­gig­keit der deut­schen Unter­neh­men und Ver­brau­cher von den gro­ßen digi­ta­len Platt­for­men, wie Goog­le, face­book und Ama­zon, zu ver­rin­gern. Die Unter­neh­men haben die hohe stra­te­gi­sche Bedeu­tung Digi­ta­ler Iden­ti­tä­ten für ihr Geschäft erkannt. Dem wei­te­ren Ver­lust ihrer Digi­ta­len Sou­ve­rä­ni­tät wol­len sie nicht mehr taten­los zusehen.

So weit so gut.

Irgend­wie drängt sich, viel­leicht nur mir, der Ein­druck auf, dass die Ban­ken und Unter­neh­men mit­tels gemein­sa­mer Daten­platt­for­men, qua­si durch die Hin­ter­tür, die Deutsch­land AG wie­der auf­er­ste­hen las­sen. Die­se war durch enge wirt­schaft­li­che und per­sön­li­che Bezie­hun­gen der dama­li­gen Groß­ban­ken, Deut­sche Bank, Dresd­ner Bank und Com­merz­bank, sowie etwas abge­schla­gen, der WestLB und DG Bank (das Vor­läu­fer­insti­tut der DZ Bank), gro­ßer Ver­si­che­run­gen wie der Alli­anz und den gro­ßen deut­schen Unter­neh­men wie Daim­ler Benz, Sie­mens, Bay­er, Hoechst, BASF, Thys­sen, Veba und Man­nes­mann geprägt.

Über das Ver­schwin­den der Deutsch­land AG schreibt Wikipedia:

Mit Beschrän­kung der Anzahl der Auf­sichts­rats­man­da­te und der zuneh­men­den Inter­na­tio­na­li­sie­rung der Kapi­tal­märk­te sowie einem Abbau der Kapi­tal­be­tei­li­gun­gen ab den 1990er Jah­ren wird zuneh­mend von einem Ende der Deutsch­land AG gespro­chen, zumin­dest jedoch eine Abnah­me der Macht der gro­ßen deut­schen Finanz­in­sti­tu­te konstatiert

Kann das Modell in der Daten­öko­no­mie, der Iden­ti­ty Eco­no­my noch funktionieren?

Zwei­fel sind ange­bracht. Zwar ist das Inter­net kei­nes­falls so offen und dezen­tral orga­ni­siert, wie viel­fach noch ange­nom­men; die gro­ßen digi­ta­len Platt­for­men üben in vie­len Berei­chen einen domi­nan­ten Ein­fluss aus. In dem Zusam­men­hang wird auch häu­fig von “Wal­let Gar­dens” bzw. von digi­ta­lem Pro­tek­tio­nis­mus gespro­chen. Ein Unter­neh­men wie Apple lie­fert nich nur die Hard­ware, wie Smart­phones und Tablet PCs, son­dern dar­über hin­aus Soft­ware (Betriebs­sys­te­me) und Unter­hal­tung (iTu­nes). Wei­ter­hin plant das Unter­neh­men den Ein­stieg in den Auto­markt. Mit Apple Pay hat der Kon­zern den Zah­lungs­ver­kehr ins Visier genom­men. Goog­le ver­folgt eine ähn­li­che Stra­te­gie. Als füh­ren­de Such­ma­schi­ne und Wer­be­platt­form im Inter­net, ist das Unter­neh­men auch in den Berei­chen Unter­hal­tung (You­tube), Inter­net of Things (Nest) und Gesund­heit aktiv. Dane­ben hat Goog­le bzw. Alpha­bet gro­ße Inves­ti­tio­nen in die Künst­li­che Intel­li­genz vor­ge­nom­men und lie­fert eines der füh­ren­den mobi­len Betriebs­sys­te­me. Ama­zon ist der Kon­kur­renz in der Logis­tik weit vor­aus. Face­book zählt mitt­ler­wei­le zwei Mil­li­ar­den Nut­zer. Die Inter­net­kon­zer­ne sind schon jetzt in der Mehr­zahl bran­chen­über­grei­fend aktiv und – das ist womög­lich das Ent­schei­den­de – inter­na­tio­nal ver­tre­ten. Die Grund­men­ge ist also deut­lich grö­ßer, als die natio­na­ler Datenplattformen.

Die Spar­kas­sen und Volks­ban­ken arbei­ten momen­tan, wie u.a. das IT-Finanz­ma­ga­zin berich­tet, eben­falls an einer Lösung für das Identitätsmanagement.

In sei­nem viel­be­ach­te­ten Buch The Future of The Inter­net hebt Jona­than Zit­train die Bedeu­tung sog. Gene­ra­ti­ve Sys­tems für das Inter­net hervor:

The gene­ra­ti­ve spi­rit allows for all sorts of soft­ware to be built, and all sorts of con­tent to be exch­an­ged, wit­hout anti­ci­pa­ting what mar­kets want – or what level of harm can ari­se. The deve­lo­p­ment of much soft­ware today, and thus of gene­ra­ti­ve ser­vices faci­li­ta­ted at the con­tent lay­er of the inter­net, is under­ta­ken by dis­pa­ra­te groups, often not acting in con­cert, who­se work can beco­me grea­ter than the sum of its parts becau­se it is not fun­nel­ed through a sin­gle ven­dor deve­lo­p­ment cycle.

The keys to main­tai­ning a gene­ra­ti­ve sys­tem are to ensu­re its inter­nal secu­ri­ty wit­hout resort­ing to lock­down, and to find ways to enable enough enforce­ment against its unde­si­ra­ble uses wit­hout requi­ring a sys­tem of per­fect enforcement.

Die­se Anfor­de­run­gen kön­nen m.E. auf Dau­er nur die Block­chain und/​oder Open APIs erfül­len. Den­noch bleibt die Fra­ge nach der Ska­lie­rung: Eine gemein­sa­me Sin­gle Sign On – Lösung benö­tigt eine kri­ti­sche Grö­ße, eine bestimm­te Markt­durch­drin­gung. Stand heu­te sind dazu nur gro­ße Unter­neh­men oder der Staat in der Lage. Für klei­ne und mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men wäre es dage­gen schwie­rig, einen eige­nen Stan­dard zu begrün­den und durchzusetzen.

Die Fra­ge ist letzt­lich, wer den bis­lang feh­len­den Iden­ti­ty Lay­er des Inter­net domi­nie­ren wird: Die Inter­net­kon­zer­ne, Ban­ken, Tel­cos, Han­dels­gi­gan­ten, Indus­trie­un­ter­neh­men, staat­li­che Orga­ni­sa­tio­nen, oder Initia­ti­ven, die auf die Block­chain-Tech­no­lo­gie set­zen wie Sovrin, oder Ver­bund­lö­sun­gen wie die BankID in Nor­we­gen, die man als Vor­läu­fer der geplan­ten Daten­platt­form der Deut­schen Bank bezeich­nen könn­te? Was fällt in die Zustän­dig­keit pri­va­ter Unter­neh­men, was in die des Staa­tes? Die­se Dis­kus­si­on wird momen­tan in der Schweiz geführt.

Ent­spre­chen zen­tra­le Lösun­gen dem deut­schen Wirt­schafts­stil, der durch ein hohes Maß mit­tel­stän­di­scher Unter­neh­men geprägt ist? Brau­chen wir so etwas wie die Wie­der­be­le­bung der Idee der Han­se – nur dies­mal digital?

Der Wett­lauf um die Digi­ta­le Iden­ti­tät, von dem Mike Yates bereits 2012 in The Race For Your Digi­tal Iden­ti­ty sprach, ist jeden­falls in vol­lem Gan­ge. Die Fra­ge und mög­li­che Ant­wort: Who will con­trol the iden­ti­ty of the future? May­be Face­book. May­be a firm you’ve never heard of. May­be yourself.

Schaun mer mal.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert