Im Juli 2023 kün­dig­te die Bank of Eng­land an, dass der ehe­ma­li­ge Chef der US-Noten­bank, Ben Ber­nan­ke, eine unab­hän­gi­ge Über­prü­fung der Pro­gno­sen der Bank und der damit ver­bun­de­nen Pro­zes­se in Zei­ten erheb­li­cher Unsi­cher­heit lei­ten wür­de[1]Fore­cas­ting for mone­ta­ry poli­cy making and com­mu­ni­ca­ti­on at the Bank of Eng­land: a review. Der Bericht wur­de 12. April 2024 ver­öf­fent­licht[2]Fore­cas­ting for mone­ta­ry poli­cy making and com­mu­ni­ca­ti­on at the Bank of Eng­land: a review[3]Respon­se of the Bank of Eng­land to the Ber­nan­ke review of fore­cas­ting for mone­ta­ry poli­cy making and com­mu­ni­ca­ti­on at the Bank of Eng­land. Er bie­tet eine gründ­li­che Bewer­tung des aktu­el­len Pro­gno­se­an­sat­zes der Bank und der Bezie­hung zwi­schen der Pro­gno­se, den geld­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen und ihrer Kommunikation.

Die Ber­nan­ke-Über­prü­fung wur­de durch die fal­sche Pro­gno­se der bri­ti­schen Infla­ti­on durch die Bank of Eng­land aus­ge­löst, die von 2021 bis 2022 schnell anstieg und 2022 einen Höchst­stand von 11 % erreich­te. Unvor­her­seh­ba­re Schocks tru­gen teil­wei­se zu die­sen Fehl­schlä­gen bei, aber auch lang­sa­me Reak­tio­nen spiel­ten eine Rol­le. Die Bank of Eng­land schien anzu­neh­men, dass der Anstieg der Infla­ti­on vor­über­ge­hend sei und die Infla­ti­ons­er­war­tun­gen um 2 % ver­an­kert sei­en. Ber­nan­kes zwölf Emp­feh­lun­gen zeig­ten besorg­nis­er­re­gen­de Män­gel auf.

Die zwölf Empfehlungen: 

  1. Moder­ni­sie­rung der Soft­ware zur Daten­ver­wal­tung und ‑ver­ar­bei­tung mit hoher Prio­ri­tät. Dies soll umfas­sen­de, klar defi­nier­te und aktu­el­le Wirt­schafts­da­ten gewährleisten.
  2. Kon­ti­nu­ier­li­che Modell­pfle­ge und ‑ent­wick­lung durch dedi­zier­tes Per­so­nal mit aus­rei­chen­den Ressourcen.
  3. Lang­fris­ti­ge grund­le­gen­de Über­ar­bei­tung des Pro­gno­se­sys­tems, ins­be­son­de­re des COM­PASS-Modells, mit Fokus auf Fle­xi­bi­li­tät und Transparenz.
  4. Ent­wick­lung eines ver­bes­ser­ten Pro­gno­se­rah­mens, der wich­ti­ge Ele­men­te wie: 
    • rea­lis­ti­sche Dar­stel­lung der geld­po­li­ti­schen Transmission
    • empi­ri­sche Model­lie­rung von Inflationserwartungen
    • detail­lier­te Model­le für Finanz‑, Woh­nungs- und Energiesektor
    • ver­stärk­te Berück­sich­ti­gung ange­bots­sei­ti­ger Fak­to­ren enthält
  5. Kri­ti­sche­re Über­prü­fung von Pro­gno­se­feh­lern und deren Ursa­chen, weni­ger Inkre­men­ta­lis­mus bei Anpassungen.
  6. Über­ar­bei­tung der Per­so­nal­po­li­tik zur bes­se­ren Nut­zung vor­han­de­ner Exper­ti­se, ins­be­son­de­re durch För­de­rung von Spezialisierung.
  7. Ergän­zung der Zen­tral­pro­gno­se durch alter­na­ti­ve Sze­na­ri­en zur Ver­bes­se­rung der geld­po­li­ti­schen Diskussion.
  8. Ver­öf­fent­li­chung aus­ge­wähl­ter alter­na­ti­ver Sze­na­ri­en zur bes­se­ren öffent­li­chen Kommunikation.
  9. Gerin­ge­re Beto­nung der Zen­tral­pro­gno­se in der Kom­mu­ni­ka­ti­on und kla­re­re War­nung bei pro­ble­ma­ti­schen Standardannahmen.
  10. Ver­ein­fa­chung der geld­po­li­ti­schen Kom­mu­ni­ka­ti­on durch kür­ze­re, qua­li­ta­ti­ve­re Beschreibungen.
  11. Abschaf­fung der “Fan Charts” zuguns­ten direk­te­rer Kom­mu­ni­ka­ti­on über Unsi­cher­hei­ten und Risiken.
  12. Schritt­wei­se Imple­men­tie­rung der Ände­run­gen, begin­nend mit der Ver­bes­se­rung der Prognoseinfrastruktur.

Die Bank of Eng­land hät­te ihre Vor­her­sa­ge­feh­ler bei der Infla­ti­ons­ent­wick­lung in den Jah­ren 2021 und 2022 durch den Ein­satz moder­ner sta­tis­ti­scher Ver­fah­ren und Metho­den mög­li­cher­wei­se redu­zie­ren kön­nen. Durch ver­bes­ser­te Model­lie­rung, wie bei­spiels­wei­se mul­ti­va­ria­te Regres­si­on und maschi­nel­les Ler­nen, hät­te die Bank kom­ple­xe­re Zusam­men­hän­ge bes­ser erfas­sen und aus his­to­ri­schen Daten ler­nen kön­nen, um prä­zi­se­re Pro­gno­sen zu lie­fern. Eine Anpas­sung der Pro­gno­se­me­tho­den, etwa durch den Ein­satz eines ver­ket­te­ten Laspey­res-Index hät­te es ermög­licht, schnel­ler auf Ver­än­de­run­gen im Kon­sum­ver­hal­ten zu reagie­ren und eine aus­ge­wo­ge­ne­re Vor­her­sa­ge zu treffen.

Die Berück­sich­ti­gung struk­tu­rel­ler Ver­än­de­run­gen durch Inter­cept Cor­rec­tions und eine fle­xi­ble­re Anpas­sung der Annah­men, ins­be­son­de­re bei Ener­gie­prei­sen, hät­te gehol­fen, uner­war­te­te Brü­che wie den Brexit und die COVID-19-Pan­de­mie bes­ser zu erfas­sen. Eine ver­bes­ser­te Daten­er­fas­sung und ‑ana­ly­se, ein­schließ­lich der Nut­zung von Echt­zeit­da­ten und sek­tor­spe­zi­fi­schen Ana­ly­sen, hät­te schnel­le­re Anpas­sun­gen an sich ändern­de Bedin­gun­gen ermög­licht und prä­zi­se­re Ein­bli­cke in Preis­dy­na­mi­ken gelie­fert[4]How the Bank of Eng­land could have avo­ided mis-fore­cas­ting UK infla­ti­on during 2021–24.

Zudem hät­te eine bes­se­re Berück­sich­ti­gung exter­ner Fak­to­ren, wie glo­ba­ler Lie­fer­ket­ten und Arbeits­markt­dy­na­mi­ken, dazu bei­tra­gen kön­nen, deren Ein­fluss auf die Infla­ti­on genau­er abzu­bil­den und mög­li­che Lohn-Preis-Spi­ra­len frü­her zu erken­nen. Durch die Imple­men­tie­rung die­ser moder­nen Ansät­ze hät­te die Bank of Eng­land mög­li­cher­wei­se ihre Pro­gno­se­ge­nau­ig­keit ver­bes­sern und die gra­vie­ren­den Fehl­ein­schät­zun­gen der Infla­ti­ons­ent­wick­lung in den Jah­ren 2021 und 2022 redu­zie­ren kön­nen. Die­se Ver­bes­se­run­gen hät­ten nicht nur zu genaue­ren Vor­her­sa­gen geführt, son­dern auch das Ver­trau­en in die wirt­schafts­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen der Bank stär­ken können.

Impus­le Indi­ca­tors und Inter­cept Cor­rec­tions in der Prognostik 
Vor­tei­le der Methode
  • Impul­se Indi­ca­tors und ICs kön­nen dazu bei­tra­gen, Pro­gno­sen zu ver­bes­sern, indem sie Anpas­sun­gen am Aus­gangs­punkt vornehmen.
  • Sie bie­ten Schutz vor struk­tu­rel­len Brü­chen in öko­no­mi­schen Zeit­rei­hen, was beson­ders wich­tig ist, da rea­le Pro­gno­se­kon­tex­te oft von Struk­tur­insta­bi­li­tä­ten betrof­fen sind.
  • Die­se Metho­den ermög­li­chen es, neue Infor­ma­tio­nen oder Erkennt­nis­se über zukünf­ti­ge Ereig­nis­se in die Pro­gno­se ein­zu­be­zie­hen, die im ursprüng­li­chen Modell nicht berück­sich­tigt wurden.

Ein­schrän­kun­gen und Vorsichtsmaßnahmen

  • Die Wirk­sam­keit von ICs hängt stark von der kor­rek­ten Spe­zi­fi­ka­ti­on und dem Ver­ständ­nis der zugrun­de­lie­gen­den öko­no­mi­schen Zusam­men­hän­ge ab.
  • Bei Unsi­cher­heit über die wah­re Natur der Lang­frist­be­zie­hun­gen soll­ten sie mit Vor­sicht ange­wen­det werden.
  • Die Annah­me, dass der Wert des Impuls­in­di­ka­tors exakt dem Pro­gno­se­feh­ler ent­spricht, könn­te in der Pra­xis zu ver­ein­fa­chend sein, da Pro­gno­se­feh­ler kom­ple­xe Ursa­chen haben können.

Prak­ti­sche Anwendung

  • In der Pra­xis haben sich Impul­se Indi­ca­tors und ICs als nütz­lich erwie­sen, ins­be­son­de­re bei gro­ßen makro­öko­no­me­tri­schen Modellen.
  • Sie kön­nen beson­ders wert­voll sein, wenn es Anzei­chen für struk­tu­rel­le Brü­che, Regime­wech­sel oder bedeu­ten­de exter­ne Fak­to­ren gibt, die vom ursprüng­li­chen Modell nicht erfasst werden1.