Von Ralf Keuper

Das Geschäft der Ban­ken besteht – im Prin­zip – aus der Ver­ar­bei­tung von Infor­ma­tio­nen. Anders als in der Indus­trie ist die Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie in den Ban­ken gleich­zei­tig die Fer­ti­gungs­tech­no­lo­gie. Mitt­ler­wei­le bewegt sich die Indus­trie – man den­ke an die “Digi­ta­le Fabrik” oder an “Indus­trie 4.0” – in eine ähn­li­che Rich­tung, d.h., Fer­ti­gungs­tech­no­lo­gie und Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie verschmelzen.

Mit ande­ren Wor­ten: Die Infor­ma­ti­on ist der wich­tigs­te Pro­duk­ti­ons- und Wett­be­werbs­fak­tor der Ban­ken. In der Ver­gan­gen­heit konn­ten Ban­ken und Medi­en­un­ter­neh­men ein Infor­ma­ti­ons­mo­no­pol für sich bean­spru­chen. Das Nach­rich­ten­ma­ga­zin DER SPIEGEL bezog sei­nen Wett­be­werbs­vor­teil im hohen Maß aus sei­nem legen­dä­ren Archiv. Im Zeit­al­ter des Inter­net und Wiki­pe­dia ist die­ser Vor­sprung dahin. Die Ban­ken konn­ten wie kei­ne ande­re Bran­che auf Infor­ma­tio­nen – aus ers­ter Hand – über das Kun­den­ver­hal­ten zurück­grei­fen. Auch die­ses Infor­ma­ti­ons­mo­no­pol wur­de durch das Inter­net auf­ge­bro­chen. Die Bewer­tung der Kun­den­bo­ni­tät ist heu­te auch ohne Rück­griff auf die (his­to­ri­schen) Daten der Ban­ken mög­lich – Stich­wort: Social Scoring. Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­neh­men, Inter­net­kon­zer­ne und Anbie­ter von Mobi­le-Pay­ments ver­fü­gen über einen Daten- und Infor­ma­ti­ons­be­stand, der dem der Ban­ken min­des­tens eben­bür­tig ist. Was die Ver­wen­dung ana­ly­ti­scher Appli­ka­tio­nen bei der Aus­wer­tung der Infor­ma­tio­nen betrifft, sind die neu­en Mit­spie­ler den Ban­ken weit voraus.

Aus­ge­feil­te Matching-Algo­rith­men füh­ren Ange­bot und Nach­fra­ge auf dem Kapi­tal­markt pass­ge­nau zusam­men, ohne dass es dabei noch eines klas­si­schen Finanz­in­ter­me­di­ärs bedürfte.

Mit­tels Social Tra­ding haben Anle­ger die Mög­lich­keit, sich gegen­sei­tig zu infor­mie­ren und zu unter­stüt­zen. Auch hier ist kein klas­si­scher Finanz­in­ter­me­di­är, kein wei­te­rer Infor­ma­ti­ons­bro­ker mehr nötig.

In ihrem bahn­bre­chen­den Bei­trag Wett­be­werbs­vor­tei­le durch Infor­ma­ti­on aus dem Jahr 1985 beleuch­te­ten Micha­el E. Por­ter und Vic­tor E. Mil­lar die Aus­wir­kun­gen des flä­chen­de­cken­den Ein­sat­zes der Infor­ma­ti­ons­tech­nik auf die Wertschöpfungsketten:

Die Infor­ma­ti­ons­tech­nik durch­dringt die Wert­schöp­fungs­ket­te an jedem Punkt und ver­än­dert radi­kal Wert­schöp­fungs­ak­ti­vi­tä­ten und zwi­schen ihnen bestehen­de Ver­ket­tun­gen. Sie beein­flusst aber auch die Wett­be­werbs­brei­te und die Art und Wei­se, wie ein Pro­dukt die Wün­sche eines Kun­den befrie­digt. Die­se grund­le­gen­den Effek­te erklä­ren, war­um die Infor­ma­ti­ons­tech­nik stra­te­gi­sche Bedeu­tung hat und sich dar­in von vie­len ande­ren Tech­no­lo­gien für kom­mer­zi­el­le Anwen­dun­gen unter­schei­det. (in: Infor­ma­ti­ons-und Daten­tech­nik, Har­vard­ma­na­ger, Band 1)

Um die­sem Wan­del erfolg­reich begeg­nen zu kön­nen, emp­fah­len die Autoren fünf Fra­gen abzu­ar­bei­ten. Gleich die ers­te Fra­ge Wie groß ist die Infor­ma­ti­ons­in­ten­si­tät (der Wert­schöp­fungs­ket­te)? zeigt, wie groß das Gefähr­dungs­po­ten­ti­al der Infor­ma­ti­ons­tech­nik schon damals, lan­ge vor dem Inter­net, für die Ban­ken war.

Eini­ge Jah­re spä­ter griff Arnold Picot die Klas­si­fi­zie­rung von Por­ter und Mil­lar in sei­nem Bei­trag Der Pro­duk­ti­ons­fak­tor Infor­ma­ti­on in der Unter­neh­mens­füh­rung auf. In sei­nem Infor­ma­ti­ons­in­ten­si­täts-Port­fo­lio konn­te er zei­gen, dass der Pro­duk­ti­ons­fak­tor Infor­ma­ti­on für die Ban­ken die größ­te Hebel­wir­kung besitzt. Die­se Hebel­wir­kung machen sich nun die bran­chen­frem­den Anbie­ter zu Nutze.

Heu­te, im Zeit­al­ter von “Big Data”, scheint die Hebel­wir­kung der Infor­ma­ti­on neue Dimen­sio­nen zu errei­chen. Die Ana­ly­se rie­si­ger Daten­men­gen in Echt­zeit wird zum Stan­dard. His­to­ri­sche Daten­be­stän­de ver­lie­ren dage­gen an Wert. Exter­ne Infor­ma­tio­nen haben häu­fig eine grö­ße­re Aus­sa­ge­kraft als interne.

Paul Köni­ger und Wal­ter Reit­h­may­er bech­rei­ben in ihrem Buch Manage­ment unstruk­tu­rier­ter Infor­ma­tio­nen die Her­aus­for­de­run­gen für die Wert­schöp­fungs­ak­ti­vi­tä­ten der Unter­neh­men durch Infor­ma­tio­nen, die aus dem situa­ti­ven Kon­text entstehen:

Dar­über hin­aus gibt es Infor­ma­ti­ons­flüs­se, die kei­nen mehr oder weni­ger fest­ge­leg­ten Regeln unter­lie­gen; wir nen­nen die­se >Infor­ma­tio­nen im situa­ti­ven Kon­text<. In Ver­fah­ren wird mit stark struk­tu­rier­ten Infor­ma­tio­nen gear­bei­tet, im situa­ti­ven Kon­text in der Regel mit unstruk­tu­rier­ten Infor­ma­tio­nen. ..(ebd.)

Das größ­te Poten­zi­al, und eigent­li­cher Ansatz­punkt für Big Data, liegt dem­nach in den unstruk­tu­rier­ten Infor­ma­tio­nen, den Infor­ma­tio­nen, die in bestimm­ten Situa­tio­nen, in einem bestimm­ten Kon­text entstehen.

Könin­ger und Reit­h­may­er schrei­ben weiter:

Für die ver­stärk­te Beschäf­ti­gung mit unstruk­tu­rier­ten Infor­ma­tio­nen gibt es gute Grün­de: Im Umgang mit stark struk­tu­rier­ten Infor­ma­tio­nen konn­ten in der Ver­gan­gen­heit bereist gro­ße Fort­schrit­te erzielt wer­den. Die Ratio­na­li­sie­rungs­po­ten­zia­le dafür sind weit­ge­hend aus­ge­schöpft. Dage­gen lie­gen im Umgang mit unstruk­tu­rier­ten Infor­ma­tio­nen noch gro­ße Ratio­na­li­sie­rungs- und Inno­va­ti­ons­po­ten­zia­le brach .. (ebd.)

Dar­aus wird auch deut­lich, wie schwer­wie­gend die aktu­el­le Ent­wick­lung im Bereich Mobi­le Pay­ments für die Ban­ken ist. An kei­ner ande­ren Stel­le inner­halb der Wert­schöp­fungs­ket­te im Ban­king fal­len so vie­le unstruk­tu­rier­te Infor­ma­tio­nen an, wie wäh­rend des mobi­len Bezahl­vor­gangs. Wer es schafft, die Infor­ma­tio­nen an der Quel­le abzu­grei­fen und mit den rich­ti­gen Metho­den (womit kei­nes­falls nur Big Data oder nur Tech­no­lo­gie gemeint ist) aus­zu­wer­ten, ist der heim­li­che König. Die fort­schrei­ten­de Dis­in­ter­me­dia­ti­on und Digi­ta­li­sie­rung im Ban­king arbei­ten neu­en, bran­chen­frem­den Anbie­tern in die Hän­de. Den Ban­ken ent­glei­tet ihr ursprüng­li­cher “Wett­be­werbs­fak­tor Infor­ma­ti­on” dage­gen lang­sam aber sicher aus den Händen.

Wei­te­re Informationen:

Ban­king And Finan­ce: Just A Com­po­nent Of The Infor­ma­ti­on Tech­no­lo­gy Sector

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