Getting your Trinity Audio player ready...
|
Von Ralf Keuper
In der alten Medienwelt waren die Rollen klar verteilt, die Zahl der relevanten Mitspieler war überschaubar. Nur wenige Neulinge trauten sich, die Platzhirsche herauszufordern, wie Richard Branson mit Virgin Music. Ansonsten drohte den großen Medienhäusern wie Bertelsmann, News Corporation, Time Warner und Vivendi keine ernsthafte Konkurrenz. Zu sehr dominierten sie die Absatzkanäle. Wer immer in das Geschäft eindringen wollte, musste daher große Hürden überwinden.
Mit dem Internet änderten sich die Spielregeln grundlegend. Das Informationsmonopol ging ebenso in Rauch auf, wie die Kontrolle über die wichtigsten Vertriebswege verloren ging. Der Handel konnte, wie Amazon zeigte, umgangen und Musiktitel mittels Apples iTunes einzeln bezogen werden.
Heute sind es die neuen Medienkonzerne wie Apple, Google, facebook, twitter und Amazon, die einen großen Einfluss darauf haben, was und wie wir Informationen konsumieren. Die Vertreter der alten Medienwelt pochen zwar hin und wieder noch auf ihren vermeintlich unverwechselbaren Content, müssen aber langsam einsehen, dass die Entwicklung an ihnen vorbei läuft. Als erstes Medienhaus zog Springer die Konsequenzen, um nicht völlig den Anschluss zu verlieren.
Mittlerweile zeigt sich, dass die neuen Medienkonzerne ihren Radius auszudehnen beginnen. Hierzu zählt auch der Kauf der Washington Post durch Jeff Bezos. Apple läutet womöglich mit seinem iPone 6 eine neue Ära bei den mobilen Bezahlverfahren ein, und facebook hat mit der Übernahme von WhatsApp mehr als nur eine Messaging-Plattform erworben. Bryan Goldberg bezeichnete Facebook unlängst als the worlds most powerful news reader.
In der Bankenwelt wird diese Entwicklung, wenn überhaupt, meistens nur mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen. Dabei sind Apple, Google, Facebook, Amazon, twitter, Alibaba, Baidu, Tencent und unzählige andere gerade intensiv damit beschäftigt, weite Teile des Banking in ihre Kanäle bzw. auf ihre Plattformen umzuleiten, wie Apple mit seinem iWallet. Ebenso verdichten sich die Anzeichen, dass facebook ebenfalls in das Segment Mobile Payments strebt und auch twitter hat mit der Übernahme des Payments-Startup CardSpring ein klares Signal gesendet. Amazon sorgte kürzlich mit der Lancierung seines Mobile-Payments-Service und seiner Amazon Wallet Beta zwar nicht für ein Erdbeben, wohl aber dafür, dass sich manche Stirn in Falten gelegt hat. Verglichen damit ist um das Google Wallet derzeit erstaunlich ruhig. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis Google den nächsten Zug macht. Alibaba, nach eigener Aussage der weltweit größte Anbieter bzw. Abwickler für Mobile Payments, gab vor einigen Tagen die Kooperation mit Huwei bekannt, dessen neues Smartphone Mate 7 das Alipay Wallet beinhalten wird. Unterdessen kam die Meldung, dass McDonalds ab dem 15. September ein NFC-basiertes Bezahlsystem einführen wird. Folgen weitere Schwergewichte dem Vorbild, könnte es zu einem Dammbruch kommen. Dann wird die Zeit für die Banken, insbesondere in Deutschland sehr knapp, um eine Alternative anbieten zu können. Dafür ist es aber nötig, dass die Wagenburg-Mentalität aufgegeben wird. Wer glaubt, dass Deutschland sich diesem Sog entziehen könnte und man es bei Insellösungen belassen kann, befindet sich m.E. auf dem Holzweg bzw. gerät unter Wasser. In Australien scheinen die Banken dagegen die Zeichen der Zeit erkannt zu haben.
Es spricht einiges dafür, dass wir in Zukunft unser Medien- und Informationsverhalten mehr noch als bisher verändern werden. Allianzen werden auf der Bildfläche erscheinen, die uns heute noch unvorstellbar vorkommen. Neue Machtzentren bilden sich. Nur wenige Banken werden, da hat Francisco Gonzales von der BBVA wohl Recht, in dieser Liga mitspielen können. Medienformate, die derzeit noch getrennt voneinander existieren, werden verschmelzen, zumindest aber deutlich näher als bisher zusammenrücken. Entertainment, Infotainment, Banking und Nachrichtenübermittlung/Journalismus gehen ineinander über. In der Aufmerksamkeitsökonomie sitzt der am längeren Hebel, der über eine große Nutzerzahl und attraktive Angebote verfügt. Die Semantik, der Kontext bekommen großes Gewicht. Es geht daher um weitaus mehr als nur um Social Media.
Der ursprüngliche Wettbewerbsvorteil Information geht den Banken verloren. Die wirklich wichtigen, aussagekräftigen Kundendaten liegen künftig woanders. Der Konzentrationsprozess wird wohl auch dazu führen, dass sehr viele FinTech-Startups wieder von der Bildfläche verschwinden, insbesondere im Bereich Mobile Payments und PFM.
Ebenso geraten die Hersteller von Geldautomaten und Bezahlterminals wie Wincor Nixdorf und NCR unter Druck. Sollte sich das kontaktlose, mobile Bezahlen durchsetzen, wofür momentan einiges spricht, könnten weite Teile der Erlöse weg brechen.
Noch nicht abzusehen ist, wie der Markt sich verändert, sollten sich digitale oder virtuelle Währungen, z.B. mittels Ripple, durchsetzen.
Eigentlich könnten die neuen Medienkonzerne nur an sich selber scheitern, z.B. dadurch, dass sie sich hoffnungslos verzetteln oder aber irgendwann, wie einst AT&T, zerschlagen werden (müssen). Danach sieht es gegenwärtig aber nicht aus.
Die Banken werden in diesem Szenario auf die Funktion der Transaktionsabwicklung reduziert. Vielleicht bietet das Thema Sicherheit noch Potenzial. Als Nischen werden wohl das Investmentbanking, das Private Banking und die Spezialfinanzierung den Stil- bzw. Medienwandel überstehen. An der Schnittstelle zum Kunden, im Retail-Geschäft, wird es dagegen für die Banken sehr eng. Da helfen auch keine Filialen. Das dachte der Buchhandel auch.
Der stationäre Einzelhandel macht diese Erfahrung aktuell. Da wird Oliver Samwer, ob es einem gefällt oder nicht, wohl weitgehend Recht behalten.
Banken müssten sich zu Medienkonzernen wandeln. Ob die Zeit dafür noch reicht?
Weitere Informationen:
Banking als Teil des Medienwandels
Apple Said to Negotiate Deep Payments Discounts from Big Banks
Amazon, Alipay, PayPal are quietly becoming big lenders
There are now at least 25 billion-dollar mobile internet companies
Netflix wird das Fernsehen in Deutschland verändern
Washington Post: Amazon-Chef Bezos mischt die Traditionszeitung auf