Wer die letzte Finanzkrise aufmerksam verfolgt hat, dürfte angesichts der aktuellen Berichterstattung über die Vorgänge auf dem US-amerikanischen Bankenmarkt das eine oder andere Déjà-vu-Erlebnis haben. So wie Peter Schiff:
Kurz vor dem Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 wurden die Berichterstatter, Wissenschaftler und Politiker hierzulande nicht müde zu betonen, dass es sich um ein rein US-amerikanisches Problem handelte, in deren Zentrum Hypothekenkredite standen, die an Kreditnehmer mit geringer Bonität vergeben wurden. Das sei in Deutschland ganz anders, weshalb die Verwerfungen auf dem US-Hypothekenmarkt keine Auswirkungen auf die hiesigen Banken hätten. Später dann wurden die Derivate als Quelle allen Übels ausgemacht – diese würden jedoch überwiegend von Investmentbanken gehandelt. Insofern hätte dies keinen Einfluss auf die “klassischen” Banken. Die Realwirtschaft sei davon nicht betroffen. Dann überschlugen sich die Ereignisse und auf einmal befand Europa sich mitten im Sturm. Die Hypo-Real-Estate musste mit zig Milliarden gestützt werden[1]Krisenbank HRE und der Crash. Wie alles begann, die zur Sparkassenorganisation zählenden Landesbanken gerieten in Existenznöte[2]Brauchen wir noch Landesbanken?[3]Max-Planck-Forscher Hellwig: „Landesbanken sind das Zentrum der Finanzkrise“ – die WestLB versank. Die Deutsche Bank wurde indirekt durch staatliche Rettungsprogramme gestützt; bei der Commerzbank stieg der Staat als Anteilseigner ein.
Zwar erschienen bereits 2007 “in Medien wie Wirtschaftswoche, Financial Times Deutschland oder Handelsblatt kritische Artikel über die schlechte Verfassung des globalen Finanzsystems. Auslöser waren etwa der Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes oder hiesige Problemherde bei IKB und Bayern LB. In einen großen Zusammenhang gestellt haben das nur die Wenigsten”[4]Seher mit blindem Fleck. Bis heute ist die Lage so, wie sie Rainer Hank seinerzeit beschrieb: “Wir sind meist schlecht im Vorhersagen, aber dafür gut im Deuten”. Soll heißen: Wir sind nicht gut darin, Krisen frühzeitig – oder überhaupt – zu erkennen; nachdem sie eingetreten sind, glänzen wir jedoch mit ausführlichen Analysen. Wie zuletzt bei der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals, als bereits kurz nach dem Zusammenbruch die ersten Bücher erschienen, die erklärten, warum es genau so und nicht anders kommen musste.
Bis zum Ausbruch der Krise handelt es sich um “Einzelfälle” ohne allzu große Aussagekraft[5]Aktuelles Beispiel CS: Die Krise der Credit Suisse ist ein Sonderfall – doch das macht sie nicht weniger bedrohlich[6]Weiterhin: Warum die Credit Suisse kein Fall wie Lehman-Pleite ist[7]Anders dagegen: Der Zinsschock. Der Zusammenbruch der SVB hat keine oder nur geringe Auswirkungen auf den deutschen Bankenmarkt[8]SVB-Kollaps hat laut EU-Kommission „begrenzte“ Auswirkungen auf Europa[9]EZB-Mitglied Stournaras: Ich sehe keine Auswirkungen des Zusammenbruchs der SVB auf die Banken der Eurozone – es betrifft nur den Technologiesektor[10]Es gibt schon einige Parallellen zwischen der SVB und den Sparkassen: Was deutsche Sparkassen mit der US–Krisenbank SVB gemeinsam haben; auch die Tatsache, dass mehrere US-Regionalbanken derzeit bedenklich wanken, ändert an dieser Einschätzung erst einmal nichts[11]Warum die Credit Suisse kein Fall wie Lehman-Pleite ist. Abstürze von Kryptobanken oder von Banken, die eng mit der Kryptoszene zusammenarbeiten, wie Signature, haben keine Auswirkungen auf die “Realwirtschaft”. Da besteht bzw. da sieht man keinerlei Zusammenhang[12]Vgl. dazu: MAKE Europe: Ist DeFi ansteckend?. Alles bestens. Das Silicon Valley sei weit weg.
Es wäre allerdings unfair, den Zustand nur den Wirtschafts- und Finanzmedien anzulasten. Die sog. Experten lagen mit ihren Einschätzungen in der Mehrzahl fundamental daneben, wie die Wirtschaftsjournalistin Lisa Nienhaus in ihrem Buch Die Blindgänger: Warum die Ökonomen auch künftige Krisen nicht erkennen werden bereits 2009 schrieb. Der Chef des Ifo-Instituts Clemens Fuest sieht inzwischen in der SVB-Pleite eine Gefahr für das globale Finanzsystem[13]Ifo-Chef sieht Gefahr für globales Finanzsystem durch SVB-Pleite[14]Vgl. dazu: “Je mehr wir China in die Ecke stellen, desto mehr treiben wir es in Putins Arme”. Damit widerspricht er der Einschätzung von Bundesfinanzminister Lindner. Bundeskanzler Scholz und Bundeswirtschaftsminister Habeck erkennen derzeit ebenfalls keine Ansteckungsgefahr durch den Zusammenbruch der SVB. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzler hält die Auswirkungen der SVB-Pleite auf das deutsche Bankensystem für gering[15]Silicon Valley Bank: Pleite trifft Deutschland kaum[16]Wirtschaftsweise glaubt nicht an Finanzkrise 2.0.
Anders als bei der letzten Finanzkrise dürfte China diesmal als Stabilitätsanker ausfallen[17]China will Finanzsektor stärken – Kleine Institute mit hohen Risiken im Visier[18]Im chinesischen Bankensektor braut sich was zusammen #2.
References