Von Ralf Keuper
Die Spezies der BWLer, der auch ich angehöre, steht nicht unbedingt im Verdacht, besonders kreativ zu sein. Da ist ein Beitrag wie Vergesst das Erfinden Balsam für die Seele.
In den Banken schienen die BWLer in den letzten Jahren zum Auslaufmodell zu werden. Gefragt waren und sind die sog. Quants oder Data Scientists. Ihnen, so der allgemeine Tenor, gehört die Zukunft – nicht nur im Banking. In Zeiten, in denen Fragen des Designs immer mehr in den Vordergrund rücken, sind BWLer mit ihrer Fixierung auf Effizienz und Effektivität so etwas wie Spielverderber und Spassbremsen. Dieser Vorwurf ist – weiß Gott – nicht immer unberechtigt; denn, wer kann die Phrasen von Kostensenkungen, Effizienssteigerungen, Synergien und Prozessoptimierung, die häufig noch im schlimmsten Beratersprech vorgetragen werden, noch hören oder gar verstehen?
Vergessen wird dabei allzu schnell, dass es sich bei der Betriebswirtschaftslehre um eine ernstzunehmende wissenschaftliche Disziplin handelt, deren Grundlagen von Gelehrten wie Erich Gutenberg, Eugen Schmalenbach, Alfred Kieser oder Wolfgang Staehle gelegt wurden.
Wie dem auch sei. In dem eingangs erwähnten Beitrag, in dem es um die Anforderungen der Industrie 4.0 an die Kreativität der Mitarbeiter geht, schreibt die Autorin Evelyne Freitag zum Schluss:
Welche Farbe ein Handy hat, ob es aus Metall oder Bambus ist, spielt in der Wirtschaft von morgen keine große Rolle mehr. Über Erfolg und Misserfolg entscheiden Geschäftsprozesse und Finanzstrategien, die Produkte, Dienstleistungen und Partner vernetzen. Deswegen: Kreative Köpfe, vergesst das Erfinden und studiert statt Design lieber BWL!
Wir lassen es hier mal dahingestellt, ob die BWL wirklich dem Erfinden oder dem Design-Studium vorzuziehen ist. Persönlich halte ich die Aussage für überambitioniert. Nachdenkenswert erscheint mir jedoch die implizite Aufforderung, über die engeren Grenzen eines Unternehmen hinaus zu denken. Nicht mehr das Produkt an sich ist der Dreh- und Angelpunkt aller Aktivitäten, sondern die Frage, wie der Nutzer oder Kunde dieses Produkt über dessen Lebenszyklus hinweg oder Abschnitten davon zu verwenden gedenkt, und wer sonst noch alles in die Nutzung eingebunden ist. Ein Denken, das gerade Banken noch fremd ist, legt man hier doch nach wie vor großen Wert darauf, die Kunden an das eigene geschlossene System zu binden. Ein wichtiger Punkt, gerade für Absatzfinanzierer und Leasinggesellschaften, aber auch in der Baufinanzierung. Dass die Wertschöpfung sich heutzutage häufig außerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen und Verbünde, im Netz, vollzieht, wird in den Banken ausgeblendet, obwohl die Verbreitung von Open APIs, die Gründung mittlerweile kaum noch zu zählender Fintech-Startups wie auch die Entstehung großer digitaler Ökosysteme hier eine andere Sprache sprechen, wenngleich letztgenannte wiederum zu geschlossenen Systemen tendieren; jedoch mit größtmöglichem Angebotsspektrum.
Für BWLer und Banken gleichermaßen ist die Frage von Bedeutung, wie sich die Prinzipien der Betriebswirtschaftslehre auf die sog. Plattformökonomie übertragen lassen. Denn so viel ist sicher: Auch in der Plattformökonomie, darauf deutet schon die Bezeichnung hin, gelten betriebswirtschaftliche Prinzipien, wie nicht nur Tom Siebel, wie in Cyber Rules, betont.
The fact is that no technology – not even the internet – has its own trajectory. Like a hammer or an automobile, the Net is a tool that can be wisely or foolish deployed. It will not drive itself, or drive your stock up, any more than a hammer by itself will build your dream house. This is pretty elementary stuff, but it’s often forgotten, especially by pundits who count the fortunes of Silicon Valley and conclude: “Well, if I had that technology, I’d be successful too”.
Die Industrie 4.0 bzw. das Internet der Dinge stellen neue Anforderungen an die Banken. Banken oder Finanzdienstleister werden zum Financial Service – Anbieter als integriertem Bestandteil einer digitalen Plattform. Die Finanical Services werden on-demand in Echtzeit oder Beinahe-Echtzeit abgerufen.