Von Ralf Keuper
Nachdem der Bankenverband vor wenigen Wochen in einem Positionspapier für die Einführung eines digitalen Euro, u.a. als Abwehr von Libra, plädierte, schloss sich auch der Handelsverband dieser Forderung an. Nur so könne verhindert werden, dass Google, Amazon, Facebook und Apple (GAFA) mit ihren Lösungen die Kundenschnittstelle komplett an sich reißen und alle anderen auf den Rang von Zulieferern degradieren, bis sie irgendwann völlig aus dem Geschäft gedrängt werden.
Die Argumente sind durchaus stichhaltig. Allerdings stellt sich, ganz unabhängig von der Realisierung eines digitalen Euro, die Frage, ob damit die strukturellen Probleme der deutschen und europäischen Wirtschaft behoben werden können. Hier sind Zweifel angebracht.
Die Digitalisierung bzw. die zunehmende Vernetzung von Menschen, Geräten und Maschinen bringt es mit sich, dass ehemals relativ klar voneinander getrennte Branchen sich annähern. Die Branchengrenzen verwischen. Google, Amazon & Co. sind die Antwort auf diese neue Konstellation. Sie haben sie nicht mutwillig herbeigeführt, wenngleich sie jede sich bietende Gelegenheit nutzen, ihre Stellung auszubauen. In Deutschland und Europa folgt die Wirtschaft dagegen noch immer dem alten Muster, der alten Rollenverteilung. Jedes Unternehmen für sich versucht sich in eine Plattform zu verwandeln; manchmal schließen sich mehrere zusammen, deren Lösungen aber nicht die nötigen Skalen- und Verbundeffekte erreichen. Die Unternehmen einer Branche sind meistens wenig geneigt mit anderen Unternehmen beim Datenaustausch zu kooperieren, zumal dann, wenn sie Mitbewerber sind. Die Branchen untereinander sehen keine Veranlassung, in bestimmten Fragen (Standardisierung, Datenaustausch) an einem Strang zu ziehen und Geld in die Hand zunehmen. Das soll der Staat bzw. die EZB machen.
Dieses Vorgehen hat vielleicht noch zu Zeiten der guten, alten Deutschland AG funktioniert. In einer global vernetzten Wirtschaft ist das jedoch zum Scheitern verurteilt. Sofern die Wirtschaft annimmt, dass ein digitaler Euro die alten Zustände wiederherstellt und alle wieder in ihren Kästchen agieren können, liegen sie falsch. Ein digitaler Euro kann nur dann als ein Mittel gegen die Übermacht von GAFA die gewünschte Wirkung erzielen bzw. unterstützen, wenn Industrie, Handel und Banken bereit sind, ihre jeweilige Branchenlogik zu überwinden und sich zu vernetzten. Das bedeutet natürlich auch Machtverzicht und evtl. Zusammenschlüsse und Übernahmen. Insofern stehen die Chancen derzeit schlecht, dass der digitale Euro als letzte Rettung dienen kann.
Zuerst erschienen auf Identity Economy