Von Ralf Keuper

Das Fin­tech-Phä­no­men gibt Rät­sel auf. Trotz über­schau­ba­rer Erfol­ge, der Abkehr von der einst ver­kün­de­ten Revo­lu­ti­on des Ban­king und dem einen oder ande­ren “Skan­dal” ist der Glau­be an Fin­tech und sei­ne Ver­hei­ßun­gen (Demo­kra­ti­sie­rung des Finanz­we­sens, User Expe­ri­ence, bar­geld­lo­ses Bezah­len)  – zumin­dest in Fin­tech-Krei­sen und eini­gen Medi­en – unge­bro­chen. Das legt die Ver­mu­tung nahe, dass die Fin­tech-Erzäh­lung – aus unter­schied­li­chen Grün­den und Inter­es­sen­la­gen – noch immer attrak­tiv und unter­halt­sam ist.

Gera­de der Unter­hal­tungs­wert von Fin­tech soll­te nicht unter­schätzt wer­den.  Den Prot­ago­nis­ten ist es gelun­gen, Fin­tech als Life­style, als Teil der Pop­kul­tur zu eta­blie­ren[1]Fin­tech als Pop­kul­tur. In zahl­rei­chen Medi­en­for­ma­ten sowie Ver­an­stal­tun­gen zele­briert sich die Fin­tech-Com­mu­ni­ty. Beglei­tet wird sie dabei von Medi­en aus dem Start­up- und Tech­no­lo­gie­um­feld. Gemein­sam stri­cken sie an der Fin­tech-Sto­ry. Gera­de in den deut­schen Medi­en, das zeigt nicht nur der Fall Relo­ti­us, ist die Nei­gung groß, den Unter­hal­tungs­wert der Geschich­te gegen­über dem Wahr­heits­ge­halt zu ver­nach­läs­si­gen; kri­ti­sche Recher­chen über­lässt man ger­ne ande­ren, aus­län­di­schen Medi­en. Um so über­rasch­ter ist man dann, wenn tat­säch­lich ein Skan­dal auf­fliegt. Dann aller­dings wird der Vor­fall in allen mög­li­chen Facet­ten aus­ge­brei­tet. Kurz­um: Fin­tech ist Teil der Unter­hal­tungs- und Kul­tur­in­dus­trie gewor­den. Dort herr­schen eige­ne Gesetze.

Einer der weni­gen Anläs­se, einen Blick in die Dia­lek­tik der Auf­klä­rung von Horkheimer/​Adorno zu werfen:

Unwei­ger­lich repro­du­ziert jede ein­zel­ne Mani­fes­ta­ti­on der Kul­tur­in­dus­trie die Men­schen als das, wozu das gan­ze sie gemacht hat. Dar­über, dass der Pro­zess der ein­fa­chen Repro­duk­ti­on des Geis­tes  ja nicht in die erwei­ter­te hin­ein­füh­re, wachen alle sei­ne Agen­ten, vom pro­du­cer bis zu den Frauenvereinen.

Über­tra­gen auf Fin­tech: Wich­tig ist, dass die Geschich­te repro­du­ziert wird, ohne das Ver­lan­gen auf­kom­men zu las­sen bzw. all­zu sehr zu beför­dern, die Auf­füh­rung an sich infra­ge zu stel­len. Die Zuschau­er wür­den es ohne­hin nicht gou­tie­ren, wol­len sie doch in ers­ter Linie unter­hal­ten wer­den, aller­dings mit dem Gefühl oder der Gewiss­heit, Teil der Avant­gar­de zu sein.

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