Von Ralf Keuper
Wenn die Banken den Kontakt zu ihren Kunden auf Dauer nicht verlieren wollen, dann, so der Tenor der Studie Digital Finance: Die nächste Runde im Rennen um die Kunden ist eingeläutet, müssen sie sich von lieb gewonnenen Gewohnheiten und Annahmen trennen. Die digitale Lebenswirklichkeit der Kunden (Vernetzung, Mobilität, Always on – always in touch, Digitales Ich, Sicherheitsbedürfnis, Interaktivität, Usability, Visualisierung, Digitale Assistenten, Medienkonvergenz, Everywhere Commerce, Collaborative Consumption, Crowd Creation) ist nicht kompatibel mit einem Banking, dessen Hauptmerkmale die Kundenansprache über die Filiale und der Vertrieb eigener Produkte sind.
Damit der Graben nicht noch tiefer wird, gehen die Banken verstärkt dazu über, Kooperationen mit Fintech-Startups einzugehen. Fintech-Startups bieten den Kunden eine Erfahrung, die ihnen die Banken (noch) nicht geben können. Beispielhaft dafür ist N26, wo die Kunden in nur acht Minuten ein Girokonto online eröffnen können. Dennoch werde die Fokussierung auf die Entwicklung technologiegetriebener Lösungen das Hauptproblem der Banken nicht lösen. Nötig sei die Entwicklung eigener digitaler Plattformen, um mehr Individualisierung zuzulassen. Als Beispiel ließe sich George von der Erste Bank bringen. Hierfür müssen sich die Banken jedoch von ihrer Produktfixierung lösen und sich mit dem Gedanken anfreunden, Produkte und Services Dritter anzubieten und sich auf die Rolle des Betreibers und Vermittlers zu konzentrieren.
Mit Personal Finance Management 2.0 kann die Bank ihre Rolle als direkter Ansprechpartner der Kunden in Finanzangelegenheiten wieder einnehmen bzw. behaupten. Banken verfügen über eine große Menge an Daten, mittels derer sie den Bedarf der Kunden in Finanzfragen ziemlich genau einschätzen könnten – wäre da nicht das Problem mit den verteilten Datenbanken, die eine Zusammenführung erschweren, wenn nicht unmöglich machen. Sofern es gelänge, die Daten, u.a. durch den Einsatz von Smart Contracts, zu einem umfassenden Bild zusammenzusetzen, könnte die Bank den Kunden in quasi allen Lebenslagen beratend zur Seite stehen, wie das in der Vergangenheit häufig der Fall war. Die Bank sorgt im Idealfall dafür, dass die Kunden solide wirtschaften und die für ihre aktuelle Lebenssituation besten Angebote und Informationen (Finanzierung, Wertpapierberatung, Vorsorge) erhalten. Der Kunde gewährt den Banken einen exklusiven Zugang zu seinen Daten, ähnlich wie die Anbieter von Personal Data Stores, wie Digi.me. Die Bank verwendet die Daten für Services, die sie sich bezahlen lässt.
Die Frage ist nun, ob und inwieweit die Kunden bereit sind, für diesen Service, für das Abo auf finanzielle Sicherheit zu zahlen. Das Angebot muss sich mit dem anderer Plattformbetreiber, wie Apple, Amazon, Alibaba/Alipay und anderer Fintech-Startups sowie weiterer Finanzdienstleister messen lassen. Verfügen Banken überhaupt noch über die Menge an Daten, die sie für ihre Services benötigen? Bisher haben sie eine Sicht auf die Transaktionsdaten, eine ex-post Betrachtung. Um ihre neue Rolle als Plattformbetreiber, als Fintech-Supermarkt glaubhaft ausfüllen zu können, müssen die Banken als Trusted Advisor wahrgenommen werden, der sorgsam und fair mit den Daten der Kunden umgeht. Letztlich kommt es darauf an, das Relationship Banking an die Digitalisierung anzupassen. Insofern könnten demnächst Personal Data Banks oder Banken für digitale Ethik auf der Bildfläche erscheinen.