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Lia­ne Buch­holz for­dert als Spar­kas­sen-Prä­si­den­tin von West­fa­len-Lip­pe schnel­le­re Ent­schei­dun­gen und den Abbau büro­kra­ti­scher Hür­den. Ihre Kri­tik ist berech­tigt – doch als Che­fin eines Regio­nal­ver­ban­des steht sie selbst an der Spit­ze jener mehr­stu­fi­gen Struk­tu­ren, die sie als zu trä­ge bemän­gelt. Ein typi­sches Dilem­ma zwi­schen not­wen­di­ger Reform und insti­tu­tio­nel­ler Selbst­er­hal­tung. Reform­rhe­to­rik und das Wer­fen von Nebel­ker­zen wer­den nicht rei­chen[1]Spar­kas­sen-Prä­si­den­tin sieht Angriff auf Neo­bro­ker noch in 2025

Die deut­schen Spar­kas­sen ste­hen an einem Wen­de­punkt. Das Inter­view mit Lia­ne Buch­holz, Prä­si­den­tin der Spar­kas­sen in West­fa­len-Lip­pe, offen­bart eine Insti­tu­ti­on im Spa­gat zwi­schen not­wen­di­ger Moder­ni­sie­rung und struk­tu­rel­ler Selbst­blo­cka­de. Wäh­rend die Spar­kas­sen­füh­rung den digi­ta­len Wan­del pre­digt und gegen inno­va­ti­ve Fin­tech-Kon­kur­ren­ten wie Neo­bro­ker ankämp­fen will, blei­ben die eige­nen orga­ni­sa­to­ri­schen Struk­tu­ren ein unge­lös­tes Hin­der­nis auf die­sem Weg.


Der Wett­be­werbs­druck nimmt zu

Die Bedro­hung ist real und mess­bar: Neo­bro­ker haben mit ihren benut­zer­freund­li­chen und kos­ten­güns­ti­gen Platt­for­men bereits erheb­li­che Markt­an­tei­le erobert[2]Digi­ta­li­sie­rung im Depot-Onboar­ding: Neo­bro­ker auf dem Vor­marsch, tra­di­tio­nel­le Ban­ken unter Druck. Die Spar­kas­sen reagie­ren dar­auf mit ehr­gei­zi­gen Plä­nen – Wert­pa­pier- und sogar Kryp­to­han­del sol­len noch in die­sem Jahr in die Spar­kas­sen-App inte­griert wer­den. Die­se Öff­nung gegen­über Kryp­to­wäh­run­gen mar­kiert einen bemer­kens­wer­ten Sin­nes­wan­del in einer Orga­ni­sa­ti­on, die lan­ge Zeit skep­tisch gegen­über digi­ta­len Finanz­in­no­va­tio­nen war.

Buch­holz for­dert zudem schnel­le­re Ent­schei­dungs­we­ge und eine Reform der Spar­kas­sen-Gre­mi­en. Damit spricht sie einen neur­al­gi­schen Punkt an: Die kom­ple­xen, viel­tei­li­gen Gre­mi­en­struk­tu­ren gel­ten seit lan­gem als Inno­va­ti­ons­brem­se. Gleich­zei­tig soll die Bün­de­lung der Wert­pa­pier­ab­wick­lung bei nur zwei Eigen­tü­mern – Deka­Bank und DZ Bank – die Effi­zi­enz stei­gern. Doch ob die­se Kon­stel­la­ti­on mit der zusätz­li­chen DWP Bank tat­säch­lich das erhoff­te “Dream-Team” bil­det, bleibt frag­lich. Drei ver­schie­de­ne Insti­tu­tio­nen mit unter­schied­li­chen Kul­tu­ren und Prio­ri­tä­ten könn­ten eben­so neue Koor­di­na­ti­ons­pro­ble­me schaf­fen, statt sie zu lösen.

Hier zeigt sich bereits der ers­te Wider­spruch ihres Reformeifers.

Das Yomo-Deba­kel als Sym­ptom struk­tu­rel­ler Probleme

Das geschei­ter­te Pro­jekt Yomo illus­triert exem­pla­risch, war­um die Spar­kas­sen im digi­ta­len Wett­be­werb zurück­fal­len. Als “N26-Klon” kon­zi­piert, soll­te die App jun­ge, digi­tal-affi­ne Kun­den anspre­chen. Doch das regio­na­le Prin­zip der Spar­kas­sen erwies sich als unüber­wind­ba­res Hin­der­nis: Kun­den wur­den je nach Post­leit­zahl ver­schie­de­nen Spar­kas­sen zuge­ord­net, mit unter­schied­li­chen Kon­di­tio­nen und Ser­vice­leis­tun­gen. Ein Kon­zept, das dem digi­ta­len Mind­set einer Gene­ra­ti­on wider­spricht, die auf ein­heit­li­che, bun­des­weit ver­füg­ba­re Ser­vices setzt[3]Schei­tert Yomo? – Spar­kas­sen wei­ter im Selbst­zer­le­gungs­mo­dus[4]Spar­kas­sen ver­ab­schie­den sich von Yomo.

Das Schei­tern von Yomo ver­deut­licht das grund­sätz­li­che Dilem­ma: Im Inter­net gel­ten kei­ne regio­na­len Gren­zen, aber die Spar­kas­sen-DNA ist ter­ri­to­ri­al geprägt[5]Das Inter­net kennt kein Regio­nal­prin­zip: Ein Dilem­ma für die Spar­kas­sen und Genos­sen­schafts­ban­ken. Die­se Zer­split­te­rung ver­hin­dert die Ent­wick­lung schlan­ker, kun­den­ori­en­tier­ter digi­ta­ler Ange­bo­te, die über­re­gio­nal funktionieren.

Ver­bän­de als Relik­te der Vergangenheit

Beson­ders para­dox wird Buch­holz’ Reform­rhe­to­rik, wenn man ihre eige­ne Posi­ti­on betrach­tet. Als Prä­si­den­tin eines Spar­kas­sen­ver­ban­des ver­kör­pert sie selbst jene Struk­tu­ren, die sie als zu trä­ge kri­ti­siert. Die drei­stu­fi­ge Orga­ni­sa­ti­on der Spar­kas­sen-Finanz­grup­pe – loka­le Insti­tu­te, regio­na­le Ver­bän­de, bun­des­wei­te Spit­zen­ver­bän­de – erzeugt genau jene “ewi­gen Abstim­mungs­schlei­fen”, die sie beklagt.

    Gera­de die mitt­le­re Ver­bands­ebe­ne – die Regio­nal­ver­bän­de – sorgt für Dop­pel­ar­beit, lang­wie­ri­ge Abstim­mun­gen und teils kon­kur­rie­ren­de Inter­es­sen. Sie sind his­to­risch gewach­sen, aber ihre ori­gi­nä­ren Auf­ga­ben (Lob­by­ar­beit[6]Die Lob­by­macht der Spar­kas­sen, Prü­fungs­we­sen, Bera­tung) könn­ten heut­zu­ta­ge durch­aus zen­tra­li­siert oder von gemein­sa­men Ser­vice­ge­sell­schaf­ten über­nom­men werden.

    Kri­ti­ker sehen meh­re­re Grün­de, war­um Ver­bän­de häu­fig Ver­än­de­run­gen bremsen:

    • Eige­ne Macht­ba­sen und Struk­tu­ren sol­len erhal­ten bleiben.
    • Per­so­nal­ent­schei­dun­gen fol­gen nicht immer strikt Leis­tungs­kri­te­ri­en, son­dern auch Loya­li­tät und Netzwerklogik.
    • Refor­men, die die Ver­bands­ebe­ne ver­schlan­ken oder abschaf­fen könn­ten, sto­ßen auf inter­nen Wider­stand – nicht zuletzt, weil sie die­se pres­ti­ge­träch­ti­gen Pos­ten über­flüs­sig machen würden.

    Aus­ge­rech­net der Ver­band West­fa­len-Lip­pe ein Bei­spiel für insti­tu­tio­nel­le Träg­heit: Bei der Auf­ar­bei­tung der NS-Zeit der Spar­kas­sen galt er als einer der Brem­ser, der kri­ti­schen Nach­fra­gen lan­ge aus­wich und die öffent­li­che his­to­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zung ver­zö­ger­te und zuletzt eigen­mäch­tig für been­det erklär­te. Wer heu­te Tem­po und Trans­pa­renz for­dert, soll­te sich an der eige­nen Ver­gan­gen­heit mes­sen las­sen[7]Das eigen­tüm­li­che Geschichts­ver­ständ­nis des west­fä­lisch-lip­pi­schen Spar­kas­sen­ver­ban­des.

    Kon­se­quent gedacht, müss­te Buch­holz die Auf­lö­sung der Ver­bands­ebe­nen for­dern. Deren ursprüng­li­che Auf­ga­ben – Lob­by­ar­beit, Prü­fungs­we­sen, Bera­tung – könn­ten längst von gemein­sa­men Ser­vice­ge­sell­schaf­ten oder zen­tral über­nom­men wer­den. Doch eine sol­che For­de­rung käme einer kar­rie­re­tech­ni­schen Selbst­de­mon­ta­ge gleich[8]Jeden­falls solan­ge, bis ein ande­rer Job zur Ver­fü­gung steht – wie etwa der der DSGV-Prä­si­den­tin.Des­halb bleibt es wohl bei Reformrhetorik.

    Wider­sprü­che und ver­pass­te Chancen

    Auch Buch­holz’ Ein­mi­schung in die NordLB-Debat­te offen­bart die­se Wider­sprü­che. Ihre Emp­feh­lun­gen zur Her­aus­lö­sung der Braun­schwei­gi­schen Lan­des­spar­kas­se mögen stra­te­gisch begrün­det sein, len­ken aber von den drän­gen­den ope­ra­ti­ven Pro­ble­men ab. Wäh­rend Neo­bro­ker täg­lich Markt­an­tei­le gewin­nen, beschäf­tigt sich die Spar­kas­sen­spit­ze mit insti­tu­tio­nel­len Umstruk­tu­rie­run­gen von gerin­ger Kun­den­re­le­vanz. Über­haupt: Das größ­te Pro­blem des Spar­kas­sen­sek­tors stel­len die Lan­des­ban­ken dar[9]Lan­des­ban­ken in der (Dauer-)Krise: Zwi­schen Tra­di­ti­on und Trans­for­ma­ti­on[10]EBA-Stress­test: Kapi­tal­quo­ten deut­scher Lan­des­ban­ken sin­ken teils dras­tisch – Bafin sieht den­noch Sta­bi­li­tät.

    Fazit: Reform ohne Mut zur Konsequenz

    Die Spar­kas­sen ste­hen vor einer tief­grei­fen­den Trans­for­ma­ti­on, doch ihre eige­nen Struk­tu­ren behin­dern den not­wen­di­gen Wan­del. Lia­ne Buch­holz’ For­de­run­gen nach mehr Tem­po und Effi­zi­enz sind rich­tig, aber solan­ge sie nicht bereit ist, die eige­nen Ver­bands­struk­tu­ren radi­kal infra­ge zu stel­len, blei­ben es hoh­le Worte.

    Der digi­ta­le Wett­be­werb war­tet nicht auf lang­wie­ri­ge Gre­mi­en­ent­schei­dun­gen. Wäh­rend die Spar­kas­sen über Refor­men dis­ku­tie­ren, erobern agi­le Fin­tech-Unter­neh­men bereits die Zukunft des Ban­king. Die Zeit der Behä­big­keit mag vor­bei sein, wie Buch­holz betont – doch ohne den Mut zur struk­tu­rel­len Radi­kal­kur bleibt auch die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on der Spar­kas­sen ein unvoll­ende­tes Projekt.


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