.. die .. Mathematisierung des Bankgeschäfts hatte dramatische Folgen für die Werthaltungen der Mitarbeiter – nicht nur bei der Deutschen Bank: Aus Kunden und Klienten der Geschäftsbank wurden im Investmentbanking counterparts, “Gegenparteien”, vielleicht besser noch: “Gegenspieler”. Aus einem in Industrie und Mittelstand ausgerichteten relationship-banking, bei dem Zahl und Qualität der Kunden die entscheidenden Größen waren, wurde ein rein handelsorientiertes, anonymes transaction-banking im Stile der großen amerikanischen Investmentbanken. Nicht mehr die Kundenbeziehungen mit der realen Person standen im Vordergrund, sondern mathematisch orientierte Transaktionen in einem anonymen Abwicklungsprozess. Ethische Erwägungen laufen bei einem solcherart technisch ausgerichteten Investmentbanking zumindest aus der Binnensicht ins Leere, da ein so “effizienter” gestalteter Handel sich gerade dadurch auszeichnet, anonymisiert zu sein. Computer sind nicht moralfähig, sondern nur die sie Programmierenden. Auch die Zahl und vor allem die Qualität der Kunden und Mitarbeiter steht dann nicht mehr zuvorderst im Geschäftsbericht, sondern stetig wachsende Bilanzsummen und gehandelte Volumina.
Quelle: Tod eines Investmentbankers. Eine Sittengeschichte der Finanzbranche, von Nils Ole Oermann