Als Margret Thatcher in den 1980er Jahren die Wirtschaftspolitik Großbritanniens neu ausrichtete und von da an die Maxime galt, dass der Staat sich so weit wie möglich aus dem Wirtschaftsgeschehen herauszuhalten hatte und die Bürgerinnen und Bürger ihr Schicksal selbst in Hand nehmen sollten, war dies für den Finanzsektor der Landes der Beginn einer neuen Ära. Finanzprodukte erhielten den Rang von Konsumgütern, die allen Bürgerinnen und Bürgern, die über gesunden Menschenverstand verfügten, frei zugänglich waren. Das Einkaufserlebnis in sog. Aktienmärkten sollte ähnlich dem in einem Supermarkt oder Kaufhaus sein[1]Diese Aktienläden sind der Inbegriff der Übertragung des privaten Aktienbesitzes in den öffentlichen Raum. Sie repräsentierten die Konvergenz der Praktiken, Mentalitäten und Subjektivitäten des … Continue reading. Die Forschung fasst dieses neue Phänomen unter dem Begriff des “Finanzkonsumismus” zusammen.
Nun hätte die Politik alleine nicht für die nötigen Veränderungen sorgen können. Es waren die aktive Mitwirkung der Banken, des Journalismus[2]Für den Finanzkonsum war die Verlagsbranche von zentraler Bedeutung. Zeitungen wie The Times, Guardian, Sun, Mirror und Daily Mail enthielten eine wachsende Zahl von Artikeln, die sich an … Continue reading und weiterer Akteure, wie im Bereich des Kapitalmarkt- und Aktienrechts, ebenso wie neue Technologien erfo…
References
↑1 | Diese Aktienläden sind der Inbegriff der Übertragung des privaten Aktienbesitzes in den öffentlichen Raum. Sie repräsentierten die Konvergenz der Praktiken, Mentalitäten und Subjektivitäten des Konsums mit den Mechanismen, Dienstleistern und Investoren von Finanzprodukten. Ihr Auftauchen Mitte der 1980er Jahre war ein Zeichen dafür, dass sich der Aktienhandel von einer Form der individuellen Investition zu einer Form des Konsums entwickelte. Vor allem aber waren sie eine wettbewerbsorientierte Geschäftstaktik, die darauf abzielte, die Kundschaft derjenigen potenziellen Anleger zu gewinnen, die normalerweise keinen Fuß in einen Londoner Börsenmakler setzen würden. In der Tat schienen die Variationsmöglichkeiten, die Phantasie und der Ehrgeiz derjenigen, die auf dem Markt für den Aktienhandel mit Privatanlegern tätig waren, keine Grenzen zu kennen. Save and Invest Money Shop in Glasgow wollte das Konzept franchisen, während die Birminghamer Börse einen Stock Exchange Shop mitten im Bahnhof von Birmingham International eröffnete.93 Hier ermöglichte ein „Dienstplan von diensthabenden Börsenmaklern am Ende einer Telefonleitung den Anrufern, Aktien an Ort und Stelle zu kaufen und zu verkaufen“, vermutlich auf ihrem morgendlichen oder abendlichen Weg zur Arbeit. David Shamash, ein 21-jähriger „Importeur/Exporteur von Phantasiewaren“, berichtete der Daily Mail, in: Edwards, A. (2017). ‘Financial Consumerism’: citizenship, consumerism and capital ownership in the 1980s. Contemporary British History, 31(2), 210–229. https://doi.org/10.1080/13619462.2017.1306195 |
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↑2 | Für den Finanzkonsum war die Verlagsbranche von zentraler Bedeutung. Zeitungen wie The Times, Guardian, Sun, Mirror und Daily Mail enthielten eine wachsende Zahl von Artikeln, die sich an Erstanleger richteten. Sie ermutigten den Einzelnen, sich die Eigenschaften der Unternehmerklasse anzueignen, um die jüngste „Erfolgsgeschichte“ der Thatcher-Regierung zu werden, und machten sich den Gedanken zunutze, dass der Markt eine „Leistungsgesellschaft“ sei, die im Sinne der „Selbsthilfe“ von Smile für soziale Mobilität sorgen könne. Dementsprechend wurden in den Finanzspalten Personen wie Anita Roddick, Richard Branson und Alan Sugar als „Helden des privaten Unternehmertums“ und als Beispiele für gewöhnliche Menschen, die zu Millionären wurden, gefeiert, in: ebd. |