Von Ralf Keuper
Die Fintech-Euphorie treibt weiter seltsame Blüten. Um die eigene Sicht zu untermauern, werden, wie in Zeiten der Dotcom-Blase (Wir erinnern uns: Damals war Pixelpark fast genauso viel wert, wie die Konzernmutter Bertelsmann), die Bewertungen der sog. Einhörner herangezogen und denen der Etablierten, wie hier der Banken gegenübergestellt, und siehe da: Die Einhörner haben die Banken schon jetzt an Börsenwert übertroffen. Nachzulesen in Die 150-Milliarden-Dollar-Clique: FinTechs hängen Banken jetzt schon ab. (Nebenbei: Die mit Abstand größten und wohl auch wertvollsten Bankengruppen Deutschalnds, die Sparkassen und Genossenschaftsbanken, sind nicht an der Börse notiert). Als Parade-Fintech-Einhorn muss PayPal herhalten. Das Unternehmen ging erst vor wenigen Wochen an die Börse. Ob und inwieweit der Wert aussagekräftig genug ist, um die deutlich länger notierten Banken auf die Verliererposition zu setzen, darf durchaus bezweifelt werden. Überhaupt steht die These mit der PayPal-Bewertung, die den Löwenanteil für den Bereich Fintech repräsentiert.
Das ist doch arg konstruiert. Oder, frei nach Hegel:
Wenn die Fakten nicht zur Theorie passen; schlecht für die Fakten!
Oder umgangssprachlich:
Watt nicht passt, wird passend gemacht!
Wie wäre es denn, wenn man den fünf größten börsennotierten deutschen Banken mal die fünf größten deutschen Fintechs, und nicht hauptsächlich amerikanische, zur Seite stellen würde? Wie das Ergebnis dann wohl aussähe .… und bei der Gelegenheit dann noch die fünf größten börsennotierten US-Banken mit den fünf größten Fintechs … ? Der Vergleichsmaßstab wäre m.E. deutlich angemessener. Nur mal so.
Wie sagte André Gide:
Ich nenne “Journalismus” alles, was morgen weniger interessant ist als heute.
Weitere Informationen:
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