Von Ralf Keuper
Das Bargeld hat in der Welt scheinbar nur noch wenig Freunde. Von verschiedenen Seiten wird ihm die Existenzberechtigung abgesprochen, insbesondere von Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf der Verwirklichung der Bargeldlosen Gesellschaft abgestellt ist, wie Paypal und Visa. Fast scheint es so, als würde ein Feldzug, eine Propaganda-Schlacht gegen das Bargeld geführt; ein Eindruck der sich sich während der Lektüre von The War on Cash bestätigt. Dabei meinen es die Verfechter der Bargeldlosen Gesellschaft doch nur gut mit uns. Der Autor Scott Garrett stellt fest:
An orchestrated strategy to make us feel weird about cash. Propaganda is a key weapon of war, and all sides present themselves as liberators. Visa comes across like a paternalistic commander when assuring us that we – like a baby taking first steps – will feel a sense of achievement at liberating ourselves from the burden of cash dependence. Visa’s technology offers freedom without dependence or dangers.
Viele Medien, so Garrett, lassen sich bereitwillig für die Anti-Bargeld-Kampagnen einspannen:
Very few media champions defend cash. It is like a taken-for-granted public utility, whereas digital payments platforms are run by private companies with an incentive to flood the media with their key messages. When they fight this war, their target is our cultural belief in cash, and the belief that its provision should be a public right.
Jeder, der sich für den Erhalt der Bargelds einsetze, wirke in der öffentlichen Diskussion schnell als rückständig und fortschrittsfeindlich; ein Vorwurf, den sich heute kaum noch jemand machen lassen will. Wer nicht in den Chor der Futuristen und selbsternannten Disruptoren einstimmt, setzt sich dem Vorwurf aus, das Glück der Menschheit – wenn auch mit guten Absichten – verhindern zu wollen. Gerne greifen die Befürworter der Bargeldlosen Gesellschaft auf Ausdrücke und Formulierungen mit Absolutheitsanspruch zurück:
To create a trend you should also present it as something that other people demand. A sentence like “All over the world, people are switching to digital payments” is not there to describe what other people want. It’s there to tell you what you should want by making you feel out of sync with them.
Letztlich sei es der “Markt”, der für die Durchsetzung der Bargeldosen Gesellschaft sorgen werde. Das Hauptargument lautet:
If digital payment transaction costs are lower, then cash will rightly die.
So simpel sei das, so Garrett, jedoch nicht. Der Markt alleine, dafür ist die Finanzkrise von 2008 ein Beispiel von vielen, kann es alleine nicht richten:
Our sense of what constitutes a legitimate choice does not form in a vacuum. We are born into social power structures that tell us what normality is, and that shame us for not choosing ‘correctly’. You might be a rebel who challenges prevailing cultural norms, but those norms are conditioned by those with the greatest financial and media clout. At this moment the blaring of propaganda extolling the short-term conveniences of digital payment is dulling our critical impulses to rearrange our cultural DNA. Who is thinking about the longer-term implications of building our lives around these systems, and thereby locking ourselves into dependence upon them?
Insofern besteht die Gefahr, dass durch Gruppendruck und soziale Normen, die freie Wahl, d.h. ob ich mit Bargeld oder Online/per Smartphone zahle, deutlich eingeschränkt wird. Für den Fall, dass Bargeld verboten wird, besteht die Wahlmöglichkeit überhaupt nicht mehr. Mit Freiheit habe das nur wenig zu tun. Ferner führt die Bargeldlose Gesellschaft zum Gläsernen Bürger, der sich gerne oder ohne große Einwände überwachen lässt; für die jüngere Generation schon bald der Normalzustand:
The proclaimed Death of Cash is thus an episode in the broader drama that is the Death of Privacy, the death of breathing room, and the death of informal, non-measured, unaccounted-for behaviour. Every action you take must forever be attached to your digital persona, dragging with it a data trail extending back to the day you were born. We face creating an entire generation of people who do not know what it feels like to not be monitored.
Indirekte Unterstützung bekommt Garrett von FTA Alphaville in DLTs and the “can’t we all just get along? barrier. Wenn die Blockchain so eingesetzt wird, wie sich das zahlreiche Vertreter dieser Technologie vorstellen, d.h. die volle Gleichförmigkeit und Transparenz der Transaktionen umgesetzt wird, sei das , so die Autorin Izabella Kaminska, in der Konsequenz eine Form von Daten-Kommunismus. Jeder Teilnehmer, der sich nicht dem Verfahren unterwirft, der sich nicht vollständig anpasst, kann am Wirtschaftsleben nicht mehr oder nur noch in stark eingeschränktem Umfang teilnehmen.
Darüber sollte man zumindest nachdenken.
Weitere Informationen:
Bargeld ist geprägte Freiheit !? #2