Von Ralf Keuper
Bankgebäude geben für gewöhnlich wenig Anlass für architekturtheoretische Betrachtungen. Da ist bzw. war die Niederlassung der Landeszentralbank im thüringischen Meiningen eine Ausnahme. Dort hatte man von 1998 bis 2000 ein Landesdepot errichtet, um die Bargeldbestände der D‑Mark einzusammeln und sie gegen Euro umzutauschen, wie Gerwin Zohlen in der FAZ vom 13.10.2017 in Wo Geld sein sollte, wird Kunst sein berichtet. Insofern das übliche Aufgabenspektrum einer Bundesbank-Filiale; außergewöhnlich war dagegen die Architektur des Gebäudes, für die mit Hans Kollhoff einer der renommiertesten Architekten hierzulande verantwortlich war.
Bemerkenswert an diesem eigentlich schnöden-monetären Vorgang ist, dass die Bundesbank einen der besten Architekten seiner Generation beauftragte, ihr den Tresor zu erstellen.
Herausgekommen ist dabei ein architektonisches Kleinod mit Anleihen an die Renaissance.
In Meiningen steht das Gebäude wie ein Renaissance-Palazzo aus Florenz oder Lucca da, die Traufe kragt weit über die zahnfriesartige Fensterreihe, mit der die beiden Obergeschosse abgeschlossen werden. Auf der Rückseite ist eine schmucke Loggia hoch eingeschnitten, die Rustika aus regionalem Sandsein umspannt sehr fest das gesamte Sockelgeschoss; wehrhaft und doch zur Eleganz gebändigt, kein wuchtiger Geld-Koloss, sondern ein architektonisch kultiviertes Bank-Haus.
Der Innenraum steht der Fassade an (schlichter) Eleganz nicht nach:
Beim Betreten staunt man über Pracht und Gediegenheit ohne jeden Punkt und Glamour. Nach Art von Adolf Loos ist das Entrée im bläulich geaderten Cippolino-Marmor gehalten; das berühmt-berüchtigte materiale Ornament des Wiener Altmeisters ist dabei mit einer Sorgfalt gesetzt, die ihresgleichen sucht. Die Steinadern erzeugen figurale Muster von Schmetterlingen oder Flughunden. Baubronze and Schaltern, Türen und Lichtdecken, Nussbaumholz fürs Mobiliar und an den Wänden, dazu Eichenparkett – im einstigen Koferenzraum der Banker könnten gut und gerne auch Kardinäle tagen. Über dem Hauptportal lockert ein Glasfenster des Schweizer Künstlers Helmut Federle die strenge Fassade auf und ein formidabler Opalglas-Leuchter hängt als Stalakit im Treppenhaus. Alles ist vom Feinsten, aber nichts ist protzig: ein Ideal der alten Bundesrepublik.
Für das Landesdepot besteht mittlerweile kein Bedarf mehr. Die Architekten Nicolas Perren und der Bauingenieur Ulrich Schulte kauften der Bundesbank das Bank-Haus ab und errichteten darin ein Zentraldepot für Kunst- Wertgegenstände, wie Autos, Gemälde, Fotos oder Uhren, so dass von einer adäquaten Nachnutzung gesprochen werden kann.
Den Sammlern und Händlern können Sicherheit, Diskretion und Anonymität garantiert werden, die beim Bankgeschäft trainiert wurden.
Ein gutes Geschäft war der Verkauf für die Bundesbank indes nicht. Für den 20 Millionen-Bau setzte sie einen Verkaufspreis von 3.3 Mio. Euro an (Vgl. dazu: Bundesbank sucht in Meiningen Käufer).
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