Trade Financing ist ein komplexer Prozess mit vielen Beteiligten, was die Standardisierung mittels IT bislang erschwert hat. Mit dem LiquidityHub der Adamant Lane AG wird Banking as a Microservice Realität. Marktanforderungen lassen sich damit schnell und zeitgerecht umsetzen, ohne die Compliance-Anforderungen zu vernachlässigen, so Otto Johannsen (Foto), Co-Gründer und CTO der Adamant Lane AG, im Interview mit Bankstil.
- Herr Johannsen, was genau ist Ihre Aufgabe bei der Adamant Lane AG und welche Erfahrungen bringen Sie dafür mit?
Meine Aufgaben sind vielfältiger Natur. Je nachdem welchen Hut ich aufhabe, d.h. in welcher Rolle ich agiere, sind sie unterschiedlich. Im Hinblick auf unsere Leistung, also in der Produktion, bin ich der product owner, d.h. ich lege die funktionale und die prozessuale Sicht fest, die letztendlich das Banking as a Service Produkt ausmacht. Als Chief Technology Officer bin ich dann eher für die Unternehmenssteuerung zuständig, also die strategisch-technische Ausrichtung. Als Voraussetzung bringe ich neben einem abgeschlossenen Studium, praktischer Produktentwicklung in einer Bank, zwanzig Jahre Erfahrung in der Softwareentwicklung, Unternehmensleitung und Partnermanagement im SAP-Umfeld mit.
- Welches Problem auf Kundenseite wollen Sie mit dem LiquidityHub lösen? Können Sie uns ein Beispiel geben?
Ganz vereinfacht gesprochen lösen wir mit dem Banking as a Microservice das „Einfach-tun“-Problem. Wir haben auf der einen Seite eine Struktur geschaffen, die Marktanforderungen z.B. in der Produktentwicklung schnell und zeitgerecht umsetzen kann, ohne die Complianceanforderungen im internationalen Umfeld aus den Augen zu verlieren. Konkret heißt das, dass unserer Kunde einfach neue Produkte in unterschiedlichen Jurisdiktionen oder bestehende Produkte in neuen Umfeldern einführen kann, ohne große Budgets zu bewegen oder Projektorganisationen aufbauen zu müssen. Kosten- und Zeiteffizienz lassen auch Installationen für Testmärkte zu. Darüber können wir jeden benötigten zusätzlichen Service wie die Anbindung von z.B. Zahldienstleistern oder Kreditversicherungen zeitnah bereitstellen.
- Was macht SAP als Backbone/Plattform für den LiquidityHub wie überhaupt für das Trade Financing geeignet?
In unserem Zusammenhang ist SAP zum einen der Technologielieferant und zum anderen der Softwarehersteller des weltweit leistungsfähigsten ERP Systems. Erst in der Kombination von Technologien wie der SCP (SAP cloud platform), SAC (SAP analytics cloud), HANA Datenbank (in memory technology database design)und anderen mit den weltweit erprobten Prozessen aus dem SAPS/4HANA ERP entsteht die fantastisch gute Eignung für das trade finance Geschäft. Schließlich werden weltweit die Prozesse der physischen supply chain mehrheitlich mit SAP-Technologien und Software gesteuert. Wir synchronisieren die physische supply chain mit der financial supply chain.
- Trade Financing ist ein sehr komplexer Prozess mit vielen Beteiligten, verschiedenen Jurisdiktionen und z.T. auch kulturellen Unterschieden zwischen den Weltregionen – lässt sich das überhaupt softwaretechnisch abbilden?
Ja, zum Glück haben wir einen Weg gefunden, der sowohl den am Prozess Beteiligten als auch den regionalen Besonderheiten, wie z.B. Rechnungslegungsvorschriften, gesetzliches Berichtswesen, Complianceanforderungen aber auch Marktusancen wie Produktausdifferenzierungen z.B. purchase order finance in den USA oder Akkreditiven in Asien Rechnung trägt. In unserer Architektur geht es um das Zusammenspiel der unterschiedlichen Systeme für jeweils einen spezifischen Zweck. So wäre z.B. ohne ein ERP System wie das SAP S/4, das bereits alle Rechnungslegungsvorschriften beinhaltet, die multi-jurisdiction Abdeckung nicht möglich.
- Was unterscheidet den LiquidityHub von den Blockchain-basierten Lösungen am Markt – ist die Blockchain für Sie ein Thema?
Wir sind hier gar nicht so verschieden. Und obwohl wir sehr technikaffin sind, fragen wir doch immer nach dem Zweck von Technologien im Businesskontext. Wir sehen z.B. Blockchain-Technologien in Bezug auf die Verarbeitung von Akkreditiven als einen absolut sinnvollen Weg. Wenn wir an reverse factoring denken, dann finden wir das eher nicht erforderlich. Also ja, für uns ist Blockchain ein Thema. Und auch hier haben wir in der SAP den richtigen Technologiepartner mit der Business Technology Platform.
- Wie geht der LiquidityHub mit neuen funktionalen Anforderungen um?
Eine neue funktionale Anforderung ist zunächst einmal neu für die Plattform. Wir suchen deshalb zunächst in unserem Ecosystem nach einer bereits bestehenden Lösung, die wir integrieren können. Werden wir dort nicht fündig, dann suchen wir im erweiterten Umfeld und binden etwaige bestehende Lösungen über APIs an. Erst wenn wir nichts Adäquates finden, entwickeln wir die fehlende Funktionalität im Sinne eines Microservices mit unserer Entwicklungsmannschaft selbst.
- Sie haben für die Entwicklung des LiqudityHubs 12 Monate benötigt, was für eine Lösung dieses Umfangs ausgesprochen kurz ist. Wie war das möglich?
Lassen Sie mich an dieser Stelle eine Analogie verwenden. Wenn man mit neuen Schiffen zu neuen Ufern aufbrechen will, dann muss man mehr als sonst der Windstille und des Sturmes gedenken. D.h. es muss einfach alles stimmen und man muss es bedacht haben, bevor man ablegt. Konkret hat neben der Auswahl der richtigen Technologien, der Datenbanken, der Systeme ebenso der gewählte Technologiepartner, das Partnermanagement, das staffing des Projektteams, die Projektmethode sowie das Einverständnis der anderen stakeholder Einfluss auf den Erfolg. Alle diese Elemente sind auf dem kritischen Pfad. Hilfreich war natürlich auch, dass es einen gemeinsamen, zwanzigjährigen track record der verantwortlich Handelnden gibt. Man könnte auch sagen, dass Umwege die Ortskenntnis erhöhen, wir also viele Fehler von vornherein vermeiden konnten. Zudem hatten wir im Rahmen einer Co-Innovation Zusammenarbeit die Unterstützung unseres Technologiepartners SAP.
- Ist der LiquidityHub “nur” auf Trade Finance ausgelegt oder eignet er sich auch für andere Anwendungsszenarien im Finanzierungsumfeld?
Trade finance ist natürlich ein unglaublich spannendes Umfeld und wir fühlen uns dort auch sehr wohl. Aber der LiquidityHub ist von seiner ganzen Anlage und Architektur dazu gemacht, weitere Anwendungsszenarien abzudecken. Tatsächlich können wir zur Zeit keine Grenze für weitere Finanzprozesse auf der Plattform erkennen.