Auf einer Ver­an­stal­tung in die­ser Woche sag­te der Chef der BaFin, Mark Bran­son, dass es bei den deut­schen Insti­tu­ten der­zeit kei­ne ratio­na­len Grün­de für eine Finanz­kri­se gäbe. “Aber es gibt auch irra­tio­na­le Ängs­te. Die­sen psy­cho­lo­gi­schen Fak­tor soll­te man nicht unter­schät­zen[1]https://twitter.com/a_kroener/status/1655848477442678786.

Das beinhal­tet die Annah­me, dass sich die Märk­te und die auf ihnen täti­gen Akteu­re die meis­te Zeit ratio­nal ver­hal­ten und die Fak­ten rich­tig bewer­ten und sich nicht von “irra­tio­na­len” Ängs­ten lei­ten las­sen. Nur wenn – aus was für Grün­den auch immer – die “irra­tio­na­len” Ängs­te über­hand­neh­men und das Her­den­ver­hal­ten ein­setzt, kommt es zu Kri­sen, sprich Kurs­stür­zen und Bank­zu­sam­men­brü­chen – obwohl sich an den Fak­ten nichts bzw. nichts gra­vie­rend geän­dert hat.

Nach die­ser Les­art geht es bei der Ent­ste­hung von Bla­sen über­wie­gend ratio­nal zu – beim Plat­zen der­sel­ben jedoch über­neh­men irra­tio­na­le Ängs­te die Kontrolle.

Nun ist eine Erkennt­nis aus den ver­gan­ge­nen Finanz­kri­sen die, dass Finanz­märk­te nicht ratio­nal den­ken[2]Vgl. dazu: Finanz­märk­te den­ken nicht ratio­nal[3]Vgl. dazu: Ratio­na­li­täts­fik­tio­nen des Anla­ge­ver­hal­tens auf Finanz­märk­ten[4]Vgl. dazu: Finanz­markt: Wenig ratio­na­le Ent­schei­dun­gen[5]Vgl. dazu: Das Mär­chen vom ratio­na­len Inves­tor. Eher ist es so, dass irra­tio­na­les Ver­hal­ten an den Finanz­märk­ten die Regel ist. In dem Buch Play­ing the Mar­ket. Retail Invest­ment and Spe­cu­la­ti­on in Twen­tieth Cen­tu­ry Bri­tain stellt der Autor die The­se auf, “dass das Glücks­spiel, nicht wie vie­le Finanz­ex­per­ten uns glau­ben machen wol­len – ein para­si­tä­res Ele­ment in der ansons­ten ratio­na­len und umsich­ti­gen Sphä­re der moder­nen Finanz­welt ist. Es ist viel­mehr eines sei­ner kon­sti­tu­ie­ren­den Merk­ma­le und erklärt, war­um der Akti­en­markt bis heu­te ent­we­der als Casi­no kri­ti­siert oder gefei­ert wird”.

Ich wäre ein Pen­ner auf der Stra­ße mit einem Zinn­hut auf dem Kopf, wenn die Märk­te effi­zi­ent wären. (War­ren Buffett)

Oder, um mit Ray Dalio zu spre­chen, es ist eigent­lich nur inter­es­sant, an wel­cher Stel­le im Auf und Ab der Märk­te wir uns gera­de befin­den[6]Whe­re We Are in the Big Cycle of Money, Cre­dit, Debt, and Eco­no­mic Acti­vi­ty[7]How The Eco­no­mic Machi­ne Works by Ray Dalio. Das Auf und Ab sel­ber ist der Nor­mal­fall – dabei ist es zweit­ran­gig, wel­che aus­lö­sen­den Ereig­nis­se es dies­mal sind.

Ein wei­te­res Erklä­rungs­mus­ter sind die fünf Stu­fen für die Ent­wick­lung von Bla­sen nach Hyman Min­sky[8]Min­sky und die Kri­sen des Kapi­ta­lis­mus.

  • Ver­drän­gung (Auf­re­gung der Anle­ger durch ein neu­es Para­dig­ma, z. B. Fort­schrit­te in der Tech­no­lo­gie oder his­to­risch nied­ri­ge Zinsen)
  • Boom (Die Prei­se stei­gen zunächst lang­sam, neh­men dann aber Fahrt auf, wenn mehr Teil­neh­mer auf den Markt kom­men. Die Furcht, etwas zu ver­pas­sen, zieht noch mehr Teil­neh­mer an. Folg­lich steigt die Bekannt­heit der betref­fen­den Anlageklasse)
  • Eupho­rie (Die Prei­se von Ver­mö­gens­wer­ten stei­gen expo­nen­ti­ell an; bei der Ent­schei­dungs­fin­dung sind kaum noch ratio­na­le Grün­de erkenn­bar. In die­ser Pha­se wer­den neue Bewer­tungs­maß­stä­be und Metri­ken ange­prie­sen, um den unauf­halt­sa­men Anstieg der Ver­mö­gens­prei­se zu rechtfertigen.)
  • Gewinn­mit­nah­men (Die weni­gen, die erkannt haben, was vor sich geht, machen ihren Gewinn, indem sie ihre Posi­tio­nen ver­kau­fen. Dies ist der rich­ti­ge Zeit­punkt, um aus­zu­stei­gen, wird aber von der Mehr­heit nicht erkannt)
  • Panik (Inzwi­schen ist es zu spät, und die Prei­se für Ver­mö­gens­wer­te bre­chen so schnell ein, wie sie einst gestie­gen sind. Da jeder ver­sucht, aus der Situa­ti­on Kapi­tal zu schla­gen, über­steigt das Ange­bot die Nach­fra­ge und vie­le müs­sen gro­ße Ver­lus­te hinnehmen)

Chris­ti­an Mei­er beschrieb in sei­nem Buch[9]Mitt­ler­wei­le ist es ein Klas­si­ker Leh­ren aus Ver­lus­ten im Kre­dit­ge­schäft Schweiz aus dem Jahr 1996 den Zyklus von der Kre­dit­kri­se zum Kre­dit­boom und wie­der zurück:

Der Zyklus von der Kre­dit­kri­se zum Kre­dit­boom lässt sich wie folgt skiz­zie­ren: Im Anschluss an eine Pha­se hoher Kre­dit­ver­lus­te besin­nen sich die Ban­ken auf die bewähr­ten Grund­sät­ze der Kre­dit­ver­ga­be und stel­len “als gebrann­te Kin­der” wie­der höhe­re Anfor­de­run­gen an die Boni­tät ihrer Kre­dit­neh­mer. Nach­dem der Wirt­schafts­auf­schwung ein­ge­setzt hat, ent­steht aber unter den Ban­ken schon bald ein neu­er Kampf um Markt­an­tei­le. Um Geschäf­te abschlie­ßen zu kön­nen, wer­den gerin­ge­re Zins­mar­gen und län­ge­re Kre­dit­lauf­zei­ten in Kauf genom­men, und die Ban­ken zei­gen eine zuneh­men­de Bereit­schaft, höhe­re Risi­ken ein­zu­ge­hen. Je län­ger der Wirt­schafts­auf­schwung dau­ert, des­to mehr rückt das Volu­men­den­ken wie­der in den Vor­der­grund. Die Ban­ken las­sen sich dabei von den kurz­fris­ti­gen Gewinn­aus­sich­ten blen­den und die inter­nen Kon­trol­len wer­den gelo­ckert, da die­se immer mehr das Neu­ge­schäft zu blo­ckie­ren begin­nen. Das in der Auf­schwung­pha­se ent­ste­hen­de Sicher­heits­ge­fühl ver­lei­tet die Ban­kiers zu einer gewis­sen Sorg­lo­sig­keit und zu einer neu­er­li­chen Abkehr von kre­dit­po­li­ti­schen Grund­sät­zen. Beim Ein­set­zen der nächs­ten Rezes­si­on wer­den dann die ver­gan­ge­nen Sün­den aber­mals sicht­bar und füh­ren zu einer wei­te­ren Wel­le von Kre­dit­ver­lus­ten, womit der Zyklus von neu­em beginnt.

An ande­rer Stel­le schreibt er:

Fehl­ent­wick­lun­gen im Kre­dit­ge­schäft schei­nen immer wie­der nach einem ähn­li­chen Mus­ter zu ver­lau­fen. In einer Stu­die des Cent­re for the stu­dy of finan­cial inno­va­ti­on bedau­ern bri­ti­sche Ban­kiers, dass der Her­den­trieb der Bran­che und die man­gel­haf­te Bereit­schaft zu einer strik­ten Kre­dit­kon­trol­le immer wie­der zu Kri­sen führ­te. Die Ban­ken wür­den lie­ber den glei­chen Feh­ler wie alle ande­ren machen, anstatt das Risi­ko selb­stän­di­ger Ent­schei­dun­gen und eige­ner Feh­ler einzugehen.

Alles wie gehabt. Auf ein Neues.