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Mängel in der Geldwäscheprävention, unzureichende Risikoanalyse, defizitäres EDV-Monitoring – die BaFin-Anordnungen gegen die Raisin Bank lesen sich wie ein Lehrbuch der Compliance-Versäumnisse. Doch die jüngsten Probleme sind kein isolierter Einzelfall, sondern der vorläufige Höhepunkt einer jahrelangen Serie systemischer Defizite. Von Wirecard über Greensill bis zu den aktuellen Mängeln bei der Geldwäscheprävention – die Geschichte der deutschen Fintech-Branche zeigt exemplarisch, wie aus verpassten Lernchancen systemische Risiken entstehen und warum erst der neue BaFin-Chef Mark Branson den längst überfälligen Kurswechsel einleitete.
Eine Chronik des Versagens
Die Geschichte der regulatorischen Probleme bei Raisin beginnt nicht erst 2023 mit der formellen BaFin-Anordnung wegen Mängeln in der Geldwäscheprävention. Sie hat ihre Wurzeln bereits in der Greensill-Pleite von 2021, als sowohl Raisin als auch der Fusionspartner Deposit Solutions mehrere hundert Millionen Euro Kundengelder an die später kollabierte Greensill Bank vermittelt hatten. Dass die Zinsplattformen zusätzlich Verbindungen zur fragwürdigen Wylands Bank unterhielten, die dem Greensill-Kunden Sanjeb Gupta gehörte, zeigt ein beunruhigendes Muster mangelnder Due Diligence bei der Partnerauswahl.
Bereits damals warfen Kritiker wie Hauke Reimer den Zinsplattformen “Missbrauch der Einlagensicherung” vor – ein Geschäftsmodell, das privatisierte Gewinne mit sozialisierten Verlusten kombiniert. Die staatliche Einlagensicherung wurde zur Grundlage eines Geschäfts, das riskante Anlagen für Kleinsparer durch den Schutzschirm des Staates attraktiv machte, ohne die wahren Risiken transparent zu kommunizieren.
Eskalation unter den Augen der Aufsicht
Statt aus dem Greensill-Debakel zu lernen, setzte sich die Problemspirale bei Raisin fort. Bereits 2023 häuften sich Kundenbeschwerden über Verzögerungen bei Auszahlungen und schlechten Service – klassische Warnsignale für operative oder liquiditätsbedingte Schwierigkeiten. Die BaFin schaltete sich zwar ein, aber eine systematische Überprüfung des Geschäftsmodells blieb zunächst aus.
Die formelle Anordnung im Dezember 2023 offenbarte dann das ganze Ausmaß der Compliance-Defizite: Mängel in der Risikoanalyse, der Kundenbewertung und im EDV-Monitoring – zentrale Bereiche der Geldwäscheprävention, die bei einer international agierenden Plattform wie Raisin besonders kritisch sind. Die BaFin sah die Gefahr, dass Risikokunden nicht erkannt und verdächtige Transaktionen übersehen werden könnten.
Branson’s überfälliger Kurswechsel
Dass diese Probleme erst unter BaFin-Präsident Mark Branson konsequent angegangen werden, ist kein Zufall. Branson, der Anfang 2022 von der Schweizer Finma kam, brachte einen deutlich schärferen Aufsichtsstil mit als sein Vorgänger Felix Hufeld. Statt die Fintech-Branche als innovationsbedürftigen Sonderfall zu behandeln, der regulatorische Nachsicht verdient, werden nun die gleichen Standards wie für traditionelle Banken durchgesetzt.
Das erklärt auch, warum scheinbar plötzlich so viele deutsche Fintechs gleichzeitig Probleme haben – von N26 über Solaris bis zu Raisin. Es ist weniger ein Zufall als vielmehr das Ergebnis einer konsequenteren Aufsichtspraxis, die die Versäumnisse der Vergangenheit aufarbeitet.
Systemische Lehren
Der Fall Raisin steht exemplarisch für ein fundamentales Problem der deutschen Fintech-Regulierung: Zu lange wurde Innovation über Compliance gestellt, Wachstum über Risikomanagement. Die Hoffnung, dass sich regulatorische Probleme “auswachsen” lassen, erwies sich als Trugschluss. Stattdessen entstanden systemische Risiken, die heute mühsam und kostspielig behoben werden müssen.
Besonders brisant wird das bei Zinsplattformen, die als Schnittstelle zwischen verschiedenen europäischen Banken agieren. Compliance-Mängel werden hier schnell zu grenzüberschreitenden Risiken. Die von der BaFin erwogene Einstufung als Finanzholding würde diesem systemischen Charakter Rechnung tragen und die Kontrolle nochmals verschärfen.
Ein Präzedenzfall mit Signalwirkung
Raisin hat zwar prompt auf die BaFin-Anordnungen reagiert, externe Berater engagiert und in Personal sowie Kontrollsysteme investiert. Doch der Reputationsschaden ist bereits entstanden – und er betrifft nicht nur das Unternehmen selbst, sondern die gesamte deutsche Fintech-Branche.
Die Botschaft ist eindeutig: Das “Move fast and break things”-Prinzip der Tech-Branche funktioniert im regulierten Finanzsektor nicht. Nachhaltige Finanzinnovation erfordert von Beginn an robuste Compliance-Strukturen, nicht nachträgliche Schadensbegrenzung.
Der Fall Raisin ist damit mehr als ein unternehmensindividuelles Problem – er markiert das Ende einer Ära regulatorischer Nachsicht und den Beginn einer neuen Aufsichtsphilosophie, die Innovation und Compliance als gleichberechtigte Erfolgsfaktoren behandelt. Für die deutsche Fintech-Branche bedeutet das: anpassen oder verschwinden.
Quellen:
Mangelnde Geldwäscheprävention: Bafin rügt Raisin Bank
WeltSparen, Zinspilot und die Einlagensicherung
Auch WeltSparen im Visier der BaFin
Zinsplattformen = HighTech?