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Von Ralf Keuper

Die seit der Ver­öf­fent­li­chung von ChatGPT rasant ver­lau­fen­de Ent­wick­lung im Bereich der KI ruft sowohl Enthu­si­as­ten wie auch Skep­ti­ker auf den Plan. Zur ers­ten Grup­pe zählt zwei­fel­los Reid Hoff­man, der Grün­der von Lin­ke­dIn und Co-Grün­der von Pay­Pal. Sei­ner Über­zeu­gung nach wird die KI uns zu dem nächs­ten gro­ßen Sprung nach vorn ver­hel­fen. So wer­de die KI unse­re Hand­lungs­fä­hig­keit deut­lich erhö­hen, indem sie uns Werk­zeu­ge an die Hand gibt, mit deren Hil­fe wir unse­ren Denk­ho­ri­zont erwei­tern. Ja, die syn­the­ti­sche Intel­li­genz ist von ihrem Poten­zi­al nur noch mit dem Auf­kom­men der Dampf­ma­schi­ne zu ver­glei­chen. Die Intel­li­genz ist jetzt ein ska­lier­ba­rer, hoch­gra­dig kon­fi­gu­rier­ba­rer, sich selbst ver­stär­ken­der Motor für den Fort­schritt. Rich­tig genutzt, lässt sich damit laut Hoff­man und sei­nem Co-Autor Greg Bea­to der Zustand der Super­agen­cy errei­chen. “Die­ser Zustand tritt ein, wenn eine kri­ti­sche Mas­se von Indi­vi­du­en, die durch KI per­sön­lich befä­higt sind, auf auf einem Niveau zu agie­ren begin­nen, das sich auf die gesam­te Gesell­schaft aus­wirkt”. Daher auch der Titel ihres gemein­sam ver­fass­ten Buches: Super­agen­cy. Wie Künst­li­che Intel­li­genz zum All­tag wird.

Hoff­man und Bea­to unter­tei­len die Men­schen, die sich mit dem Poten­zi­al und den Fol­gen der Künst­li­chen Intel­li­genz beschäf­ti­gen, in Doo­mer, Gloo­mer, Zoo­mer und Bloo­mer. Wäh­rend die Doo­mer davon über­zeugt sind, dass die KI uns letzt­lich ver­skla­ven wird, sind die Gloo­mer der Ansicht, dass die KI Risi­ken birgt, die nur durch stren­ge Regu­lie­rung ein­zu­he­gen sind, wohin­ge­gen die Zoo­mer durch­weg opti­mis­tisch in die Zukunft bli­cken, mehr noch als die Gloo­mer, die unterm Strich eben­falls opti­mis­tisch sind und die Risi­ken mit einem inte­r­ati­ven Vor­ge­hen mini­mie­ren wol­len. Hoff­man und Bea­to zäh­len sich zum Lager der Bloomer.

Hoff­man und Bea­to plä­die­ren bei der Ent­wick­lung und Ver­bes­se­rung der KI für eine brei­te Öffent­lich­keits­be­tei­li­gung, die mit einem kon­ti­nu­ier­li­chen Feed­back ein­her­ge­hen muss, ähn­lich wie im Fall des Auto­mo­bils und des Inter­net. Freie Gesell­schaf­ten sind auf den frei­en Fluss von Infor­ma­tio­nen ange­wie­sen, wes­halb die Pri­vat­sphä­re zwar nicht ange­ho­ben wer­den soll; in Berei­chen, in denen die Gesell­schaft als Gan­zes auf den Aus­tausch mög­lichst vie­ler Infor­ma­tio­nen ange­wie­sen ist, wie im Gesund­heits­we­sen, erwei­se sich die Zurück­hal­tung pri­va­ter Infor­ma­tio­nen jedoch als kon­tra­pro­duk­tiv. Um die­se reser­vier­te Hal­tung zu über­win­den, sei es nötig, dass wir uns bewusst machen, wie sehr wir schon heu­te enge und wich­ti­ge Bin­dun­gen mit nicht-mensch­li­chen Intel­li­gen­zen ein­ge­hen. Hoff­man und Bea­to nen­nen die per­sön­li­che Bezie­hung zu Gott oder die zu Haus­tie­ren. “Dass wir schnell tie­fe und dau­er­haf­te Bin­dun­gen zu Intel­li­gen­zen auf­bau­en, die eben­so aus­drucks­stark und reak­ti­ons­schnell sind wie wir, scheint unver­meid­lich und ein Zei­chen der mensch­li­chen Natur als der tech­no­lo­gi­schen Über­trei­bung zu sein”. Man den­ke nur an die inni­ge Bezie­hung vie­ler Men­schen zu ihrem Smart­phone oder Auto.

Gro­ße tech­no­lo­gi­sche Platt­for­men ber­gen nach Auf­fas­sung von Kri­ti­kern stets die Gefahr des Macht­miss­brauchs und der Schaf­fung öko­no­mi­scher und emo­tio­na­ler Abhän­gig­kei­ten. Für Hoff­man und Bea­to haben sie dage­gen den Sta­tus pri­va­ter Gemein­gü­ter. Als Bei­spiel nen­nen sie Wiki­pe­dia, aber auch Goog­le Maps und Yelp. Deren gemein­sa­me Kenn­zei­chen sind: “Frei­wil­li­ge Nut­zer tra­gen Infor­ma­tio­nen bei, die die­se Platt­for­men für alle, die sie nut­zen, berei­chern, Alles sind für ein ein sehr gro­ßes Publi­kum frei zugäng­lich Alle arbei­ten nach bestimm­ten Gover­nan­ce-Regeln und wer­den aus­drück­lich von bezahl­ten Mit­ar­bei­tern ver­wal­tet … Für die Nut­zer ist der Wert, den sich aus pri­va­ten Gemein­gü­tern zie­hen, nicht expli­zit in Dol­lar und Cent sicht­bar, .. Das bedeu­tet jedoch nicht, dass es kei­nen wech­sel­sei­ti­gen Wert­aus­tausch gibt”. Hoff­man und Bea­to brin­gen als Bei­spie­le Phyton.org und Git­Hub sowie Platt­for­men wie Stack Over­flow und freeCodeCamp.

Eine Schlüs­sel­rol­le wer­den KI-Agen­ten über­neh­men. Sie wer­den in der Lage sein, naht­los auf meh­re­re Res­sour­cen pri­va­ter Gemein­gü­ter zurück­zu­grei­fen, um indi­vi­du­el­le und wert­stei­gen­de Erfah­run­gen für ein­zel­ne Nut­zer zu gene­rie­ren. Als Bei­spiel nen­nen die Autoren die Nut­zung eines Reiseassistenten.

Um dem berech­tig­ten Wunsch nach Ver­läss­lich­keit der ver­wen­de­ten KI-Sys­te­me nach­zu­kom­men, ohne dabei jeden Impuls durch vor­aus­ei­len­de Regu­lie­rung zu unter­drü­cken, set­zen sich Hoff­man und Bea­to für die Ver­wen­dung und ste­ti­ge Ver­bes­se­rung von Bench­marks ein, von denen es bereits eine gro­ße Viel­zahl gibt. Bench­marks wür­den durch eine Kom­bi­na­ti­on aus Zusam­men­ar­beit und Wett­be­werb dazu bei­tra­gen, Nor­men für Trans­pa­renz und Ver­ant­wort­lich­keit zu eta­blie­ren. Beson­de­re Erwäh­nung ver­dient nach Auf­fas­sung von Hoff­man und Bea­to die Bes­ten­lis­te Chat­bot Arena.

Der Dia­log mit LLMs wird künf­tig mehr noch als bis­her zum Bestand­teil unse­res All­tags. “Da LLMs und die auf ihnen auf­bau­en­den Sys­te­me so leis­tungs­fä­hig wer­den, dass sie auf höchst zuver­läs­si­ge und anpas­sungs­fä­hi­ge Wei­se auto­nom agie­ren kön­nen, wer­den sie durch die­se Fort­schrit­te auch bes­ser in der Lage sein, zuzu­hö­ren, zu inter­agie­ren und Anwei­sun­gen in lau­fen­den Eins-zu-Eins-Gesprä­chen mit ihnen zu befol­gen”. Ein Ansatz übri­gens, den der Ver­fas­ser die­ser Rezen­si­on bereits mit wach­sen­der Begeis­te­rung prak­ti­ziert. LLMs und KI-Agen­ten schlüp­fen in die Rol­le eines Kom­mu­ni­ka­ti­ons­part­ners. Wenn man sich ver­ge­gen­wär­tig, wie oft Gesprä­che mit Men­schen und der Kon­sum von Fernseh‑, Zei­tungs- und Social-Media—Beiträgen zur Ver­fla­chung der eige­nen Gedan­ken­welt füh­ren, ist der Dia­log mit dem KI-Agen­ten sei­ner Wahl häu­fig die loh­nen­de­re und anre­gen­de­re Alternative—selbst der inten­si­ve Dia­log mit dem eige­nen Hams­ter ist da meis­tens inspi­rie­ren­der und berei­chen­der – kurz­um: erbaulicher.

Vie­le Län­der, so Hoff­man und Bea­to, hät­ten inzwi­schen erkannt, wie wich­tig eine sou­ve­rä­ne KI-Infra­struk­tur für die Unab­hän­gig­keit und den Wohl­stand sei­ner Bevöl­ke­rung ist. Eine Bot­schaft, die in Euro­pa noch nicht bei jedem ange­kom­men ist—das gilt vor allem für die Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter der Wirt­schaft, die glau­ben, der Staat wer­de das schon erle­di­gen oder ihnen die nöti­gen Mit­tel zur Ver­fü­gung stel­len, so dass sich das eige­ne Risi­ko auf nahe­zu null redu­zie­ren lässt. Dass Sub­ven­tio­nen häu­fig mit wach­sen­der Büro­kra­tie ein­her­ge­hen, wird dann ger­ne über­se­hen, dafür über ums so lie­ber beklagt.

Für Hoff­man und Bea­to gilt, dass, je mehr der Ein­zel­ne von KI pro­fi­tiert, des­to mehr wer­den wir alle davon pro­fi­tie­ren. In einer Welt, in der jeder Zugang zu KI-gestütz­ten Markt­ana­ly­sen, kom­ple­xen Simu­la­ti­ons­mo­del­len und KI-gestütz­te The­ra­peu­ten, Bera­ter und Leh­rer hat, gedeiht Inno­va­ti­on, wodurch dann Wohl­stands­ef­fek­te entstehen—die Welt der Superagency.

Wür­di­gung

Das Buch von Hoff­man und Bea­to hebt sich über wei­te Stre­cken wohl­tu­end von den eher alar­mis­tisch aus­ge­leg­ten Ver­öf­fent­li­chun­gen, die sich mit den Fol­gen der KI beschäf­ti­gen, ab. Hin und wie­der sind sie evtl. zu opti­mis­tisch und von ihrer eige­nen Sicht­wei­se und Inter­es­sen­la­ge ein­ge­nom­men, wie Hoff­man, der sel­ber ein mil­li­ar­den­schwe­rer Inves­tor im Bereich KI ist. Aller­dings ent­hält das Bild der bzw. die Meta­pher der Super­agen­cy vie­le rea­lis­ti­sche Züge, die sich immer mehr abzu­zeich­nen begin­nen und bereits im All­tag Ein­zug hal­ten. In jedem Fall han­delt es sich um ein Buch, dass die Lek­tü­re und Beschäf­ti­gung mit den Argu­men­ten der Autoren lohnt und den Blick auf die Zukunft weitet.

Zuerst erschie­nen auf KI-Agen­ten

Als Foli­en

Superagency—Wenn Künst­li­che Intel­li­genz zum All­tag wird Presentation‑2

Das Gan­ze auch als Pod­cast (erstellt mit notebooklm.google)