Gegen­wär­tig läuft eine öffent­li­che Dis­kus­si­on über die Gefah­ren eines Auf­kaufs von Arzt­pra­xen durch Finanz­in­ves­to­ren – mit Fol­gen für Pati­en­ten, das medi­zi­ni­sche Per­so­nal und die Bei­trags­zah­ler der Gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung. Ein Gut­ach­ten im Auf­trag der Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gung Bay­erns, nach dem die abge­rech­ne­ten Hono­rar­vo­lu­mi­na in Medi­zi­ni­schen Ver­sor­gungs­zen­tren (MVZ) im Eigen­tum von Finanz­in­ves­to­ren deut­lich über den Volu­mi­na in ande­ren MVZ lie­gen, hat die­se Debat­te noch intensiviert.

Wie aber kön­nen soge­nann­te “Pri­va­te-Equi­ty-Gesell­schaf­ten” über­haupt Arzt­pra­xen auf­kau­fen? Und wel­che gesell­schafts­recht­li­chen Struk­tu­ren ent­ste­hen damit in der ambu­lan­ten Gesund­heits­ver­sor­gung? Dies hat ein jetzt in der renom­mier­ten Fach­zeit­schrift „Tijd­schrift voor Eco­no­mi­sche en Socia­le Geo­gra­fie“ erschie­ne­ner Arti­kel von Richard Bůžek (Uni­ver­si­tät Müns­ter) und Dr. Chris­toph Scheu­plein (IAT, Insti­tut Arbeit und Technik/​ West­fä­li­sche Hoch­schu­le) am Bei­spiel der ambu­lan­ten Pati­en­ten­ver­sor­gung in Bay­ern unter­sucht. Es konn­ten 17 in Bay­ern täti­ge Arzt-Ket­ten im Eigen­tum von Pri­va­te Equi­ty iden­ti­fi­ziert wer­den, bei denen sich jeweils eine “Kor­po­ra­ti­sie­rung” voll­zieht, d.h. ein Umbau von Ein­zel­pra­xen in groß­un­ter­neh­me­ri­sche Struk­tu­ren. Alle Arzt-Ket­ten betrei­ben einer­seits eine „Zugangs­struk­tur“ mit einer Erwerbs­ge­sell­schaft und einem Kran­ken­haus, die dazu die­nen, Medi­zi­ni­sche Ver­sor­gungs­zen­tren zu kau­fen und zu steu­ern. Ande­rer­seits haben sie eine „Finanz­struk­tur“ auf­ge­baut, mit denen das Inves­ti­ti­ons­ka­pi­tal nach Deutsch­land trans­fe­riert wird (bzw. die erziel­ten Gewin­ne zurück an die Kapi­tal­eig­ner trans­fe­riert wer­den). In 14 Fäl­len sind die Fonds-Stand­or­te in einer Steu­er­oa­se ange­sie­delt, d.h. ins­be­son­de­re auf Guern­sey, Jer­sey und den Cayman Islands. In vie­len Fäl­len wer­den Toch­ter­ge­sell­schaf­ten an meh­re­ren Off­shore-Finanz­zen­tren errich­tet, um die ver­schie­de­nen steu­er­li­chen Vor­tei­le mit­ein­an­der zu kombinieren.

Die „Finanz­struk­tu­ren“ der neu­en Arzt-Ket­ten sind für die Gesund­heits­po­li­tik und die Kas­sen­ärzt­li­che Selbst­ver­wal­tung kaum trans­pa­rent. Den­noch trei­ben die Pri­va­te-Equi­ty-Gesell­schaf­ten mit ihr die „Kor­po­ra­ti­sie­rung“ der ambu­lan­ten Pati­en­ten­ver­sor­gung in Deutsch­land mit hohen Tem­po vor­an. In weni­gen Jah­ren wer­den die unter­such­ten Arzt-Ket­ten ent­spre­chend dem Geschäfts­mo­dell der Finanz­in­ves­to­ren wie­der ver­kauft wer­den: Die „Finanz­struk­tu­ren“ haben dann ihren Zweck erfüllt bzw. wer­den aus­ge­tauscht, die kon­zern­ar­ti­gen Arzt-Ket­ten mit ihren „Zugangs­struk­tu­ren“ aber wer­den die ambu­lan­te Pati­en­ten­ver­sor­gung in Deutsch­land dau­er­haft prägen.

Wei­te­re Informationen:
Richard Bůžek, Chris­toph Scheu­plein: The Glo­bal Wealth Chains of Pri­va­te-Equi­ty-Run Phy­si­ci­an Prac­ti­ces. Tijd­schrift voor Eco­no­mi­sche en Socia­le Geo­gra­fie. Online first, 2022, 1–17, https://doi.org/10.1111/tesg.12519

Quel­le /​ Link: Neue Arzt-Ket­ten in undurch­sich­ti­gen Finanz­struk­tu­ren – IAT zu “Pri­va­te-Equi­ty-Gesell­schaf­ten“ im Gesundheitswesen