Von Ralf Keuper
Da mag sich manch einer verwundert die Augen reiben, dass einer der Gründer der Deutschen Bank ein Revolutionär war, ein von der Obrigkeit steckbrieflich gesuchter, zum Tode verurteilter Unruhestifter. Und doch war es so. Bei dem Delinquenten handelt es sich um Ludwig Bamberger, aus dem Rheinhessischen stammender Sohn einer alten Bankiersfamilie. Sogar als “Roter Bamberger” wurde er bezeichnet.
Bis an sein Lebensende soll Bamberg stolz auf seine revolutionäre Vergangenheit gewesen sein. Seine revolutionäre Gesinnung war vorwiegend politischer Natur. Als Bankier war er eher konservativ und ausgesprochen erfolgreich.
Wie die Revolutionäre des Vormärz vor und mit ihm, so trat auch Bamberger 1848 entschieden für die Einführung der Demokratie in Deutschland ein. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen, viele der Revolutionäre verließen Deutschland, um der Verhaftung oder Schlimmerem zu entgehen. Auch Bamberger ging in die Emigration, die ihn letztlich über Zürich, London, Antwerpen, Rotterdam und Brüssel nach Paris führte.
Der Vorteil seiner unfreiwilligen beruflichen Mobilität bestand u.a. darin, dass er mit den neuesten Entwicklungen des Bankwesens jener Zeit auf Tuchfühlung war. Das betraf vor allem die Verbreitung der Telegrafie, die im Börsenwesen für einen großen Umbruch sorgte:
Der Börsenhandel bestimmte über viele Jahre Bambergers Arbeit, er gewann dabei praktische Erfahrungen in einer Wachstumsbranche und lernte, welche Bedeutung technologischer Umbruch für das Finanzgeschäft haben kann. Es zeichnete sich ab, dass Entwicklungen des internationalen Bankwesens wesentlich durch Fortschritte in der Telekommunikation verursacht wurden. Ludwig Bamberger war zugegen, als der technologische Durchbruch am Finanzplatz Brüssel vorgestellt wurde … Die Geschwindigkeit, mit der sich nun Meldungen verbreiteten, brache neue Verdienstquellen für die Bankiers, die ihr Geschäftsgebaren den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen wussten. Bamberger hatte somit wertvollen Anschauungsunterricht über die wechselseitige Abhängigkeit von technologischem und finanzwirtschaftlichem Fortschritt. Im Rückblick konnte Bamberger nur staunen, wie sich der Börsenhandel im Laufe weniger Jahre vollkommen veränderte. (Quelle: Benedikt Koehler: Ludwig Bamberger. Revolutionär und Bankier)
Vor ähnlichen Veränderungen wie damals steht das Bankwesen auch heute. Sie sind womöglich noch tiefgreifender. In London, Antwerpen und Rotterdam machte Bamberger auch Bekanntschaft mit dem Liberalismus und Pragmatismus. Dem Sozialismus gegenüber war er distanziert. Später galt er in Deutschland als führender Vertreter des Manchesterkapitalismus.
In seinen späteren Lebensjahren trieb er, in Deutschland wieder rehabilitiert, die Währungsreform durch Gründung einer Notenbank voran und war als Mitglied des Reichstages für die Nationalliberale Partei, später für deren Abspaltung , Deutsche Freisinnige Partei, zu deren Gründern auch der erste Chef der Deutschen Bank, Georg von Siemens, gehörte, politisch aktiv.
Über seine Rolle bei der Gründung der Deutschen Bank heisst es auf deren Seite Bankgeschichte im Internet:
1869⁄70 war Bamberger an der Vorbereitung und Gründung der Deutschen Bank beteiligt. Die Denkschrift, die er im Auftrag des provisorischen Verwaltungsrates verfasste und am 8. Februar 1870 an Bismarck sandte, verlieh dem Antrag auf Konzessionierung der zu errichtenden Bank zusätzliches Gewicht und führte mit der Konzessionserteilung vom 10. März 1870 zum Erfolg. Das Ansehen, das Bamberger im Gründerkreis der Deutschen Bank genoß, wurde auch daran deutlich, daß man ihm, der zwar nur 18.000 Taler (von insgesamt 5 Millionen Taler Aktienkapital) zeichnete, die erste Stelle auf der Liste der Erstzeichner überließ. Von 1870 bis 1872 gehörte er dem aus 24 Mitgliedern bestehenden Verwaltungsrat der Deutschen Bank an, der als »Träger aller Vollmachten seitens der Gesellschaft« mit exekutiven Rechten ausgestattet, die weit über diejenigen des heutigen Aufsichtsrats hinausgingen